Kolumne Durruti

Eine Kolumne von Matthias SeiffertWenn ich reichen Leuten
begegnete, so erhielt ich meist ungefragt den wenig freundlich
gemeinten Ratschlag: „Wollen sie wissen, wie ich reich geworden
bin? Jedenfalls nicht vom Ausgeben!“ Geholfen hat mir das wenig.
Auch bei aller disziplinierten Bescheidenheit bleibe ich vom Reichtum
maximal weit entfernt, und das Geld im Portemonnaie reicht häufig
nur bis zum Anbrechen der letzten Monatswoche. Dann wird’s duster,
und Schmalhans ist nicht nur in der Küche Meister. Erfahrungen, die
nachdenklich stimmen.

Vielleicht ist es gar
nicht richtig, gegen Monatsende auf Kartoffeln pur umzusteigen und
die vollen Aschenbecher nach aufdröselbaren Kippen durchzuseihen.
Musste nicht selbst der geizigste Pfeffersack erstmal investiert
haben, um seine Gewinnmarge abzuschöpfen? Bremsen allzu große
Ersparnisse nicht die Konjunktur aus, weil das Geld fließen muss?
Und soll dadurch nicht irgendwann auf mysteriöse Weise etwas
Wohlstand von oben nach unten durchrieseln?

Klamme Haushaltslagen sind auch anderen
vertraut. Selbst auf den großen politischen Bühnen dieser Welt wird
hitzig diskutiert, was sinnvoller sei, Sparen oder Ausgeben, um den
Laden wieder in Schwung zu bringen. In Hamburg probiert man beides:
erst mit vollen Händen ausgeben, jetzt sparen. Die Bundesregierung
versucht es mit Fremdsparen: erst die Einnahmen reduzieren, damit man
dann weniger zum Ausgeben hat und dennoch nichts ansparen kann.
Beides erscheint mir wenig logisch, doch wer bin ich schon?

Nur jemand, der am Monatsende zum
dünnsten Strohhalm greift und sich plötzlich als Wurstverkäufer
auf einer Massenveranstaltung wiederfindet, um das eigene Budget um
50,- Euro aufzustocken. Und der sich nach sechs Stunden
Krakauerwenden, besudelt mit Senf, Ketchup und Bratwurstfett, für
die Hamburger Methode entscheidet: erst ausgeben, dann mal sehen.

Das folgende ökonomische
Selbstexperiment sollte sich als kniffliger erweisen, als ich dachte.
Denn neben monetäre und fiskalische Aspekte traten noch
soziologische und psychologische, die ich in meinen ursprünglichen
Erwägungen für die Abendgestaltung so nicht vorausgeahnt hatte.

Investieren statt knausern, dachte ich
mir und beging prompt Fehler Nummer 1: Ich traf mich mit Freunden zur
geselligen Runde in einer Gaststube. Die sich hieraus ergebende
soziale Eigendynamik bezüglich eines sich gegenseitig
hochschaukelnden, allgemeinem Gruppenzwang geschuldeten
Alkoholkonsums und horrender Zechen, die nicht alle anwesenden
Personen zu begleichen sich imstande sahen, mündete mit
unausweichlicher Folgerichtigkeit in Fehler Nummer 2, nämlich der
Nichtberücksichtigung des mir eigenen Betrunkenentypus.

Tatsächlich lassen sich Menschen in
bestimmte Typen unterteilen, je nachdem, zu welchem
charakteristischen Fehlverhalten sie ab einer gewissen Promillegrenze
neigen. Weithin bekannt sein dürften der überschwängliche, der
grantige und der weinerliche Typ; ich falle jedoch in eine
Sonderuntergruppe der Überschwänglichen, nämlich der Spendablen,
mit der verheerenden Tendenz, ab dem soundsovielten Bier jeden um
mich herum einladen zu wollen. Das macht beliebt, aber auch arm. Und
in der Summe wog die Geldbörse noch leichter als vor dem Experiment.

War ich also gescheitert?
Und mit mir das Hamburger Modell? Oder hatte ich nur den Geldfluss im
Sektor der Genussmittelindustrie dahingehend angekurbelt, dass mir –
gewissermaßen eine Entwicklungsperson – dereinst etwas vom
Reichtum der Knickrigen herabschneien wird, ganz nach der Theorie vom
trickle-down? Time will tell.

Matthias Seiffert

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