Ein Häppchen Streikrecht

Während in Deutschland
Unternehmer und DGB das Streikrecht einschränken wollen, bahnt sich
in China eine Öffnung an. 30 Jahre nachdem sich mit Solidarność
die erste unabhängige Gewerkschaft in der „kommunistischen“ Welt
etablieren konnte, sollen die chinesischen ArbeiterInnen mehr
Mitbestimmung erhalten und Streiks bedingt legalisiert werden.

Offiziell sind in China
nur Organisationen zugelassen, die sich der Kommunistischen Partei
unterordnen. Im Gewerkschaftsbereich folgt daraus ein Monopol der
staatlichen Einheitsgewerkschaft, des Allchinesischen
Gewerkschaftsbundes (ACGB). Unabhängige Gewerkschaften, meist
Betriebsgewerkschaften, werden dagegen kriminalisiert. Der ACGB ist
stolz darauf, mit seinen 209 Mio. Mitgliedern die „größte
Gewerkschaft“ der Welt zu sein, und hält sich freilich auch für
die „stärkste“. Dass er eine echte Interessenvertretung der
ArbeiterInnen sei, will ihm jedoch niemand so recht glauben. Denn als
„Transmissionsriemen“ der Partei kommt ihm die Aufgabe zu,
Regierungsvorgaben in den Betrieben umzusetzen. Er ist daher aufs
Engste mit den Unternehmensleitungen verwoben. So verpflichtet z.B.
ein Gesetz die meisten Unternehmen, eine Gewerkschaftssektion in
ihren Betrieben zu bilden. Oft werden deren Funktionäre maßgeblich
durch die Unternehmen bestimmt. Ein Streikrecht ist nicht vorgesehen.

In den letzten zehn
Jahren wurden vermehrt Stimmen laut, die Rolle der Gewerkschaften
müsse neu definiert werden. Spätestens seit 2008 debattiert man
auch im ACGB über eine konfliktorientiertere Ausrichtung der
Gewerkschaft. 2009 trat der ACGB dann mit einer Mitteilung an die
Öffentlichkeit: In den zur Privatisierung anstehenden
Staatsbetrieben müsse mehr gewerkschaftliche Unabhängigkeit
geschaffen werden – durch eine partielle Trennung von Partei und
Gewerkschaft.

Jetzt, nach massiven
wilden Streiks bei Honda, wo die Regierung erstmals zulassen musste,
dass die Belegschaft z.T. ihre Vertreter wählt, und v.a. nach der
Selbstmordwelle unter Foxconn-ArbeiterInnen, die international
Aufsehen erregte, soll sich etwas ändern. Die Regierung erarbeitet
nun ein Gesetz, das Tarifverhandlungen und Streiks erlaubt –
allerdings nur unter Führung der Einheitsgewerkschaft und zunächst
nur in der Testprovinz Guangdong. Sollte dort mehr als ein Fünftel
einer Belegschaft höhere Löhne fordern, dürften gewählte
Arbeitervertreter mit dem Management verhandeln. Bei einer Ablehnung
durch den Arbeitgeber, hätten sie dann das Recht, zu streiken.

Der bekannte
Arbeiterrechtler Liu Kaiming hält die Gesetzesinitiative für eine
Farce. Das korrupte System aus Seilschaften von
Gewerkschaftsvertretern und Managern ließe sich so nicht beseitigen.
Dies ginge nur durch wirklich unabhängige Gewerkschaften. DGB-Chef
Sommer hingegen sieht die chinesischen Gewerkschaften auf einem guten
Weg. Die Maßgabe des sich als „patriotisch“ verstehenden ACGB,
sich weiterhin dem sozialen Frieden verpflichtet zu fühlen, dürfte
ihm ja nicht fremd sein. Mit den beabsichtigten Änderungen im
Streikrecht scheinen sich beide Länder gerade anzugleichen.

Leon Bauer

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