Kettenhunde des Jobcenters

„Dann wollen wir Ihnen diese Zustände
auch nicht länger zumuten…“, waren die Worte, mit denen das
Berliner FAU-Mitglied Oliver W. zum 22. Nov. von der ZIM gGmbH in
Berlin-Reinickendorf vor die Tür komplimentiert wurde. Der gelernte
Mediengestalter war im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
(ABM) zum Bau von Nisthilfen für Insekten beschäftigt. Hintergrund
der Kündigung war, dass er sich bereits während seiner Probezeit
über sicherheitsgefährdendes und für die professionelle
Holzverarbeitung ungeeignetes Werkzeug beschwert hatte. Überdies
hätte er den betrieblichen Frieden zusätzlich gestört, indem er
einen Kollegen wegen rassistischer Äußerungen zurechtwies.

Das macht sich aber schlecht in einem
Kündigungsschreiben, dachte sich wohl auch die ZIM: Gegenüber der
Presse und der FAU berief sie sich lediglich auf ihr Recht, in der
Probezeit ohne Angabe von Gründen kündigen zu können. Gegenüber
dem Jobcenter fügte sie hingegen Jähzorn und (bei anderen Kollegen
nicht geahndetes) geringfügiges Zuspätkommen als Gründe an. Als
Konsequenz muss Oliver W. wegen einer angeblich selbst verschuldeten
Kündigung nun eine 30-prozentige Kürzung seiner ALG-II-Bezüge
hinnehmen.

Die FAU Berlin ließ sich nicht lang
bitten und leitete umgehend Protestaktionen für die sofortige
Rücknahme der Kündigung ein. Interessanterweise wurden schon nach
kurzer Zeit Abmahnungen und eine Kündigung (ebenfalls in der
Probezeit) gegen Kollegen und Kolleginnen einer weiteren
ZIM-Einrichtung zurückgezogen. Die FAU Berlin sieht hierin die
Tatsache gegeben, dass die ZIM gezielt versucht, die Belegschaft zu
spalten, indem sie sich einerseits einen weiteren Brandherd vom Halse
schafft und andererseits gegen gewerkschaftlich Organisierte die
harte Hand zeigt.

Seit der Kündigung herrscht bei der
ZIM nun ein für die Jahreszeit ungewohnt heißes Klima. Unterstützt
von der Internationalen (IAA) und befreundeten Organisationen, lässt
die FAU mit vielfältigen Maßnahmen die ZIM spüren, was einem bei
Kündigung eines ihrer Mitglieder blüht und dass der Druck nicht
nachlassen wird. Ganz im Gegenteil: Die FAU Berlin hat ihre Mittel
noch längst nicht ausgeschöpft und ist bereit, noch mehr in die
Waagschale zu werfen, auch wenn – oder gerade weil – es sich um
eine ABM handelt.

Der BQG-Jobcenter-Komplex

Dem Unterholz von ABM und MAE
(Ein-Euro- Jobs) wird leider nur allzu oft von DGB-Gewerkschaften mit
einer achselzuckenden Betriebsblindheit begegnet. Gern wird über das
Gesamtproblem als solches schwadroniert, die Hände aber möchte sich
niemand schmutzig machen. Zudem sind ABM-Stellen mittlerweile fast zu
Exoten geworden. Gab es im Jahre 2000 bundesweit (v.a. im Osten) noch
ca. 200.000 ABM-Stellen, sind diese allein in den Jahren 2005 und
2006 auf lediglich 50.000 zurückgegangen. Im Vergleich dazu sind die
MAEStellen im selben Zeitraum von 200.000 auf über 300.000
gestiegen.

Doch auch wenn die ABM-Stellen bald
offiziell von der Regierung abgeschafft werden sollen, ist nicht
davon auszugehen, dass deren Träger nun die Taler zählen und das
Säkkel schnüren werden. Das Geschäft mit den Zuzahlungen des
Jobcenters wird durch die Einführung neuer Qualifizierungsmaßnahmen
interessant bleiben. Dass die Beschäftigungsund
Qualifizierungsgesellschaften (BQG) in den 1990ern bereits als
Branche mit Zukunft gewertet wurden, besagt einiges, und es ist davon
auszugehen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes krisenfest bleibt.

Angeblich „gemeinnützige“
Unternehmer profitieren massiv von den Diktaten, die Erwerblosen vor
allem durch die Hartz-Gesetze auferlegt wurden. Das Jobcenter zwingt
sie in solche Betriebe und bezahlt diese auch noch dafür, dass man
sie unter die Rute nimmt. Die ZIM hat z.B. nach eigenen Angaben einen
Jahresdurchschnitt von 110 ABM-Kräften zu bieten und bezeichnet dies
selbst als „Geschäftsfeld“ und „Markt“, auf dem sie
„leistungsstark“ agiere. Wie sinnvoll die dort verrichtete Arbeit
ist, zeigen die Erfahrungen von Oli W.: Als ABM-Kraft stellte er
relativ sinnlose „Produkte“ her und musste mit Werkzeugen
hantieren, die allenfalls für das Hobbyhandwerk, nicht aber für
eine berufliche Qualifizierung geeignet sind.

Die BQG geben vor, benachteiligte
Personengruppen beruflich und sozial „wiedereinzugliedern“. Auch
die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit, der Dachverband von über 400
BQG, behauptet, ihre Arbeit diene dazu, „dass jeder Mensch zur
selbstbestimmten Teilhabe an der Gesellschaft die Chance auf Arbeit
und Bildung erhält.“ In Wirklichkeit sind sie ein Instrument der
Gängelung von Erwerbslosen; in ihrer Eigenschaft als Ketten- und
Meldehunde des Amtes sind sie aktiv mitverantwortlich dafür, dass
Erwerbslose zunehmend mit Leistungssanktionen in ein prekäres Leben
getrieben werden. Diesen Zusammenhang gilt es öffentlich zu
thematisieren.

Kampf um Zwangsmaßnahme?

Sicherlich mag manch einem die Frage
auf der Zunge liegen, ob es angemessen ist, für die Fortsetzung
eines Arbeitsverhältnisses zu kämpfen, das auf Zwang und
Maßregelung beruht. Dazu sei gesagt, dass wir als SyndikalistInnen
Maximalforderungen vertreten und dennoch ganz bewusst rein
tagespolitische Kämpfe führen. Dabei geht es um ganz konkrete
Verbesserungen im Rahmen des Möglichen, durch die selbst eben jener
Rahmen wieder erweitert wird, indem wir unsere eigene Stärke
zunehmend maximieren.

Zudem ist es durchaus ein reeller
Unterschied für den Betroffenen, wenn er aus solch einer Stelle
gekündigt und in seinen Einkommensmöglichkeiten weiter beschnitten
wird. Besonders gilt dies, wenn dem weitere Sanktionen durch das
Jobcenter folgen und seine Existenzsicherung endgültig prekär wird.
Allein deswegen ist solch eine Kündigung nicht hinnehmbar. Erst wird
der Betroffene in die Maßnahme gepresst, dort gekündigt, weil er
sich nicht richtig fügt, und schließlich aufgrund der Denunziation
des ABM-Trägers vom Jobcenter bestraft. Der ABM-Träger ist somit
definitiver Erfüllungsgehilfe des Amtes. Im konkreten Fall der ZIM
darf das nicht ungestraft bleiben, während der Grund für die
Leistungskürzung obsolet gemacht werden muss.

Darüber hinaus geht es im
Syndikalismus auch immer um mehr als nur den konkreten Erfolg: eine
Würde ist zu verlieren und eine Perspektive zu gewinnen. Niemand
soll einem organisierten Gewerkschafter einfach so und ohne
Konsequenzen kündigen. Der ZIM und anderen ABM-Trägern soll das
eine Lehre sein, so dass ihr Regiment in Zukunft die Zügel lokkerer
halten muss. Erfolg und Misserfolg sind so immer relativ zu sehen.
Und unabhängig davon sollen solche Arbeitskämpfe auch stets
Inspiration für andere Entrechtete sein: Sie zeigen, was eine
kämpferische Gewerkschaft ausmacht, die sich solidarisch für jedes
einzelne Mitglied einsetzt.

Lars Röhm & Holger Marcks

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Helfen könnt ihr, indem ihr der ZIM
und zusammenhängenden Verbänden Protestschreiben schickt.

Die ZIM u.a. ist Mitglied bei der
Interessenvertretung Freier Träger, der Bundesarbeitsgemeinschaft
Arbeit und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. All diese Verbände
sind mit in der Verantwortung, wenn es um die Missstände bei der ZIM
geht. Protestmails und (vorzugsweise) -faxe schickt bitte mit
eindeutigem Inhalt an:

ZIM – info@zim-bqg.de – Fax:
030-54684321

Interessenvertretung Freier Träger
– kontakt@freie-traeger-mh.de – 030-56841189

BAG Arbeit (Gesamtverband)
info@bagarbeit.de – 030-28305820

BAG Arbeit (Berliner Verband)
info@bvaa-online.de – 030-616545340

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(Gesamtverband)
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Paritätischer Wohlfahrtsverband
(Berliner Verband)
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