Auf verlorenem Posten

Warnstreik Hannover

Eigentlich
mag es niemanden mehr verwundern: Die DGB-Führungsspitzen lernen
nichts aus Niederlagen. Verlorene Kämpfe pflastern ihren Weg und
doch wird jeder Ausstand nach dem gleichen Schema aufgezogen.
Jüngstes Beispiel: Die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst
der Länder

Weder
Masse noch Kraft

Wie
schon in der letzten Tarifrunde hatten es die Gewerkschaftsspitzen
auch dieses Mal versäumt, ihre Mitglieder im Vorfeld auf die
nahenden Auseinandersetzungen vorzubereiten. Information,
Mobilisierung, Belegschaftsversammlungen? – Fehlanzeige! Bis Ende
Januar rührte sich nichts. Der Entgelttarifvertrag im „Tarifvertrag
für den öffentlichen Dienst der Länder“ (TV-L) war Ende Dezember
2008 sang- und klanglos ausgelaufen. Zwar nahm eine Tarifkommission
die Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband, der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder (TdL), auf, doch wer hatte eigentlich die
Forderungen der Beschäftigten formuliert? Innergewerkschaftliche
Demokratie? – Ebenfalls Fehlanzeige! Und so sind die Belegschaften
ganzer Betriebe überrascht, dass sie plötzlich mitten in einem
Konflikt stehen, von dem sie bisher nichts wussten. Es ist leider
kein Scherz: Viele haben es erst aus der Tagespresse erfahren.

Das
Szenario durchbrechen

Dabei
pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass es um die Kampfkraft
der Landesbeschäftigten nicht sonderlich gut bestellt ist. Der
Organisationsgrad ist gering, die Zahl der Aktiven und Streikbereiten
mau. Der Länderbereich hat keine empfindlichen Schlüsselbereiche
vorzuweisen wie etwa der Bund oder die Kommunen. Die KollegInnen, die
dort unter den „Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst“
(TVÖD) fallen, haben ihren Abschluss bereits seit knapp einem Jahr
in Sack und Tüten. Gerade deshalb hätte die Mobilisierung in den
Landesbetrieben schon vor Monaten einsetzen müssen. Die
TdL-Verhandlungsführer sitzen das Problem derweil aus; der
Streikdrohung von ver.di, dbb-­tarif-union, GEW und Co. sehen sie
gelassen entgegen: Beamten wird das Streikrecht bisher abgesprochen.
Bleiben die Angestellten, die die Kohlen aus dem Feuer holen müssen.
Die kampfstärksten Bereiche, wie etwa die ehemaligen
Landeskrankenhäuser in Niedersachsen, sind jedoch größtenteils
verkauft und scheiden somit ebenfalls aus. Von der Nadelstichtaktik
in Form der nunmehr anlaufenden Warnstreiks lassen sich die
Arbeitgeber nur wenig beeindrucken. Ein unbefristeter Streik unter
Einbeziehung aller Landesbetriebe, mit Unterstützung der Beamten,
wäre das Gebot der Stunde. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich
zuletzt: Immerhin wäre es möglich, dass vielen Beamten der Ärger
derart auf Magen und Darm schlägt, dass sie krankheitsbedingt
ausfallen. Schulen und Polizei stünden dann plötzlich doch vor
gravierenden Problemen. Die nächste Grippewelle könnte ebenfalls
noch für so manche Überraschung sorgen. Aber wer will sich schon
auf Zufälle und Wunder verlassen?

Mittendrin

Die
FAU Hannover in jedem Fall nicht. Wie schon im letzten Arbeitskampf
sind ihre Mitglieder in den Landesbetrieben wieder mit von der
Partie. Große Unterstützung erfahren sie dabei von den kleinen
Gewerkschaften ihrer Lokalföderation. Entgegen der Forderung der
verhandlungsführenden Gewerkschaften nach 8 Prozent mehr Lohn, hat
sich die FAU Hannover jedoch nur der nach 200 Euro mehr Festgeld
angeschlossen, da Prozentforderungen gerade die KollegInnen in den
Niedriglohngruppen benachteiligen. Außerdem soll die Laufzeit des
Tarifvertrags auf ein Jahr befristet werden, damit die
Landesbeschäftigten im nächsten Jahr wieder zusammen mit den
KollegInnen von Bund und Kommunen für gemeinsame Forderungen
eintreten können. Deren TVÖD läuft zum Ende diesen Jahres aus.
Eine Neuauflage erlebte das „Streik-Info“ der FAU Hannover von
2006, das sich an Unorganisierte und Mitglieder kleiner, nicht
verhandlungsführender Gewerkschaften richtet. Beantwortet werden
darin die am häufigsten gestellten Fragen zum Verhalten im
Arbeitskampf. Da die etablierten Gewerkschaften ihre Basis darüber
gerne im Dunkeln tappen lassen, stießen sie bei
Belegschaftsversammlungen und während des ersten Warnstreiks am 3.
Februar auch wieder auf das rege Interesse ihrer Mitglieder.

Nandor
Pouget (GGB-Hannover)

Kurz
vor Drucklegung stimmte Verdi mittlerweile einem Tarifkompromiss zu:
eine eindeutige Minusrunde. Mehr zum stinkenden Tarifergebnis gibt es
auf www.fau.org.

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