Welcher DA-Lesende wurde nicht auch von B. Travens libertären Abenteuerromanen politisch sozialisiert?! „Das Totenschiff“, „Der Caoba-Zyklus“, „Weiße Rose“, „Der Schatz der Sierra Madre“ (später verfilmt, u.a. mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle), um nur seine bekanntesten Werke zu nennen, gehören eigentlich in jedes gut sortierte anarchosyndikalistische Bücherregal. Der Schriftsteller, libertäre Antimilitarist und Revolutionär hat es weit über anarchistische Kreise zur Berühmtheit gebracht und blieb dennoch ein mythenumrankter Unbekannter. Mit allen Regeln der Kunst versuchte er zeitlebens systematisch seine Identität zu verschleiern. Ob Ret Marut, Otto Feige, Traven Torsvan oder Hal Croves – B. Traven verkehrte unter den unterschiedlichsten Namen und streute gezielt Falschinformationen über seine Herkunft und seinen Lebensweg. Warum tat er das? Wollte er sich vor staatlichen Repressionen schützen? Vor Übergriffen von Unternehmerseite, angesichts der unverhüllten Darstellung des Elends, in das die Bourgeoisie die Lohnabhängigen getrieben hat und treibt? Oder wollte er sich am Ende doch nur wichtigmachen? Denn nichts weckt die Neugierde auf eine Person mehr als die Aufforderung, sich jeder Neugierde zu enthalten. Wenngleich ersteres am wahrscheinlichsten bleibt (und auch der Comic teilt diese Interpretation im Wesentlichen), die Person B. Traven bleibt ein Rätsel und damit ein großartiger Stoff für eine Graphic Novel.
Der französische Comiczeichner Golo spannt seine Erzählung von B. Travens Anfängen als Schriftsteller bis zu seinem Tod und darüber hinaus. Was Golo dabei großartig gelungen ist: Er erzählt nicht nur die Geschichte des Menschen B. Traven in seinem physischen Vorhandensein, sondern auch die seines libertären Geistes und seiner anarchistischen Ansichten, die seinen Tod überdauert haben und in seinen Romanen lebendig geblieben sind. So wundert es nicht, dass sich der Lesende zum Ende des Comics im Jahre 1994 im lakandonischen Regenwald wiederfindet und der zapatistischen Wiederaneignung von Land und Würde beiwohnt. Die Revolte lebte eben nicht nur im Geiste von Emiliano Zapata und der mexikanischen Revolution von 1910 auf, sondern auch im Geiste B. Travens.
Ausgespart werden auch nicht Travens Begegnungen mit Rudolf Rocker, Erich Mühsam und Gustav Landauer im Umfeld der bayerischen Räterepublik, seine Flucht in der Folge der Niederschlagung der Republik und seine Zeit auf dem „Totenschiff“ als Matrose, die den ersten Teil des Comics ausmacht. In der zweiten Hälfte dominiert Travens Aufenthalt in Mexiko. Die Zeichnungen sind in ihrer Qualität erstaunlich unbeständig, was einer unterschiedlichen Tagesform des Zeichners geschuldet sein mag. In seinen guten Momenten erinnert der Stil an den des anarchistischen Comickünstlers Jacques Tardi (siehe auch DA 222). Die Kolorierung beschränkt sich teilweise auf Grauabstufungen, teils sind die Seiten aber auch vierfarbig. Eine Methode dahinter lässt sich nicht nachvollziehen. Fazit: Ich bin von dem Comic begeistert! Lebendig und abwechslungsreich gezeichnet, spannend in der Erzählung, eine gelungene Mischung aus Spekulation und Tatsachenbericht. Wer bereits die Romane von B. Traven verschlungen hat, wird auch die Comic-Biografie von Golo mit Spannung lesen.
Minou Lefebre
Golo:
B. TravenPorträt eines berühmten Unbekannten144 Seiten, vierfarbig, Fadenheftung, Hardcoveravant-Verlag24,95 Euro