Sie Heucheln und Meucheln

In
der Gruppe „Control Arms Leipzig“ haben sich AktivistInnen
zusammengefunden, die den Flughafen Halle/Leipzig und dessen
Flugverkehr beobachten. Mit den bisher gesammelten Informationen
wollen sie auf den schleichenden Ausbau des Flughafens zu einem
Militärdrehkreuz für weltweite Einsätze der NATO, der EU und
Deutschland, aufmerksam machen.

Flughafen Halle-Leipzig

Die
Stadt Leipzig ist mit knapp 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern
eine für das Bundesland Sachsen bedeutende Stadt. Nicht umsonst
wurde hier Milliarden in den Flughafenausbau und die großzügige
Infrastruktur investiert. „Ein Flughafen hat zwei Funktionen: als
Drehkreuz und als Tor zur Welt. Die erste Funktion haben wir mit der
Ansiedlung von DHL erfüllt“, so wird es immer wieder von Bundes-,
Landes- und Kommunalpolitikern propagiert.

Doch
um als „Tor zur Welt“ zu fungieren, reicht die Wirtschaftskraft
der Region nicht aus: Das Problem sind die geringen Verdienste der
Bevölkerung in der Region, da reicht es bei manchen noch nicht
einmal für einen Jahresurlaub. Deshalb haben einige Airlines ihre
Angebote von Halle/Leipzig aus bereits eingeschränkt oder ganz
eingestellt. Beim Passagierverkehr schreibt der Flughafen rote
Zahlen. Auch im Frachtverkehr sind laut der DHL Hub Leipzig GmbH
sinkende Frachtaufkommen zu verzeichnen, weshalb das Unternehmen kurz
vor Weihnachten bereits 600 MitarbeiterInnen entlassen hat und die
1.000 Verbliebenen dazu bewegen will, freiwillig ihre Arbeitszeit von
40 auf 30 Wochenstunden zu reduzieren. Dennoch kündigte das
Unternehmen an, bis 2012 die Beschäftigtenzahl um 3.500 zu erhöhen.

Wie
passt das zusammen?

„Wir
erleben ein Politik- und ein Geschäftsgebaren, das anhand falsch
angegebener Sozialkomponenten suggeriert, einen zivilen
Interkontinentalflughafen in Mitteldeutschland erfolgreich betreiben
zu können. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass dies lediglich dem
Aufbau eines Militärdrehkreuzes für weltweite Einsätze der NATO,
der EU und Deutschlands dient,“ so die AktivistInnen der Gruppe
„Control Arms Leipzig“.

Dem
Sinn eines Militär-Nachtfluggebotes folgend, wandelt die
Geschäftsführung am Flughafen die zivile in eine militärische
Nutzung um. Bis vor wenigen Monaten leugneten sowohl die Bundes- als
auch die Landesregierung grundsätzlich jegliche militärische
Nutzung des Flughafens. Doch bereits seit 2002 transportiert DHL die
Luftpost und in „dringendem Sofortbedarf“ Medikamente und
Ersatzteile für die Bundeswehr. 2007 wurde bekannt, dass die
Bundeswehr große Teile ihrer Logistik privatisieren will. Dabei gilt
DHL Leipzig als großer Favorit. Doch vorerst bleibt dieses
verlockende Geschäft für DHL nicht machbar. Hat doch der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Anfang November das
Bundesministerium der Verteidigung aufgefordert, erst einmal ein
flächendeckendes Modell zu schaffen, um eine Privatisierung der
Logistik der Bundeswehr zu ermöglichen.

Zugleich
wurden die für die Privatisierung vorgesehenen Haushaltsmittel für
2009 gesperrt. Bis zum 31. Juli 2009 wird vom Bundesministerium der
Verteidigung ein Bericht über das Konzept eines solchen
flächendeckenden „Optimierten Eigenmodells“ sowie über die bis
dahin ergriffenen Maßnahmen zu dessen Einführung erwartet.

Ein
ganz anderes Geschäft

Bereits
auf dem NATO-Gipfel 1999 in Washington wurde das neue strategische
Konzept der NATO beschlossen. Seitdem besteht die Aufgabe des
Bündnisses nicht mehr nur in der territorialen Verteidigung, sondern
darin, gegen potentielle Gefahren auch außerhalb des NATO-Gebietes
vorzugehen. Eine Steuerungsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass eine der
größten „Fähigkeitslücken“ der NATO im strategischen
Lufttransport bestünde. 2004 unterzeichneten daraufhin 16 EU- und
NATO-Staaten ein „Memorandum of Understanding“ mit dem Kurztitel
SALIS. SALIS ist die Abkürzung für „Strategic Airlift Interim
Solution“, was so viel bedeutet wie: Zwischenlösung für den
strategischen Lufttransport.
In dem Vertrag verpflichtet sich die
Ruslan Salis GmbH mit Sitz in Leipzig, zwei Maschinen vom Typ Antonow
124-100 ständig auf dem Flughafen Halle/Leipzig bereitzuhalten und
zu warten. Die Großraumtransporter sollen innerhalb von 72 Stunden
an jedem Flughafen der Welt einsatzbereit sein und jährlich
mindestens 4.800 Flugstunden leisten können. Je zwei Flugzeuge
gleichen Typs halten die an SALIS beteiligten Fluggesellschaften
Volga-Dnepr Airlines (Russland) und Antonov Airlines (Ukraine) in
Uljanowsk und Kiew bereit. Im Gegenzug haben die beteiligten Staaten
der SALIS eine „Mindestnutzung“ zugesichert, im Falle
Deutschlands beträgt diese 750 Flugstunden im Jahr. Eine Flugstunde
wird mit 24.000 bis 44.000 US-$ berechnet. Das Gesamtvolumen des
Vertrages, der zunächst zwei Jahre galt, betrug etwa 650 Mio. Euro.
Im Januar 2009 wurde dieser Vertrag um weitere zwei Jahre verlängert.
Die Bundesregierung erwägt, die SALIS- Kooperation dauerhaft
aufrecht zu erhalten.

Es
ist schwierig, Informationen über Nutzung und Fracht zu erhalten.
Nach eigenem Bekunden kann die Bundesregierung lediglich Angaben über
die deutsche Nutzung machen. Demnach hat Deutschland die vertraglich
zugesicherten und bezahlten 750 Flugstunden für das Jahr 2006 voll
ausgeschöpft.
Seit Juli 2006 benutzt das Pentagon zudem den
Flughafen Halle/Leipzig, um US-Soldaten in die Kampfeinsätze im Irak
und in Afghanistan zu schicken bzw. aus diesen zurückzuverlegen.

Hierzu
greift die US-Army auf Fluggesellschaften wie World Airways, North
American Airlines und Ryan International Airlines zurück. Diese
werden zwar privatwirtschaftlich betrieben, arbeiten aber fast
ausschließlich im Auftrag des Pentagon. Jeder vierte Passagier in
der offiziellen Passagierstatistik ist mittlerweile ein US-Soldat.
Insgesamt wurden etwa 450.000 GIs im vergangenem Jahr über
Halle/Leipzig in den Einsatz und zurück geflogen.

Deutschland
hält sich zwar offiziell aus dem Irak-Krieg heraus, aber dass der
Freistaat Sachsen mit den Zwischenlandungen von US-Soldaten am
Flughafen Leipzig/Halle 5,5 Mio. Euro verdient haben soll, lässt
starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit unserer PolitikerInnen
aufkommen. Wo Profit winkt, werden auch bei öffentlich rechtlichen
Gesellschaften und bei der Landespolitik, die Menschenrechte in den
Hintergrund geschoben.

Die
Investitionen auf dem Flughafen wurden und werden vom politischen
Willen der BürgerInnen getragen und durch unser aller
Steueraufkommen finanziert. Die Menschen haben das Recht, mehr über
die Flugbewegungen der GIs sowie über die Waffentransporte bei DHL
und der Ruslan Salis GmbH zu erfahren.

„Wir Bürger
haben auch das Recht und die Pflicht, der Entwicklung des Flughafens
zu einem Interventionsflughafen friedlich, aber auch entschieden
entgegen zu treten. Jeder Einzelne ist herausgefordert, an seinem
Ort, mit seinen Möglichkeiten sich friedfertig einzubringen und sich
couragiert einzumischen!“ Aus diesem Grund wird „Control Arms
Leipzig“ weiter Daten sammeln und die Öffentlichkeit informieren.

Control
Arms Leipzig

 

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