Die „Guten“ ins Töpfchen…

Die erstmalig 2000 erhobenen und veröffentlichten PISA-Studien der OECD (Programme for International Student Assessment) belegten die bereits Jahrzehnte andauernde Diskriminierung von Kindern aus prekären, sozial benachteiligten Familien sowie Kindern mit Migrationshintergrund. Die Studie verdeutlicht vor allem, dass im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die Bildungskarrieren von Kindern und Jugendlichen besonders stark mit der sozialen/regionalen Herkunft korrelieren1. Dies löste den so genannten „PISA-Schock“ aus, seit dem vielfach verschiedene Konzepte der Schulreform und -entwicklung diskutiert und teilweise umgesetzt werden. Allerdings zeigen Zahlen von 2012 des Statistischen Bundesamtes, dass der angestrebte Schulabschluss der Schüler*innen stark mit den Bildungsabschlüssen der Eltern korreliert. Laut Mikrozensus von 2012 (siehe Schaubild) lässt erkennen, dass die Eltern von 55% der Schüler*innen, die eine Hauptschule besuchen, selbst eine Lehre/duale Berufsausbildung gemacht haben. 31% der Eltern haben keinen derartigen Abschluss und lediglich 2% haben einen Hochschulabschluss. Die Schüler*innen, die eine Realschule besuchen, kommen aus Familien in denen der höchste Bildungsabschluss zu 61% eine Lehre/duale Bildungsausbildung ist, und immerhin noch 12% der Eltern haben weder Ausbildung noch Studium absolviert. 5% der Eltern besitzen einen Hochschulabschluss, 1% hat promoviert. Am Gymnasium kehren sich diese Zahlen um: 38% der Eltern haben eine Lehre/duale Berufsausbildung. 22% der Eltern haben einen Hochschulabschluss erreicht, 5% der Eltern haben sogar promoviert. Nur 6% der Schüler*innen kommen aus Haushalten, in denen die Eltern keinen solchen Bildungsabschluss erlangt haben. Folglich hat sich trotz vieler Diskussionen, Reformvorschläge und Reformen an der Ausgrenzung bestimmter marginalisierter Gruppen innerhalb des Schulsystems nicht viel verändert. In diesem Artikel soll die Frage diskutiert werden, woran bislang eine Veränderung des Schulsystems hin zu weniger Diskriminierung scheitert.

Was sind die Funktionen von Schule und warum gibt es die Schulpflicht?

Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht während des Kaiserreichs wird generell als ein Indiz für die Demokratisierung von Gesellschaft verstanden, da umgekehrt diese Pflicht in der Regel als ein „Recht auf Bildung“ umgedeutet wird. Da jedoch Rechte nicht gleichbedeutend mit Pflichten sind, lohnt sich ein Blick auf die Unterscheidung zwischen diesen beiden. Das „Recht auf Bildung“ ist in Artikel 26 der UN-Menschenrechtscharta festgeschrieben und wird wie folgt definiert:

„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offen stehen.

1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offen stehen. 2. Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen (…) beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein. 3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.“2

Einerseits wird hier ein Bildungsauftrag vergeben, der vermutlich, obgleich dies nicht explizit genannt wird, an eine staatliche Institution gerichtet ist, die beispielsweise die Infrastruktur für kostenlosen Grundschulunterricht bereitstellen muss, oder diesen Auftrag an andere Institutionen vergeben kann. Andererseits sollen die Eltern das Recht besitzen über die Art der Bildung ihrer Kinder zu wählen. Des Weiteren werden die Ziele von Bildung auf die Entwicklung der Persönlichkeit hin definiert. Gemeinhin gilt dieses „Recht auf Bildung“ in der BRD als umgesetzt, da ein freier, kostenloser Zugang zu verschiedenen Schulen und Schulformen gewährleistet ist und die Eltern zwischen den jeweiligen Schulformen für ihre Kinder wählen können. Als Garant dieses Bildungsrechts gelten die Schulpflicht sowie die staatliche Schulhoheit.3 Diese verfolgen jedoch andere Ziele, weshalb es sinnvoll ist, sich Funktionen von Schule im kapitalistischen Staat zu vergegenwärtigen. Die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht während des Kaiserreichs und ihrer flächendeckenden Umsetzung in der Weimarer Republik erfolgte vor dem Hintergrund einer veränderten Sicht auf das „Staatsvolk“, das nun nicht mehr nur untertänig und in Ständen kategorisiert sein sollte, sondern nun aus diesem mündige Bürger einstehen sollten, denen es an einer gewissen Bildung nicht fehlen durfte. In dieser Tradition wurde der staatliche Bildungsauftrag auch im Grundgesetz verankert. Dort heißt es: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“³. Durchgesetzt wird dies zum einen durch die 10-jährige Schulpflicht, die anders als in anderen westlichen Staaten rigoros durchgesetzt wird, und die Schulhoheit; d.h.: die Bestimmung, ob eine private Schulen anerkannt wird, obliegt staatlichen Institutionen, in der Regel den einzelnen Ländern. Diese umfangreiche Regulierung bewirkte sogar, dass eine Familie, die ihre Kinder zu Hause unterrichten wollte, und dadurch massiven Repressionen ausgesetzt war, in den USA politisches Asyl erhielt4.

Doch weshalb ist dem Staat soviel daran gelegen?

Weshalb hält er es für unabdingbar, alle Kinder und Jugendliche in staatlichen Schulen zu unterrichten? Zur Beantwortung dieser Frage kann es aufschlussreich sein, die Aufgaben von Lehrpersonen zu beachten.

„In Wahrnehmung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Erziehungsauftrags erfüllen sie Aufgaben von hoher staatspolitischer Bedeutung; sie müssen daher von der Richtigkeit dieses Auftrags überzeugt und imstande sein, die Erziehungsziele einschließlich der Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung den Schülern glaubhaft zu vermitteln.“5 Dies bedeutet im Wesentlichen die Bindung der Lehrperson sowie die des Lehrplans an das Grundgesetz und die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung. Für Schülerinnen und Schüler bedeutet dies, dass sie erlernen, sich in diesem Handlungsrahmen zu bewegen, zu denken und diesen schließlich nicht nur als gegeben hinnehmen, sondern auch diesen bejahen und bereit sind ihn zu verteidigen. Als zweite hoheitliche Aufgabe von Lehrpersonen wird definiert, dass sie „zu prüfen, Noten zu geben, über Versetzungen zu entscheiden…“6 haben. Durch diese Aufgabe wird die Vergabe von Noten, seien sie numerisch oder als Entwicklungsberichte dargestellt, festgeschrieben. Noten haben neben pädagogischen Rückmeldefunktionen u.ä. insbesondere die Funktion, über Zugänge zu weiterführender Bildung zu entscheiden, und legen somit die spätere gesellschaftliche Positionierung fest. Durch sie werden Selektionsmechanismen legitimiert und internalisiert. Dabei vermitteln sie weitere erwünschte Erkenntnisse:

Die Durchsetzung des Leistungsprinzips:

Die Durchsetzung des Leistungsprinzips wird als großer Gewinn für eine sich demokratisch- kapitalistisch verstehende Gesellschaft angesehen. Nun mehr spielen angeblich sozialer Status, Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, „Rasse“7/Ethnizität8 keinerlei Rolle mehr, sondern das Leistungsprinzip wird als scheinbar objektives Kriterium eingeführt, das zu einer Chancengleichheit beitragen soll. Allerdings wird dabei nicht berücksichtigt, dass Kinder und Jugendliche über unterschiedliche Voraussetzungen und Wissensstände verfügen und dadurch durch ein „Wir behandeln alle gleich“ benachteiligt werden, was auch erwünscht ist. Denn Schule ist eben nicht dazu da unterschiedliche Leistungsstände aufzuheben und Kinder und Jugendliche individuell zu fördern, sondern es dient der Feststellung von Leistungsunterschieden und -defiziten.

Demnach ist ein Versagen in diesem Prinzip angelegt

Dieses wird nun nicht mehr als strukturelles Problem wahrgenommen, sondern als ein individuelles Scheitern interpretiert und letztlich akzeptiert. Auf diese Weise wird der Mythos des „American Dream“ (Vom Tellerwäscher zum Millionär) in die Schulpraxis übernommen. Der gewollte Misserfolg vieler Kinder und Jugendlicher wird als ein persönliches Versagen dargestellt, währenddessen es genügend Beispiele zu geben scheint, dass Mensch die Schule doch locker schaffen kann. Dass diese es trotz selektierender Strukturen schaffen und nicht wegen dieser, wird nicht erwähnt. Auf diese Weise wird die gesellschaftliche Selektion in verschiedene Einkommens-und Berufsklassen bereits in der Schule über Noten und damit verbundene Bildungszugänge durch das dreigliedrige Schulsystem9 forciert, was sich in den resultierenden Bildungsabschlüssen manifestiert. Auch hier ist es nicht der Sinn, dass möglichst viele über entsprechende Bildungsabschlüsse später höhere gesellschaftliche Positionen einnehmen, Schüler*innen eine individuelle Rückmeldung über ihren Wissenstand erfahren und entsprechend
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gefördert werden. Vielmehr wird von der individuellen Leistung abstrahiert und sie in Bezug zu einer definierten Gruppe (meist die Klasse oder Stufe) gesetzt. Noten spiegeln daher nicht den individuellen Leistungsstand wider, sondern legen eine Rangordnung innerhalb der Klasse fest, nach der schließlich selektiert werden kann. Dabei ist nicht das Ziel, das möglichst viele gut abschneiden, sondern das Ideal stellt die so genannte „Gaußsche Glockenkurve“, auch Standardnormalverteilung genannt, dar. Diese hat einen breiten mittleren Bereich und ausgedünnte Extreme an dem höheren und niedrigeren Enden. Dies bedeutet, dass die einzelne Leistung einer*r Schüler*in zwar das Mittel für die spätere Selektion darstellt, jedoch nicht das eigentliche Kriterium, da die Notengebung auf dem Vergleich mit einer definierten Gruppe basiert.

Da folglich das schulische Versagen von Schüler*innen vorgesehen ist, stellt sich die Frage inwieweit gesellschaftlich verbreitete Diskriminierungsformen die schulische Selektion beeinflussen.

Ein intersektionaler Blick auf Diskriminierungsformen in der Gesellschaft und in der Schule

Die gesellschaftliche, soziale, politische und ökonomische Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen basiert auf eine Einordnung in verschiedene Gruppen auf Basis bestimmter ausgewählter Merkmale, wie Geschlecht, „Rasse“/Ethnizität, Klasse etc. Diese Einteilung legitimiert Abgrenzung und Ausgrenzung und marginalisiert dadurch Menschen. Gleichzeitig werden bestehende Machtverhältnisse legitimiert und reproduziert. Intersektionalität untersucht das Zusammenwirken verschiedener Merkmalsstrukturen und ihre spezifische Diskriminierung und daraus sich ableitende Positionierung. Intersektionalität lässt sich wie folgt definieren:

Intersektionalität ist ein Resultat von sozialen Prozessen, die in einer besonderen Art und Weise zur Hierarchisierung der Bevölkerung führen (…) Zum einen stoßen wir auf Konstruktionen von sozialen Merkmalen (positive Anlagen und Defizite, Fähigkeiten und Unfähigkeiten, Handlungspotentiale und Inkompetenzen), die sozialen Gruppen zugeschrieben werden und als Markierungen von Ungleichheit fungieren; zum anderen sind wir mit Statuszuweisungen konfrontiert, durch welche Teilpopulationen auf unterschiedlichen Stufen der gesellschaftlichen Rangordnung positioniert werden. Attribuierung und Lokation stützen sich wechselseitig ab, vollziehen sich aber auf verschiedenen Ebenen10.

Diskriminierung wirkt dabei auf drei Ebenen …

… die miteinander in einer Wechselwirkung stehen und sich einander bedingen. Auf einer individuellen Ebene findet die direkte Ausgrenzung einer Person durch eine oder mehrere andere Personen statt. Dies kann sich z.B. in diskriminierenden Äußerungen über eine Person darstellen. Die strukturelle Ebene schafft Diskriminierung von Menschen aufgrund bestimmter Verordnungen und Gesetze, während die institutionelle Diskriminierung die Ungleichbehandlung verschiedener Personen durch und in gesellschaftlichen Institutionen meint. „Im Gegensatz zu der direkten [individuellen] Diskriminierung geht die Ungleichbehandlung bei der institutionellen Diskriminierung nicht von dem einzelnen Politiker, Beamten, Lehrer, Unternehmer oder Gewerkschaftler, sondern von dem Netz von Institutionen aus, deren Maßnahmen in der Erziehung, der Wirtschaft und der Rechtsprechung kumulativ wirken und in der Summe den Zustand rassistischer oder ethnischer [als auch klassistischer, die Verfasserin] Diskriminierung bewirken.“11

Da die Institution Schule als Teilbereich der Gesellschaft zu verstehen ist, wirken auch hier die gleichen Mechanismen und Wirkweisen von Diskriminierung fort, wie sie auch gesamtgesellschaftlich vorhanden sind. In der Schule spielen insbesondere rassistische und klassistische Ausgrenzung eine wesentliche Rolle, was zu den Misserfolgen vieler betroffener Schüler*innen führt. Auf einer strukturellen Ebene zeigt sich, dass die Segregation von Wohnorten auch die Schulen beeinflusst. Da meist ein wohnsitznaher Schulbesuch erfolgt, werden auch die Schulen dementsprechend ausgestattet und finanziell versorgt. Dementsprechend entstehen so genannte „Brennpunktschulen“, die meist finanziell stark unterversorgt sind. Die bereits frühe Selektion und Verteilung in das dreigliedrige Schulsystem erfolgt meist nicht nur auf Basis von Noten, sondern auch auf Grundlage von Empfehlungsschreiben der Grundschullehrer*innen. Diese vergeben Empfehlungen über die weitere Schullaufbahn des Kindes, die z.T. auch rechtlich bindend sein können. In diesen Prognosen fließen nicht nur die tatsächlichen Leistungen der Kinder ein, sondern es werden auch die familiäre Situation und Unterstützungsangebote durch die Familie oder andere externe Akteur*innen berücksichtigt. Da nun auch Lehrer*innen nicht in einer vorurteils- und diskriminierungsfreien Gesellschaft leben, spiegeln sich bestimmte Vorurteile, etwa dass sozial marginalisierte und/oder Familien mit Migrationshintergrund wenig Interesse an der Bildung ihrer Kinder hätten und diese nicht unterstützen würden, wider und beeinflussen z.B. die Entscheidung, ein Empfehlungsschreiben für das Gymnasium auszustellen, negativ. In einigen Bundesländern wurde diese Kritik bereits angenommen, so dass Empfehlungsschreiben keine bindende Wirkung mehr haben oder ganz entfallen. Dennoch bleibt die frühe Selektion in das dreigliedrige Schulsystem erhalten, was bedeutet, dass Kinder lediglich vier Jahre Zeit haben etwaige Bildungsunterschiede aufzuholen. Das dreigliedrige Schulsystem besteht auf der Annahme aus dem 19. Jahrhundert, dass das Lernen in leistungshomogenen Gruppen am effektivsten sei. Ebenso so alt ist die Kritik an dieser Annahme, die besagt, dass gerade das Lernen in leistungsheterogenen Gruppen besonders wirkungsvoll sei, da auch innerhalb der Lerngruppe Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten geboten werden können, was auch „leistungsstarken“ Schüler*innen zu Gute kommt. Allerdings steht diese Idee diametral zu gegebenen Funktionen der Institution Schule. Während in einer heterogenen Lerngruppe die Schüler*innen lernen müssen sich gegenseitig zu unterstützen, steht in der derzeitigen Schulform das Erlernen von Konkurrenzverhalten im Vordergrund, da die Leistungen der Schüler*innen stets im Vergleich mit den Anderen bewertet werden. Das Festhalten an alters-und leistungshomogenen Gruppen erschwert zudem die Einstufung in die Schule von Kindern und Jugendlichen mit eigener Migrationsgeschichte, da meist beide Kriterien bei ihnen nicht zusammenfallen. Auch die starke Betonung auf Deutsch als Schulfach wirkt dabei erschwerend und führt auch zu schlechteren Leistungen in anderen Schulfächern. Jedoch nicht mangels des Verständnisses für die Lerninhalte des jeweiligen Schulfaches, sondern den Mangel an Sprachkenntnissen. Die spezielle Förderung durch Einführung eines Deutsch-als-Zweitsprache-Unterrichts lässt flächendeckend gesehen noch sehr zu wünschen übrig. Die Selektion in verschiedene Schulformen soll, so die Idee, den Kindern und Jugendlichen eine maximale Förderung ihrer Fähigkeiten zu kommen lassen. In der Realität führt es dazu, dass Kinder und Jugendliche, die schlechter abschneiden, von weiteren Bildungswegen ausgegrenzt werden. Doch andersherum wäre es sinnvoller, dass gerade die Schüler*innen, die an bestimmten Stellen Defizite aufweisen, besonders lange und intensiv gefördert werden und somit möglichst lange in der Schule verbleiben müssten. Dies widerspräche jedoch der Selektion durch Bildungsabschlüsse, die Menschen gesellschaftliche Positionen zuweist. Das staatliche Schulsystem hat eben nicht zum Ziel Bildungsunterschiede auszugleichen und somit zu einer egalitäreren Gesellschaft beizutragen, sondern produziert Bildungsunterschiede, die sich später in Einkommensunterschieden manifestieren. Insofern reproduziert es permanent gesellschaftliche Ungleichheit mit allen entsprechenden Diskriminierungsformen.

Fazit

Trotz der schon lange bekannten Wirkungen eines diskriminierenden Schulsystems und auch der Kenntnisse über entsprechende Lösungsmöglichkeiten sowie angegangener Reformen bleibt das Schulsystem ein selektives, Diskriminierung und Ausgrenzung produzierendes und reproduzierendes System. Dies liegt jedoch nicht an Fehleinschätzungen oder der Realisierbarkeit der Reformvorschläge, sondern scheitert am politischen Willen. Eine tatsächliche Reform der Institution Schule würde eine Minderung von Bildungsunterschieden bedeuten und würde somit einer zentralen Funktion von Schule, der Selektion, zuwiderlaufen. Außerdem ist Schule eingebettet in Gesellschaft und gesellschaftliche Institutionen, die von Rassismus und Klassismus durchdrungen sind und in denen diese Ausgrenzungsmechanismen genutzt werden um bestehende Machtverhältnisse zu legitimieren und zu reproduzieren. Schule ist ein Teil dessen und nimmt eine wichtige Reproduktionsfunktion wahr. Insofern müssen gesamtgesellschaftlich Diskriminierungs- und Ausgrenzungsformen angegangen und überwunden werden und eine egalitäre Verteilung gesellschaftlicher Güter angestrebt werden. Erst dann kann Schule zu einer realen Bildungseinrichtung werden, ohne staatlichen- und kapitalistischen Funktionen zu dienen.

 

Louise Goldberk

Anmerkungen:

[1] vgl. Bayat 2011[2] www.bpb.de/gesellschaft/kultur/zukunft-bildung/156819/menschenrecht?p=all[3] GG: Artikel 7(1)[4] vgl.: www.spiegel.de/schulspiegel/ausland/homeschooling-familie-romeike-bekommt-doch-kein-asyl-in-den-usa-a-900109.html#spCommentsBoxPager [18.06.14][5] Heckel/Avenarius 1986, 
S. 209f.[6] ebd., S. 206.[7] Bereits 1950 erließ die UNESCO das „statement on race“ mittels dessen der Begriff „Rasse“ diskreditiert wurde. Allerdings scheiterte dies an dem Widerstand vieler Wissenschaftler_innen. 
(vgl. Hund 2006, S. 14-15) Der Rassebegriff ist ein oftmals willkürlich angewandter Begriff, mit dem Zweck der Ausgrenzung und Herabsetzung bestimmter Personengruppen und daher kein geeignetes Analysekriterium. In diesem Artikel wird er benutzt, um rassistische Positionen darzustellen und zu untersuchen. Um sich dennoch von diesem Begriff zu distanzieren wird er in Anführungszeichen gesetzt.[8] Ethnizität und „Rasse“ können verschiedene Formen der Fremd- und Selbstdefinition darstellen. Ethnisierungen arbeiten eher mit kulturellen Unterscheidungen und/oder Zuschreibungen, während „Rasse“ biologistisch, naturalisierend begründet wird. (vgl. Klinger et al. 2007, S. 20.)[9] vgl. Huisken 2001, S. 402.
 Zwar wurde/wird das dreigliedrige Schulsystem derzeit in einigen Bundesländern reformiert, jedoch wird weder die schulische Selektion an sich noch die Institution des Gymnasiums als elitäre Schule angetastet.[10] Becker-Schmidt 2007,
 S. 58-61.[11] Interview mit Karim Fereidoonie; In: Grenzwertig Nr.4

Literatur:

Bayat, Masoumeh: Rezension von: Fereidooni, Karim: Schule-Migration-Diskriminierung. Ursachen der Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulwesen, Wiesbaden 2011, 
www.socialnet.de/rezensionen/11913.php Heckel, Hans/
Avenarius, Hermann:
 Schulrechtskunde,
Neuwied 1986Hund, Wulf D.:
Negative Vergesellschaftung. Dimensionen der Rassismusanalyse, Münster 2006 Klinger, Cornelia/
Knapp, Gudrun-Axeli:
 Achsen der Ungleichheit – Achsen der Differenz. Verhältnisbestimmungen von Klasse, Geschlecht, „Rasse“/Ethnizität;
 In Klinger, Cornelia/
Knapp, Gudrun-Axeli/
Sauer, Birgit (Hrsg.): 
Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität,
 Frankfurt am Main 2007 Huisken, Freerk:
 Erziehung im Kapitalismus. Von den Grundlagen der Pädagogik und dem unbestreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten, 
Hamburg 2001 Becker-Schmidt, Regina:
 „Class“, „gender“, „ethniticity“, „race“. Logiken der Differenzsetzung, Verschränkungen von Ungleichheitslagen und gesellschaftliche Strukturierung; In Klinger, Cornelia/
Knapp, Gudrun-Axeli/
Sauer, Birgit (Hrsg.):
 Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität,
 Frankfurt am Main 2007 Interview mit Karim Fereidoonie; In: Grenzwertig Nr. 4 Kerner, Ina:
 Questions of intersectionality. Reflections on the current debate in German Genderstudies;
 In: The European journal of women´s studies Bd. 19.2,
London 2012, S. 203-218. Fereidooni, Karim: 
Schule-Migration-Diskriminierung. Ursachen der Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulwesen,
 Wiesbaden 2011 Fereidooni, Karim:
 Das interkulturelle Klassenzimmer: Perspektiven neuer deutscher Lehrkräfte auf den Bildungs- und Integrationsdiskurs,
 Wiesbaden 2012

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