Corona nur ohne unabhängige Gewerkschaft

Ein wesentlicher Teil der Informationen
stammt aus einem Interview, das der Autor am 4. April mit einem der
entlassenen Arbeiter in Mexiko–Stadt geführt hat und aus
Flugblättern der Gewerkschaft SUTEIVP.

Unabhängige Gewerkschaften haben es in
Mexiko schwer. Im Normalfall werden sie einfach von der lokalen Junta
de Conciliación y Arbitraje nicht als Gewerkschaft anerkannt. Oder
die ArbeitnehmerInnen werden bis zur Abstimmung, welche Gewerkschaft
sie haben möchten, von dem Unternehmen unter Druck gesetzt, die
diesem genehme Gewerkschaft zu wählen. Setzt sich eine unabhängige
Gewerkschaft doch einmal durch, so werden bisweilen komplette
Betriebe geschlossen oder die aktiven GewerkschafterInnen
rechtswidrig vor die Tür gesetzt.

Letzteres ist auch bei dem aktuellen
Arbeitskampf in einer Glasfabrik der Grupo Modelo, in der Flaschen
für Corona Bier hergestellt werden, der Fall. Nach zweijährigen
Auseinandersetzungen konnte sich vor einem halben Jahr die
unabhängige Gewerkschaft SUTEIVP (Sindicato Unico de Trabajadores de
la Empresa Industria Vidriera del Potosi, S.A. De C.V.) offiziell
gründen. Zuvor hatte sie sich in der vorgeschriebenen Wahl unter den
Arbeitern der Fabrik mit großer Mehrheit gegen die vorher in dem
Betrieb präsente Gewerkschaft der CTM durchgesetzt. Seitdem gab es
eine Vertretung der Arbeiter, die nicht das Wohl des Unternehmens im
Auge hatte, sondern die Interessen der Arbeiter gegenüber dem
Unternehmen durchzusetzen versuchte. Dies zeigt sich in ihren
Verhandlungserfolgen. In dem ersten halben Jahr erreichte sie weit
über dem mexikanischen Durchschnitt liegende Lohnsteigerungen von 19
Prozent und erste Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.

Offensichtlich wurde dies dem
Unternehmen auf Dauer zu teuer. Im Januar kam die Kündigung für
über 250 Arbeiter, darunter das komplette Gewerkschaftskomitee. Ohne
Vorankündigung wurden die Betroffenen vorgeladen und salopp darüber
informiert, dass das Unternehmen ihre Dienste nicht mehr benötige.
Wenn sie eine Abfindung wollten, hatten sie eine Erklärung zu
unterschreiben, mit der sie auf alle weiteren Forderungen
verzichteten. Diese Art des Vorgehens verstößt gegen das
mexikanische Arbeitsrecht und gegen internationale Abkommen.

Während den übrigen Arbeitern im
Falle der Unterstützung der unabhängigen Gewerkschaft gedroht
wurde, die Fabrik zu schließen und eine der CROC angeschlossene,
arbeitgeberfreundliche Gewerkschaft installiert wurde, wehrt sich ein
Teil der Entlassenen. Von zahlreichen anderen Gewerkschaften
unterstützt, organisieren 100 ehemalige Arbeiter den Widerstand
gegen die Entlassungen und die faktische Auflösung der unabhängigen
Gewerkschaft. Es gab Demonstrationen, eine Karawane in das 400
Kilometer entfernte Mexiko-Stadt, permanente Kundgebungen vor dem
Sitz der Gruppe Modelo und ihren Schwestergesellschaften sowie vor
der US-Botschaft und dem Sitz der Junta Federal de Conciliación y
Arbitraje.

Den Kampf um ihre Arbeitsplätze sowie
die Anerkennung der Gewerkschaft müssen die Arbeiter gegen die
mexikanischen Behörden, die korporativistischen Gewerkschaften und
die Grupo Modelo, den größten Bierkonzern Mexikos, führen. Dabei
sind sie auf die Solidarität eines breiten Unterstützungskreises
angewiesen, da sie derzeit über keine Einkünfte verfügen.

Tim Ackermann

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