Kolumne Durruti

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Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist es um die innerdeutsche Kommunikation schlecht bestellt. Besonders die Diskrepanz zwischen geschriebenem Standarddeutsch und gesprochenem, regionalen Idiom verwirrt immer noch. Selten aber waren die Konsequenzen, die sich aus kollektiven Missverständnissen herleiten, derart drastisch wie jüngst im Zusammenhang mit der so genannten Pegida in Dresden und Umland („Sachsen“). Welche Aufregung, welche Unruhe stiftete ein Begriff, der allein aufgrund eines westdeutsch-zentristischen Blickwinkels vollkommen fehlinterpretiert wurde!

Die lokalen Eigentümlichkeiten als unerheblich abtuend, las man das Wort als Kürzel, hinter dem sich eine diffus fremdenängstliche Gesinnung verberge. Woraus rasch abgeleitet wurde, dass es sich bei den zugehörigen Zusammenkünften um ein neues Phänomen handle, aus dem eine deutschlandweite Bedrohung erwachsen könne.Welch ein Irrtum! Oder wie sonst ließe sich erklären, dass ich schon in den 1990er Jahren an entsprechenden Gegenveranstaltungen teilgenommen hatte? Pegida ist nicht neu, sondern altvertraut. Es ist nur eben das eine, wie es geschrieben, das andere, wie es auszusprechen ist. Entsprechend dem gutturalen, schnarrenden Dresdner Dialekt mag man es zwar Pegida schreiben, doch hört es sich mehr wie „Dünamoh“ an, weswegen es nach alter Rechtschreibung auch „Dynamo“ geschrieben wurde. Folgerichtig nannten sich rechtsradikale Kundgebungen „Heimspiele“, die der linken Gegendemonstranten „Gästekurve“. Die Parolen, die die Dresdner Hooligans („Volk“) skandierten, handelten bereits damals erschöpfend ab, was einem breiteren Publikum („Westen“) erst durch den diesjährigen Umzug ins Freie auffiel. Und nicht nur das: ich erinnere mich lebhaft an das laute Interesse, dass Dresdner Hooligans an unserer sexuellen Orientierung zeigten („ihr seid schwul!“). Unbefangen riefen wir „wir sind schwul“ zurück; allerdings muss ich gestehen, die mit schaumigen Lippen gebrüllte Antwort verstanden wir nicht.

Wie auch bei jener seltsamen Begebenheit, als anlässlich einer antifaschistischen Kundgebung in Hamburg („Rückspiel“) ein VW-Bus voll Dresdner Hooligans am Wegesrand stoppte, wo ich mich gerade mit Gleichgesinnten zusammenrottete. Ein Fenster wurde runtergekurbelt, ein Glatzkopf herausgesteckt und etwas geschrien, was ungefähr klang wie „öhscheißdrönüihraberechtnewa“. Wir verstummten zunächst, sahen einander fragend an, hoben allesamt kopfschüttelnd die Schultern und brachen schließlich in schallendes Gelächter aus. Das Volk aber zog hochroten Glatzkopfes von dannen.

Matthias Seiffert

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