Arbeitskampf statt Austern

Migration und Arbeit sind in den USA
seit Jahrhunderten ein brisantes Thema. In den letzten Jahrzehnten
hat sich die Lage aber wesentlich zugespitzt, besonders seit dem
“Krieg gegen den Terror” mit seinen rassistischen
Begleiterscheinungen. Allerdings ist es den Industrial Workers of the
World (IWW) ausgerechnet in dieser migrantenfeindlichen Atmosphäre
gelungen, mehrere Arbeiter mit Migrationshintergrund bei dem
Edel-Fischlieferanten Wild Edibles zu organisieren. Den Kontakt zu
den ArbeiterInnen hatte die Gewerkschaft während einer größeren
Organisierungskampagne hergestellt, als sie eine Flyeraktion vor dem
Lagerhaus von Wild Edibles durchführte. Ohne zu zögern, schlossen
sich vier der etwa 30 Beschäftigten den IWW an.

Die Firma Wild Edibles genoss bei
Luxusrestaurants in Manhattan seit Jahren einen unanfechtbaren Ruf
als zuverlässiger Lieferant von Qualitätsgütern. Weniger rosig sah
der Alltag der LagerarbeiterInnen der Firma aus, die für ihre
Knochenarbeit nur um die $8.00 pro Stunde verdienten. Dazu mussten
sie unbezahlte Überstunden leisten und all das in einer Stadt, deren
Lebenserhaltungskosten zu den höchsten Amerikas zählen.

Strategie für den Erfolg: Angriff
an allen Fronten!

Schon eine Woche nach dem Eintritt der
ArbeiterInnen hatte der Eigentümer Richard Martin die Forderungen
der neuen Betriebsgruppe erhalten und eine erste Kundgebung war
durchgeführt worden. Martins Zorn ließ auf sich nicht lange warten.
Innerhalb eines Monats hatte er die Hauptorganisatoren ausfindig
gemacht und fristlos entlassen. Von da an konnten
IWW-SympathisantInnen im Betrieb nicht mehr offen auftreten. Die
Gewerkschaft konnte aber auf Erfahrungen der vorigen zwei Jahre
zurückgreifen und hatte sich mit den sozialen Organisationen Make
the Road
und Brandworkers[1] vernetzt. Mit dieser
Unterstützung konnten die IWW eine Kampagne gegen Wild Edibles
starten.

Man beschloss, vor allem öffentlichen
Druck auf die Großkunden der Firma auszuüben, die den Hauptanteil
der Gewinne von Wild Edibles einbringen. Die IWW und ihre Verbündeten
eskalierten den Konflikt stufenweise. Auf schriftliche Warnungen
folgten Briefe an Kunden von Wild Edibles und Flugblattaktionen und
schließlich auch die Aufstellung von Posten vor den Restaurants.
Eines der Restaurants, Pastis, beugte sich sofort den Forderungen,
aber im Januar 2008 folgte ein noch größerer Coup. Die Union Square
Hospitality Group, die über zehn Restaurants und Cateringfirmen in
New York betreibt, brach auch ihre Beziehung zu Wild Edibles ab. Von
da an stellten immer mehr Kunden ihr Geschäft mit dem
Fischlieferanten ein.

Neben dem öffentlichen Druck wurde
auch eine Sammelklage gegen Wild Edibles-Chef Martin eingereicht.
Diese Entscheidung fiel vielen IWW-Mitgliedern nicht leicht, denn in
der Gewerkschaft besteht viel Skepsis gegenüber staatlichen Behörden
und Instanzen. Wie ein Aktivist in der Anarcho Syndicalist Review
sagt: Weder der Staat noch das Gesetz sind jemals
Freund der Arbeiter gewesen”.[2] Früher hatten die IWW rechtliche
Mittel nur eingesetzt, um unmittelbare Siege zu erzielen, z.B. die
Freilassung von inhaftierten Mitgliedern.

Währenddessen ging im Betrieb die
Organisierung weiter, trotz der Drohungen. Zwar gab Martin Anfang
2008 manchen Forderungen nach und erklärte sogar seine Bereitschaft
zu Verhandlungen, das Angebot wurde nach Einstellung des Boykotts
allerdings sofort wieder zurückgezogen, woraufhin die IWW den
Boykott auch wieder aufnahm.

Alle Jahre wieder dasselbe Programm

Richard Martin blieb während all
dessen aber nicht tatenlos. Trotz einstweiliger Verfügungen von
Gerichten, die weitere Vergeltungsentlassungen ausdrücklich
untersagten, beharrte er auf seiner Politik der verbrannten Erde und
feuerte jeden, der ihm zu aufmüpfig erschien. Die Organisation
Brandworkers deckte auch auf, dass kuriose
anti-gewerkschaftliche Proteste von Martin organisiert und finanziert
worden waren.

Dennoch hatte sich die Lage für die
Firma nach der Kündigung vieler Verträge und wachsenden Verlusten
stets verschlechtert. Wild Edibles hatte inzwischen sogar versucht,
das Geschäft unter falschem Namen weiter zu betreiben und ließ die
Logos auf den LKWs überkleben. Wir wurden darüber
informiert und haben selbst gesehen, wie das Firmenlogo mit
Aufklebern und Magneten einfach überklebt wurde, berichtet
Stephanie Basile, IWW-Organizerin aus New York. Diese Taktik war
allerdings eher ein Ohnmachtsbeweis, denn sie ist in der Branche
üblich, und die am Boykott teilnehmenden Kunden wurden schnell
informiert.

Die Zukunft der Union 460

Laut Basile ist das Ende des Kampfes
absehbar. Was dann passieren wird, ist dennoch ungewiss. „Bei
früheren Kämpfen in der Logistikbranche erlebten wir, dass viele
ehemalige Streikende Arbeit in anderen Geschäftszweigen suchen und
inaktiv werden, nachdem sie ihr Abkommen kriegen”, beklagt Basile.
Mit der Organisierungskampagne der letzten Jahre habe die IWW zwar
viel erreicht, dennoch bleibe die Union 460 der
LogistikarbeiterInnen eine übersichtliche Organisation. Viele
Hoffnungen hängen vom Schicksal der Wild Edibles-ArbeiterInnen ab,
weil ein Sieg hier die erste permanente Präsenz der IWW in der
Branche in New York ermöglichen könnte. „Fassen wir einmal Fuß
auf festem Boden, sind die Aussichten für Arbeiter in anderen
Betrieben in New York gleich rosiger.”

Liam (FAU Bremen)

Anmerkungen

[1] Dabei handelt es sich um
Organisationen zur Unterstützung von Arbeitskämpfen und
migrantischer ArbeiterInnen.

[2] Anarcho-Syndicalist
Review
, März 2008; auf www.iww.org

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