Hallo, Zentrale: Abtreten!

Es
ist ein erbärmliches Bild, das die Zentralgewerkschaften abgeben.
Jüngstes Beispiel: Der Arbeitskampf im Öffentlichen Dienst der
Länder, der streng genommen gar nicht stattfand. Das Tarifergebnis
ist so miserabel, dass die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di die
Einkommenstabellen nicht mal veröffentlichen mag. Einsehbar nur im
Mitgliederportal – ein Novum im Öffentlichen Dienst! Stattdessen
ergießt sich auf ihrer Homepage und im Flugblatt zum Abschluss ein
wahrer Regen von Schimpfkanonaden und Schmähungen gegen die
angeblich Schuldigen: Verantwortlich für die Misere sind natürlich
nicht diejenigen, die sie am grünen Tisch verzapft haben, sondern,
na…? Die Unorganisierten! Kollegenbashing ist also angesagt. Es ist
zum Kotzen, wie die weltweit größte Einzelgewerkschaft mit derart
perfiden Methoden in Stellung geht, um die eigenen Reihen zu
befrieden. Doch die Saat will nicht recht aufgehen: Nur 68,8 Prozent
der Mitglieder sprachen sich für die Annahme des Tarifergebnisses
aus. Beim letzten Abschluss 2006 waren es noch 83,5 Prozent. Das
Ansehen der Bosse in den Gewerkschaftszentralen ist an der Basis im
freien Fall begriffen, die Stimmung ist am Kochen. Spätestens als
Hartmut Möllring, niedersächsischer Finanzminister und
Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes „Tarifgemeinschaft
deutscher Länder“, öffentlich seiner Zufriedenheit über den
„fairen Kompromiss“ Ausdruck verlieh, wussten die Aktiven, dass
sie betrogen waren. Noch wenige Tage vorher hatte er sich von
Streikdrohungen unbeeindruckt gezeigt. Und dieser Mann ist zufrieden?
Da kann etwas nicht stimmen! Wie hetzte ver.di doch gleich gegen
Unorganiserte: „…eigentlich habt ihr das nicht verdient,…“ –
Richtig, diesen Deal der Bosse hat niemand verdient!

Gauklerstückchen

Hatten
die Aktiven ihren Führungen im letzten Arbeitskampf noch vieles
nachgesehen, ist ihre Geduld nun am Ende. 2006 fanden sie vielleicht
darin Trost, dass es der erste Streik seit 1992 war. Mittlerweile ist
dieses Gefühl allerdings der Erkenntnis gewichen, dass die
Zentralverbände nicht nur nicht streiken wollen, sondern es auch
nicht können. Aus purem Unvermögen! Alle Aktiven wissen, dass ein
Streik den Arbeitgebern weh tun muss. Stattdessen wurden ganze
Betriebe von den zentralen Streikleitungen ignoriert. Noch ärger
trieben es die anderen Akteure im Operettenstreik: Statt Angestellte
in den Ausstand zu rufen, ließ die dbb-tarifunion überwiegend mit
ihnen im Deutschen Beamtenbund organisierte Beamte in Bussen
rankarren, um durch Fähnchenschwenken vor den Funktionärsbühnen
mediale Bilder der Massenbeteiligung zu produzieren. Ein billiger
Trick, vor allem weil es die Streikkasse schont. Mitglieder wirbt der
Verband im übrigen allein dadurch, dass er geringere Beiträge als
ver.di kassiert. Für seine Mitglieder zahlt sich das am Ende nicht
aus.

Auf
ein Wort, Aktive an der Basis

Was
soll einem noch dazu einfallen, wenn ver.di-Hannover ihren
Mitgliedern in einem Streikrecht-Info erklärt, dass das Anpinnen von
Plakaten mit Reißnägeln nicht erlaubt ist? Wovor hat ver.di Angst,
wenn sie Verbotskataloge aufstellt, statt ihre Mitglieder über deren
Rechte zu informieren? Geht es noch peinlicher? – Jawoll:
„Anordnungen der Polizei sind zu befolgen, Diskussionen über deren
Rechtmäßigkeit sind unangebracht.“ Mündige, kämpferische
Mitglieder? Bei ver.di unerwünscht! Was hält die KollegInnen also?
Lohnt es sich wirklich, wegen eines täglichen Streikgelds in Höhe
des 2,5-fachen Monatsbeitrags plus 2,50 Euro pro Kind von Niederlage
zu Niederlage geführt zu werden? Wie oft streikt ver.di in zwei
Jahren? Und hat sich mal jemand mit KollegInnen unterhalten, die das
Pech hatten und den gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch
nehmen mussten? Mit jeder Rechtsschutzversicherung inklusive freier
Anwaltswahl plus individueller Beratung sind sie besser bedient. Es
gibt nicht einen Grund, niemand will immer nur verlieren!

Wie
2006 standen Mitglieder der FAU Hannover mit ihren
BetriebskollegInnen im Streik. Wieder war zu erleben, wie viele mit
Zentralgewerkschaftsbuch in der Tasche zu StreikbrecherInnen wurden –
radikale Linke, die auf Politveranstaltungen über die soziale Frage
schwadronieren, dazugerechnet. Von ihnen ist nichts zu erwarten. Wäre
es deshalb nicht an der Zeit, dass sich die Aktiven zusammentun, in
den nächsten Jahren kampfstarke Betriebsgruppen aufbauen und für
eigene, bessere Abschlüsse in den Betrieben streiten? Ver.di &
Co haben den Flächentarif im Öffentlichen Dienst längst von
eigener Hand begraben.

Nandor
Pouget (GGB-Hannover)

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