Daran, dass die ökologische Frage irgendwie drängt, erinnern uns frühlingshafte Temperaturen zur Weihnachtszeit. Doch das schlechte Gewissen und die temporäre Besorgnis sind bei einer leckeren veganen und garantiert ökologisch produzierten Entenbrust als Festtagsschmaus schnell wieder vergessen. Schließlich leistet der umweltbewusste Großstadtmensch ja schon seinen Beitrag zum besseren Weltklima, indem er zumindest hin und wieder nachhaltig, biologisch und regional konsumiert.
Auch wenn wir die Polemik beiseite lassen, lässt sich konstatieren: Die Umweltbewegung im deutschsprachigen Raum befasst sich neben Partei- und Lobbyarbeit überwiegend mit Konsumfragen. Damit schiebt sie die Verantwortung – ganz in neoliberaler Manier – dem oder der Einzelnen in die Schuhe. Mit erhobenem moralischen Zeigefinger werden wir inzwischen sogar im Discounter daran erinnert, „bewusst“ zu konsumieren. Statt die ökonomischen Ursachen für Monokultur, Ressourcen-Raubbau und Umweltzerstörung zu benennen, treibt diese Praxis die Menschen weiter in die Vereinzelung und Machtlosigkeit. Denn eine politische Wirkung durch die Änderung des Konsumverhaltens ließe sich nur dann erzielen, wenn sie gewerkschaftlich organisiert wäre. Dies war zuletzt in großem Maßstab bei den Boykotts südafrikanischer Waren in den 90ern der Fall, die dazu beitrugen, das Apartheidsregime zu stürzen.Allzu oft dient der Konsum von Produkten aus dem Bioladen Teilen der privilegierten Mittelschicht – oder jenen, die gerne dazu gehören würden – schlicht als soziales Abgrenzungsmerkmal. Wer ALG II empfängt oder in prekären Beschäftigungsfeldern tätig ist, ist aber finanziell gar nicht in der Lage, im Bioladen einzukaufen oder zum Ökostrom-Anbieter zu wechseln. Auch der Arbeitskampf der FAU Berlin beim Biohof Teltower Rübchen oder die aktuelle Auseinandersetzung in der Neuköllner Pizzeria Sfizy Veg, die auf ihrer Homepage mit „politischem Engagement, Tierrechten und einem ökologischen Bewusstsein“ für sich wirbt, sprechen Bände. Denn das politische Bewusstsein der Bosse hört meist dann auf, wenn es um die Rechte der Lohnabhängigen geht. Die Profite in der „ökologischen Nische“ werden ebenso wie in anderen Branchen auf dem Rücken der Beschäftigten durch massive Ausbeutung erwirtschaftet.Ökologisch zu konsumieren ist deshalb nicht „falscher“ als nicht ökologisch zu konsumieren. Aber zu glauben, dass sich durch Konsum die kapitalistische Produktionsweise verändern ließe, ist schlichtweg naiv. Denn auch ein Kapitalismus mit grünem Anstrich basiert auf Wachstum und Profitmaximierung und wird deshalb nach wie vor menschlich und ökologisch über Leichen gehen. Dieser Entwicklung lässt sich nur etwas entgegen setzen, wenn Menschen sich dort organisieren, wo sie die Macht über die Produktionsmittel und -verhältnisse haben: an ihrem Arbeitsplatz.Die syndikalistische Organisationsweise bietet effektive Methoden und Strategien, auch ökologische Forderungen durchzusetzen. Durch die kollektive und basisdemokratische Organisierung am Arbeitsplatz lassen sich nicht nur Lohn- oder Mitbestimmungsrechte einfordern, sondern auch umweltschützende Maßnahmen erzwingen. Sei es die Verwendung ökologischer Rohstoffe oder die Verminderung umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemikalien bei Herstellungsprozessen. Letztendlich stärken die gemeinsam errungenen Siege das Bewusstsein dafür, dass sich kollektiv spürbare Veränderungen erzielen lassen – so kleinschrittig dieser Prozess auch ist.Momentan sieht die Realität in der BRD aber anders aus. Klimaproteste werden meist von der radikalen Klimabewegung initiiert. Diese führt in erster Linie symbolische Aktionen durch. Auch das ist nicht falsch – aber es fehlt ihr an betrieblicher und gewerkschaftlicher Anbindung und meist auch an Klassenbewusstsein. Die mangelnde Verankerung ökologischer Forderungen in den DGB-Gewerkschaften tut ihr übriges, um die „machtvolle Synthese“ von ökologischer und gewerkschaftlicher Praxis zu verhindern. So verteidigt etwa die IG BCE die für Mensch, Umwelt und Klima extrem schädlichen Braunkohletagebaue im Rheinland und in der Lausitz, indem sie sich mit kurzfristiger Standortlogik bei RWE und Vattenfall anbiedert.Wer nach Beispielen für eine gelungene „grüne“ Gewerkschaftsarbeit sucht, muss daher auf andere Kontinente schauen. Etwa ins Australien der 70er und 80er Jahre, wo es GewerkschafterInnen gemeinsam mit AnwohnerInnen gelang, Naturschutzgebiete vor der Bebauung zu bewahren oder die Atomindustrie durch Streiks lahmzulegen (siehe Dan Jakopovich in DA #191). Das eindrucksvollste Beispiel radikaler grüner Gewerkschaftsarbeit aber bleibt das von Judi Bari 1989 initiierte Bündnis zwischen Holzarbeitern und radikalen UmweltschützerInnen in Nordkalifornien. Der IWW- und EarthFirst!-Organizerin gelang es, beide Gruppen in einer Sektion der Wobblies zu organisieren, die für eine nachhaltige und sozial gerechtere Holzwirtschaft eintrat. Baris Gedanken zu diesem Kampf sind dabei nach wie vor elementar: „Eine revolutionäre ökologische Bewegung muss sich auch unter armen und arbeitenden Menschen organisieren. Denn es sind die arbeitenden Menschen, die ihre Hand an der Maschinerie haben. Und nur durch den Stopp der Zerstörungsmaschinerie können wir jemals hoffen, diesen Wahnsinn zu beenden.“ Wir sollten den Klimaschutz jedenfalls nicht den Passivhaus-EigentümerInnen überlassen.
Silke Bremer