In der Gangway abgefertigt?

Die Belegschaft protestiert am 23. August 2010 vor der Konzernzentrale (Foto: Torsten Bewenitz)

Zwanzig Prozent weniger soll die
Endreinigung der Flugzeuge von Air Berlin auf dem Düsseldorfer
Flughafen kosten, wenn es nach dem Billiganbieter geht. Die bisher
hier tätige Firma Klüh Service Management GmbH beteiligt sich
deswegen nicht mehr an der nächsten Ausschreibung. Ins Rennen geht
stattdessen die Kölner Reinigungsfirma Wieprecht GmbH & Co. KG.
Ein marktwirtschaftlich gesehen recht normaler Vorgang, sollte man
meinen. Die Gründe für diese Vertragsabwicklung sind aber an
anderer Stelle zu suchen.

8. März 2010: Die Mitarbeiterinnen –
drei Viertel der 160-köpfigen Belegschaft – der Firma Klüh am
Standort Flughafen Düsseldorf beteiligen sich an Aktionen zum
Weltfrauentag. Auch das wäre nichts besonderes, wären sie nicht
bezahlt freigestellt. In Deutschland ist das nahezu unglaublich, erst
recht im traditionell prekären Reinigungssektor. Generell ist auch
die Firma Klüh, mit weltweit 40.000 MitarbeiterInnen, für ihre
miserablen Arbeitsbedingungen bekannt. Im Herbst 2009 hatte das
Daimler-Werk Untertürkheim den Vertrag mit Klüh gekündigt, nachdem
der Betriebsrat gemeinsam mit den Reinigungskräften die
Arbeitsbedingungen offengelegt hatte: Unbezahlte Mehrarbeit,
rassistische und sexistische Beschimpfungen waren an der
Tagesordnung.

Verhältnismäßig gut waren dagegen
die Arbeitsbedingungen der Belegschaft am Düsseldorfer Flughafen.
Anders als in der Branche üblich, gibt es hier keine
Arbeitszeitkonten, die Verteilung von Wochenendschichten ist klar
geregelt, die Zahl der LeiharbeiterInnen wurde 2008 durch eine
Betriebsvereinbarung auf maximal 50 begrenzt und Klüh damit
gezwungen, diese im Zweifelsfall zu übernehmen. LeiharbeiterInnen
waren feste Stundenzahlen garantiert.

Diese für den Reinigungssektor
erstaunlichen Bedingungen hat sich die Belegschaft hart erkämpft.
Zuletzt zeigte sie ihre kämpferische Einstellung in der Solidarität
mit dem halbjährigen Streik bei dem Flughafen-Caterer Gate Gourmet
in Düsseldorf und in den letztjährigen Tarifauseinandersetzungen im
Reinigungssektor unter der DGB-Gewerkschaft IG BAU. Diese
Entschlossenheit erklärt die Freistellung der Kolleginnen am 8. März
– sie wirft aber auch ein anderes Licht auf die Nichtbeteiligung
Klühs bei der Neuausschreibung der Flugzeugreinigung bei Air Berlin.

Gewerkschaftsfeindliche Konzerne und
untätige Gewerkschaften

Wie Klüh, so ist auch Air Berlin als
besonders gewerkschaftsfeindlich bekannt. 2007 gelang hier zum ersten
Mal eine tarifliche Einigung – einen Betriebsrat gibt bis heute
nicht. Die beiden Firmen eint also das Interesse, die kämpferische
Belegschaft loszuwerden. Darauf, dass es hier nicht nur um eine
branchenübliche Neuausschreibung geht, weist auch der Einsatz des
berüchtigten Düsseldorfer Kündigungsanwalts Helmut Naujoks hin.
Wer Naujoks beauftragt, hat mehr im Sinn: „Es geht Klüh vor allem
darum, diesen Betriebsrat loszuwerden und den Kern dieser
kämpferischen Belegschaft rausschmeißen zu können. Denn auch hier
sollen wieder die in der Branche ‚üblichen’ Bedingungen gelten“,
heißt es in einem Hintergrundbericht auf labournet.de.

Doch auch dieses Mal hält die
Belegschaft nicht still. Mit Mahnwachen, Flugblattaktionen und dem
Aufruf zu Protestschreiben an die Firmenleitung und Naujoks bringt
sie sich ins Spiel – bisher nahezu unbeachtet von der
Öffentlichkeit. Momentan steht zur Debatte, ob die Kölner Firma
Wieprecht die Belegschaft – zu den „branchenüblichen“
Bedingungen – übernimmt oder ob es einen Sozialplan geben wird.
Beeindruckend ist auch in diesem Fall die Geschlossenheit der
Belegschaft. Ein Vertreter des Betriebsrats erläuterte auf einer
Info-Veranstaltung am 19. August im Düsseldorfer „Zakk“, dass
ältere KollegInnen, die bereits seit ca. 35 Jahren putzen, Interesse
an einem Sozialplan hätten, während jüngere KollegInnen einen
neuen Arbeitsplatz benötigen. Anders als üblich, möchte der
Betriebsrat hier nicht im Interesse der Mehrheit, sondern im
Interesse aller handeln – also einen Kompromiss erzielen, der beide
Aspekte berücksichtigt.

Welche der Optionen mehr Zustimmung
findet, wurde zum 22. August in einer Betriebsabstimmung entschieden,
am 23. August veranstaltete die Belegschaft mit solidarischen
GewerkschafterInnen eine Kundgebung vor der Konzernzentrale. Das
Ergebnis der Abstimmung war zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht
bekannt.

Der nächste mögliche Schritt wäre
ein Streik für einen Sozialtarifvertrag, wie er seit 2007 möglich
ist. Dazu wäre aber die Unterstützung der IG BAU nötig, die
sich bedeckt hält. Die IG BAU hat die schlechten Bedingungen in
der Branche soweit geschluckt, dass sie schon die bisherigen
Verhandlungsergebnisse als zufriedenstellend betrachtet. Streiks für
Sozialtarife in Übergangssituationen wie diesen fürchten die
DGB-Gewerkschaften wie der Teufel das Weihwasser. Da es hier um’s
Ganze geht, ist die langfristige Streikwilligkeit der Belegschaften –
gerade einer kämpferischen wie bei Klüh Düsseldorf –
vorprogrammiert und für die Gewerkschaften kostenintensiv. Wie
bereits die IG Metall im Streik bei den
Bosch-Siemens-Haushaltsgerätewerken (BSH) in Berlin 2006 deutlich
machte, muss sich die Belegschaft in solchen Fällen gegen die eigene
Gewerkschaft durchsetzen.

Teodor Webin

Weitere Infos: www.labournet.de/branchen/dienstleistung/rg/
(dort auch: Anschriften für Protest-
und Soli-Schreiben)

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