Kolumne Durruti

kolumne_durruti_ms.jpgDie Welt, in der ich lebe, wird mir
immer enger. In Restaurants darf ich nicht mehr rauchen, in Kneipen
eigentlich auch nicht, da geht es auch schon dem Alkoholischen an den
Kragen. Nichts wird uns mehr gegönnt.

Früher ging es keinen Chef etwas an,
wie viel Bier seine Angestellten während der Arbeitszeit tranken.
Und in manchen Arbeitsverträgen waren den Arbeitern und
Arbeiterinnen sogar Mindestmengen Alkohol garantiert, den Glasbläsern
zum Beispiel, die in der heißen, trockenen Luft rasch durstig
wurden. Da hatte auch der geizigste Boss Verständnis dafür, dass so
ein hart schuftender Prolet seine zwei, drei Liter frisch Gezapftes
braucht bei der Arbeit. Berühmt sind von daher auch die
alteingesessenen, tschechischen Glashütten, die mit eigenen
Hausbrauereien ausgestattet waren. Diese brauten exklusiv für die
Glasbläser, welche obendrein ein Anrecht darauf hatten, den Humpen
direkt an den Platz gebracht zu bekommen. Übrig geblieben davon ist
nur ein bisschen Folklore für die Touristen. In anderen Ländern,
wie etwa der Schweiz, sind derlei Passagen in Arbeitsverträgen von
Glasbläsern dahingehend abgeändert worden, dass aus dem Wörtchen
„Bier“ kurzum „Mineralwasser“ wurde. Wie traurig.

Zuletzt geht es nun den Trinkrechten
der Brauer an den Kragen. Nun, wovon reden wir? Es ist ein hier und
da gültiges Privileg der Belegschaft einer Fabrik, über das selbst
erzeugte Produkt verfügen zu können, in einem gewissen Rahmen
zumindest, für den Eigenverbrauch, versteht sich. Das ist in manchen
Keksfabriken so, beim Schraubendrehen, bei Autoreifen, wieso also
soll Bier da eine Ausnahme bilden?

Weil es schlecht ist, moralisch
verderbend und der Gesundheit abträglich. So schimpft nicht nur der
Zeitgeist, so dachte auch die Chefetage der dänischen
Carlsberg-Brauerei. Anfang April ordnete sie an, dass ihre
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kopenhagen nur noch während der
Mittagspause Bier trinken dürfen. Doch wie viele Gläser schafft man
schon in einer dreißigminütigen Pause? Während der man ja auch
noch was essen will? Eben, es ist ein Hohn! Und darum traten 800
erzürnte Brauereiangestellte in den Streik. Und die 200
BierwagenfahrerInnen erklärten sich mit ihnen solidarisch und
streikten gleich mit.

Bislang wurde nicht bekannt, ob
Carlsberg einlenkt; der Streik ist unterbrochen, bis das Management
zu den Forderungen Position bezieht. Es ist eine eigenartige Lehre
der Geschichte, dass man den Menschen alles nehmen kann, die
Freiheit, den Frieden, aber will man ihnen ihr Alltagslaster
vergällen, brennen die Barrikaden. Als Gorbatschow aus moralisch
hehrem Grund, der Volksgesundheit wegen nämlich, den Wodkaverzehr
drosseln wollte, sprach bald niemand mehr in Russland seinen Namen
ohne Zorn aus. Das Ende kennen wir. Ebenso bekannt ist, dass die
Prohibition die USA in die wohl schwerste innenpolitische Krise ihrer
Geschichte stürzte, oder dass in Bolivien die Massen fest wie eine
Mauer hinter dem Präsidenten stehen, weil dieser gegen das
Koka-Verbot kämpft.

Sie werden einlenken, sonst streiken
morgen die Kneipen, die Supermärkte, die Tankstellen. Und übermorgen
steht Dänemark in Flammen. Denkt daran, werte Carlsberg-Manager,
wenn ihr über die Forderungen der Streikenden beratet. Ihr habt
keine Chance!

Matthias Seiffert

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