Fit durch die Quadrate

Der Jungbusch, wie eh und jeh „der andere“ Stadtteil MannheimsIm Herzen Mannheims, jenseits der berüchtigten Quadratstraßen, liegt der Jungbusch, das Arbeiter- und Migrantenviertel schlechthin in der Industriestadt. Und mittendrin der „Arbeitersportverein“ (ASV), in dem sich neuerdings auch eine FAU-Initiative trifft. Die DA war neugierig, was es mit dem Verein auf sich hat, und sprach mit Anne vom Organisationskomitee.

„Arbeitersportverein“ – das klingt wie ein Relikt aus alten Zeiten. Doch wann und wie seid ihr wirklich entstanden?

Die Idee des Sportvereins wurde 1989 geboren. 1990 wurde er dann gegründet, um einen Platz zu schaffen, an dem Menschen mit „antifaschistischer Gesinnung gemeinsam Kampfsport und Fitnesstraining betreiben können. Speziell für Frauen soll/kann ein Kampfsporttraining angeboten werden“, wie es in einem ersten Flugblatt hieß. Hintergrund war ein damals sehr massives Auftreten der Nazis in Mannheim. Da haben sich einige ein etwas selbstbewussteres Auftreten gewünscht, auch, um sich sicherer auf der Straße zu fühlen. Wir sind bis heute kein eingetragener Verein.

Was erwartet jemanden heute, der oder die beim ASV mitmachen möchte?

Der ASV zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass seine BesucherInnen wenig Dogmatismus an den Tag legen. Minimaler Grundkonsens ist der Antifaschismus. Das Alter ist ziemlich gemischt. Unsere Neuzugänge sind wenige Monate alt, die Ältesten, die sich so blicken lassen, sind über 60. Zwischendrin ist so ziemlich alles vorhanden. Die Altersunterschiede sind wenig spürbar. Vielleicht ist die Art der Aktivität manchmal unterschiedlich. Aber wer in den ASV kommt, will entweder trainieren, hat eigene Ideen, die er/sie umsetzen will, oder beides. Viele sind auch einfach nur Besucher.

Der Name lässt ein urproletarisches Milieu vermuten. Hält der Name, was er verspricht?

Das war in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich. Der Anfang war wirklich proletarisch. Dann gab es eine Zeit, wo mehr Studierte oder Studierende im Verein waren als Unstudierte. Heute ist es gemischt. Wir haben z.B. HandwerkerInnen, PflegerInnen, DoktorInnen, Computerfachleute, Köche, Postboten und Menschen, die nicht arbeiten gehen. Was wer genau macht, interessiert aber eigentlich niemanden. Manche setzen ihre Fähigkeiten jedoch für Veranstaltungen, Umbauarbeiten oder Vokü ein.

Mannheim gilt nach wie vor als Arbeiterstadt, der Jungbusch zudem als Migrantenviertel. Wie wird der ASV im lokalen Umfeld angenommen?

Die MigrantInnen hier nehmen wohl kaum eine Notiz von uns. Sie haben ihre eigenen Orte, wo sie hingehen. Es gibt aber eine Gruppe junger türkisch/kurdisch-Stämmiger aus Ludwigshafen, die bei uns trainieren. Ansonsten sind bei uns Menschen mit Migrationshintergrund, die sich auch sonst in der Szene bewegen. Dass Mannheim mehr eine Arbeiterstadt als eine Studentenstadt ist, schlägt sich allerhöchstens in der Kontinuität wieder. Viele der älteren sind schon lange im Verein, einige seit der ersten Stunde.

Gibt es irgendwelche Bezüge zur historischen Arbeitersportbewegung?

Ja, diesen Bezug gibt es schon. Wie damals ist der Verein nur zum Teil dazu da, sich körperlich zu ertüchtigen. Viel wichtiger ist jedoch der politische Austausch, die Diskussion und das erproben anderer Lebensweisen. Z.B. arbeitet der Verein nichtkommerziell und kooperativ, kann sich aber dennoch (oder gerade deswegen) selbst finanzieren. Er ist selbstverwaltet, niemand, der dort arbeitet, bekommt Geld. Es gibt keine hierarchischen Vereinsstrukturen. Außerdem bieten wir politischen Gruppen die Räumlichkeit, um sich zu treffen, und damit schaffen wir Freiräume, um eigene Ideen eines selbstbestimmten Lebens umzusetzen. Historisch gesehen sind wir jedoch nicht so streng wie die damaligen Sportvereine. Bei uns muss man keinen Sport machen. Man kann, wenn man will. Umgekehrt muss man auch keine Politik machen, wenn man sich nur sportlich betätigen will.

Interview: Holger Marcks

 


Weitere Artikel zum Thema Sportökonomie: siehe das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe.

 

 

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