Auf zu neuen Ufern

Für viele in der
anarchistischen Szene ist AK Press ohne Ramsey Kanaan kaum noch vorstellbar,
und über deinen Abschied kursieren so manche Gerüchte. Könntest du uns da
Aufklärung geben?

Als ich AK in den 90ern
als Arbeiterkooperative aufbaute, lief alles nach dem Prinzip: „Eine Person – eine
Stimme“. Über die letzten paar Jahre musste ich nun feststellen, mich in einer
Minderheitenposition zu befinden, sowohl was den internen
Entscheidungsfindungsprozess anbelangt als auch die Orientierung von AK – als
Verlag, Vertrieb und Propagandamittel – in einer sich schnell veränderten
Medienwelt. Auch wenn ich meine, dass AK weiterhin eine essentielle Rolle
innerhalb der anarchistischen und progressiven Veröffentlichungen und Vertriebe
spielt, so ist der Fokus doch bedenklich schmaler, als er meiner Meinung nach
sein könnte. Mein neustes Veröffentlichungsprojekt ist geprägt von einem sehr
viel weiter gefassten Ansatz gegenüber Literatur und anderen Medien – wie etwa
Fiktion, Dokumentarfilmen, Kunst und Kultur – sowie verschiedenen Wegen, dieses
Material auf ein breiteres Publikum zu verteilen.

Dein neues Projekt ist
PM Press. Wir sind sehr neugierig. Wer und was ist PM Press? Was können wir
erwarten? Würdest du es als anarchistische Presse bezeichnen?

PM Press ist eine aufregende
neue, radikale Multimedia-Veröffentlichung, mit der Absicht engagierte, gut
gemachte, provokative und aufschlussreiche Ideen, Debatten, Literatur,
Geschichte, Musik, Politik, Kunst, Aktivismus und Kultur an die Massen zu
bringen. PM setzt sich aus einigen AK-Getreuen und einem Haufen anderer
erfahrener Schwergewichtler aus den Bereichen Verlag, Politik und Aktivismus
zusammen. Ihr könnt Bücher und weiteres gedrucktes Material, CDs, DVDs,
digitale Medien, stylische Bekleidung und vieles mehr erwarten. Es handelt sich
um eine marxistische Presse. Es ist eine revolutionäre Presse. Aber es ist eine
Presse mit dem Durchblick, dem Hirn und dem Knowhow, um Ideen einer breiten
Öffentlichkeit zu präsentieren: Akademikern und Aktivisten, Intellektuellen und
Banausen. Sie ist populär und populistisch.

Wo innerhalb der Welt
der radikalen Veröffentlichungen würdest du PM Press einordnen? Also gibt es
eine bestimmte Lücke, die du füllen willst, ein bestimmtes Publikum, das du
erreichen willst? Oder ist es eher deine Motivation, das Material zu veröffentlichen,
das du veröffentlichen willst, und dieses dann seinen eigenen Platz und seine
eigene Öffentlichkeit finden zu lassen?

Zunächst bin ich
unsicher, ob ich PM innerhalb der Welt der radikalen Veröffentlichungen
ansiedeln würde, da es sowohl der Linken dienen und sie stärken soll, aber
dabei auch über das traditionelle Klientel der Linken hinausreichen soll. Es
ist wirklich wichtig, stichhaltige, aufschlussreiche Arbeiten anzubieten, die
die Grenzen der radikalen Ideen erweitern. Genau an diesem kritischen Moment,
in dem die Linke sich im Rückzug befindet, ist es entscheidend, ein Forum für
Debatten anzubieten, um auszuloten, wohin wir gehen, wie wir dort ankommen
könnten, und wie wir Veränderung tatsächlich herbeiführen können. Ebenfalls ist
es von großer Bedeutung, dass radikale Ideen auch weit außerhalb der
Aktivisten- und Akademikerghettos, in denen sie ständig kursieren, aufgehen.
Politische literarische Fiktion, Musik und Kultur sind Möglichkeiten, radikale
Ideen auf ein Publikum zu verteilen, das dafür typischerweise eigentlich
unempfänglich ist. Während sich das Medium, mit welchem sich die Leute
Informationen beschaffen, verändert, entsteht eine enorme Möglichkeit für uns,
sich in diesen neuen Formaten zu engagieren, ob nun online, über downloadbare
Videos, digitale Veröffentlichungen usw.

Ich finde es ebenfalls
erwähnenswert, dass PM auch eine Pamphletreihe startet. Die meisten
Herausgebenden scheinen die Pamphlete kleinen DIY-Kollektiven zu überlassen,
ich denke mal größtenteils deshalb, weil mit Pamphleten nicht viel Geld zu
machen ist. Was motiviert dich, trotzdem Pamphlete herauszubringen?

Es ist war, mit Pamphleten ist kein Geld zu machen. Allerdings sind
Pamphlete historisch gesehen der Kanal für radikale Ideen und Polemiken.
Wie Magazine bieten sie eine wichtige – und zugängliche – Methode, mundgerechte
Einführungen eines weiten Feldes von Ideen, Debatten und Belangen zu
verbreiten. Genauso stellen sie eine Möglichkeit dar, neue Arbeiten
hervorzuheben und unbekannten/ weniger bekannten AutorInnen ein Forum zu
bieten, ohne dabei eine enorme finanzielle Investition tätigen zu müssen, weder
aus Sicht der Herausgebenden, noch aus Sicht der Lesenden. Ich denke, dass sie
in Form von gedruckten, digitalen oder Audio-Formaten immer noch diese wichtigen
Funktionen erfüllen. Neue Schreibende, Lesende, Denkende und Teilhabende zu
erschließen und zu erhalten, ist nicht bloß eine notwendige revolutionäre
Funktion. Ein engagiertes Publikum aufzubauen ist ebenso ein Weg, einem Projekt
Stabilität zu verschaffen, finanziell und auf andere Weise…

Letztes Jahr kam es dazu, dass du vor dem Class Forum in Malmö gesprochen
hast. Welche Erfahrungen hast du aus Schweden mitgenommen?

Ich hatte eine großartige
Zeit auf der Konferenz. Ich war sehr beeindruckt von dem organisatorischen
Level, dem politischen Fundament der Konferenz, der Qualität der Konversationen
und Debatten, und der Genderzusammensetzung der OrganisatorInnen und
TeilnehmerInnen! Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich an einem
politischen Event teilgenommen habe, bei dem die überwältigende Mehrheit Frauen
waren. Ich war nur für ein Wochenende in Schweden (mein erster Besuch dort),
aber ich wäre glücklich, dort noch einmal hinzukommen.

In Ordnung, vielen Dank, und alles Gute für PM Press!

Übernommen von „Brand“;
Übersetzung: Mamunz
Das Interview musste leider stark gekürzt werden

Ramsey Kanaan ist ein vor
allem in den USA und dem Vereinigten Königreich innerhalb der anarchistischen Szene
einflussreicher Sänger und Autor. Nach seiner ausgiebigen und wechselhaften musikalischen
Tätigkeit in der britischen Anarcho-Punk- Szene avancierte der Sohn libanesischer/schottischer
Eltern zu einem der weltweit produktivsten Verbreiter anarchistischer Literatur
und Presse, einschließlich Adaptionen und Neuauflagen von anarchistischen
Klassikern wie Kropotkin, Rocker oder Goldman. Zudem ist er Autor verschiedener
Bücher.

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