Eine machtvolle Synthese

Ökologie ist spätestens seit der
Debatte um den Klimawandel wieder ein Thema im Mainstream, in der
Linken ist sie das jahraus jahrein. Bei allem Raum, den dieses
Problem dabei einnimmt, ist im Allgemeinen die Diskussion über die
Methoden und Strategien ökologischer Wirksamkeit – gerade in
Deutschland – recht verengt: Lobby- und Parteienpolitik einerseits,
Moral- und individuelle Konsumfragen andererseits bestimmten häufig
noch das Bild ökologischer Betätigung. Und wo in Aktivistenkreisen
Formen der direkten Aktion ins Spiel gebracht wurden, wird deren
Anwendung meist losgelöst vom Bereich der Produktion gesehen.
Gesellschaftliche Bedürfnisse, Fragen also, welche die ArbeiterInnen
bzw. Menschen über reine Betriebsfragen hinaus betreffen, lassen
sich aber auch mit gewerkschaftlichen Mitteln angehen – und das
sogar effizienter. Am Beispiel der Ökologie lässt sich gut
veranschaulichen, warum die syndikalistische Artikulation von
Interessen durch den direkten ökonomischen Kampf eine Besonderheit
darstellt und sich ganz wesentlich von anderen Formen des Protestes
oder der Politik unterscheidet: methodisch, strategisch und
organisatorisch. Wir dokumentieren hier deshalb einen Artikel aus der
sog. Green-Unionism-Debatte, die trotz ihrer fortgeschrittenen Dauer
in Deutschland weitestgehend Neuland ist. (Die Redaktion)

Glossar:

ACTU: (dtsch.: „Australischer Gewerkschaftsrat“): 1927 gegründeter Dachverband australischer Gewerkschaften; ihm gehören heute 46 Gewerkschaften und 1,8 Mio. ArbeiterInnen an.

BLF: (dtsch.: „Föderation der Bauarbeiter“): existierte von 1911-72 und von 1976-86. Der BLF wurde immer wieder der Gewerkschaftsstatus aberkannt, zum einem für ihre unkonventionelle, gelegentlich radikale Gewerkschaftspraxis, aber auch wegen diverser Korruptionsfälle.

NGO: Non Governmental Organisation (dtsch.: „Nichtregierungsorganisation“); formell von staatlichen Stellen weder organisierte noch abhängige Organisation, die nicht auf Gewinn ausgerichtet ist. Im Bereich des Umweltschutzes stellt Greenpeace die bekannteste NGO dar.

IWW: 1905 gegründete revolutionär-syndikalistische Gewerkschaft in den USA (existiert formell international).

In den letzten Jahrzehnten hat sich
innerhalb der globalen antikapitalistischen Bewegung ansatzweise eine
neue Strömung entwickelt. Doch statt sich in Form einer
zusammenhängenden, selbstsicheren und ernst genommenen Bewegung zu
entfalten, existierte sie weitestgehend in Randbereichen
theoretischer und praktischer Auseinandersetzungen. Diese Strömung
stand stets im Schatten von dogmatischer Parteienpolitik, sogenannten
„Affinitätsgruppen“ und NGOs. Dennoch trat sie immer mal wieder
da als „Tagessensation“ in Erscheinung, wo günstige
sozio-ökonomische Bedingungen oder visionäre Initiativen ihr die
breite Aufmerksamkeit und Entschlossenheit verliehen, die eine
Bewegung benötigt, um zu gedeihen. Die Rede ist von den grünen
Tendenzen in der Gewerkschaftsbewegung.

Die größte Hoffnung für ein Erblühen
der Arbeiterbewegung liegt in der Wiederbelebung der dezentralen und
basisorientierten syndikalistischen Bewegung. In der Geschichte hat
sich immer wieder gezeigt, wie engstirnig, korrupt und tief autoritär
das gewerkschaftliche Beamtentum ist. Nur ein Ansatz von
gewerkschaftlicher Arbeit, der basisorientiert ist und von unten nach
oben funktioniert, kann ernsthaft den Schutz der Umwelt und einen
breiteren sozialen Wandel fördern.

Eine Grundannahme grüner
Gewerkschaftsarbeit ist, dass Arbeiterkämpfe und ökologische Kämpfe
nicht notwendigerweise zu trennen sind, sondern ein Potential haben,
sich gegenseitig zu stärken. Die Grundlage für ein intaktes
Verhältnis zwischen diesen beiden Strängen ist ein Ansatz, der
trotz bestimmter Unterschiedlichkeiten das Gemeinsame herausstellt,
um ein Bündnis zu organisieren, das auf gegenseitigem Respekt und
Unterstützung aufbaut.

Quellen der Arbeitermacht

Insbesondere seit den späten 1960ern
und frühen 70ern gab es, zum Teil als Reaktion auf die
Entradikalisierung der Arbeiterklasse und die häufige
Systemintegration traditioneller „Arbeiterorganisationen“ (d.h.
zentral gesteuerter, bürokratischer politischer Parteien und
Business Unions[1]), einen massiven theoretischen Rückzug von Fragen
der Klasse und insbesondere des Klassenkampfes. Diese Trendwende
vollzog sich vor allem in den „neuen sozialen Bewegungen“, die
sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmender Beliebtheit erfreuten.

Mit dem Aufkommen der neoliberalen
Globalisierung gab es dann eine bedingte Rückkehr zu Zuständen aus
dem früheren Kapitalismus, nachdem es zu einer Zersetzung der
politischen „Repräsentationen“ der einfachen Bevölkerung
(insbes. in den sozialdemokratischen Parteien) und zu einer
Verschlechterung der Arbeiterrechte und Lebensbedingungen gekommen
war.[2]

Parallel zu der faktischen
schleichenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hat sich ebenso
die Entpolitisierung in den Betrieben fortgesetzt. Ebenso besteht
generell eine Aktivistenkultur fort, die noch immer weitestgehend
ablehnend den Arbeiterfragen gegenübersteht (auch wenn sich das zum
Teil geändert hat dadurch, dass in Aktivistenkreisen vermehrt über
„neue“ Organisierungsmodelle diskutiert wird).

Ein dynamisches Verständnis von
Menschen als ArbeiterInnen und von ArbeiterInnen als AktivistIn nen
ist abhanden gekommen. Über nunmehr mehrere Jahrzehnte hat ein
Paradigmenwechsel im linken Deutungsmuster von Unterdrückung
stattgefunden, das sich von Fragen der Produktionsverhältnisse (als
materielle Basis für Ausbeutung) weg und hin zu Fragen der
Konsumtion bewegt hat. Dies zeigt sich insbesondere unter vielen
Mainstream-Grünen, die uns auf unsere Rolle als KonsumentInnen
beschränken wollen, in der wir – der Natur der Sache nach –
relativ machtlos und fast immer desorganisiert sind. Dieser Ansatz,
wie er allgemein verstanden und verbreitet wurde, produziert einen
individualistischen und moralistischen Ersatz für anhaltende
politische Aktivität.

Es ist wichtig die zentrale Bedeutung
von Klassen und die revolutionären Implikationen von Klassenkampf im
Bereich der Produktion zu erkennen. Menschen haben materiell am
meisten Macht in ihrer Rolle als Produzenten von Gütern und
Dienstleistungen. In dieser Eigenschaft sind sie nicht nur in der
Lage, ihre Arbeitskraft zurückzuhalten, sondern auch die
Produktionsmittel und die Verteilung demokratisch zu übernehmen. Es
sind die materiellen Bedingungen des Lebens, welche die
Menschlichkeit beschneiden und deformieren; deshalb muss der Kampf
gegen diese Bedingungen auch konkret und an der materiellen Basis
orientiert sein:

Die Herausbildung neuer Identitäten
als ausdrucksfähige menschliche Wesen anstelle der Entfremdung
schaffenden Klassenidentität setzt einen erfolgreichen Kampf gegen
die eigentlichen Strukturen von Herrschaft, Reglementierung,
Hierarchie und Disziplin voraus. Und diese Strukturen existieren ganz
konkret innerhalb der Arbeitswelt. Niemand kann annehmen, dass der
Charakter der Arbeit einfach dahinschwindet mit dem Erblühen einer
neuen Identität.[3]

Die gesellschaftliche Transformation

Der US-amerikanische Anarchist Murray
Bookchin verwirft die syndikalistische Strategie, da er sie für
einen verengten Ökonomismus hält.[4] Und tatsächlich ist es wahr,
dass die syndikalistische Bewegung sich häufig eines „kulturellen
Arbeiterismus“, eines beschränkten Produktivismus und einer
Idealisierung der Arbeiterklasse und deren Rolle in der Gesellschaft
schuldig gemacht hat. Doch dies wurde weitestgehend in und von der
Bewegung selbst in Frage gestellt und ist heute nur noch eine
bedeutungslose Tendenz. Nicht an die Zukunft des Arbeitsplatzes als
eine Arena politischen und sozialen Wandels glaubend, fordert
Bookchin stattdessen eine alleinige Fokussierung auf die „Gemeinde“
(als ob Gemeinden ohne Betriebe und Klassen existieren würden). Wenn
er über seinen libertären Munizipalismus[5] spricht, vergisst
Bookchin bequemerweise, dass es gerade die SyndikalistInnen waren und
sind, welche die stärkste und erfolgreichste T radition der
Gemeindeorganisierung haben unter allen explizit libertären
Strömungen und darüber hinaus.[6]

Vor allem steht eine demokratische
Gewerkschaftsbewegung nicht im Widerspruch zu der gesellschaftlichen
Transformation zu einer bioregionalen Struktur, bestehend aus
Selbstverwaltung und sozialisierten Einheiten von ProduzentInnen und
KonsumentInnen. Und in einem System bedarfsorientierter Produktion
können nicht-profitorientierte Basisgewerkschaften in der Lage sein,
die notwendige Räte-Infrastruktur zu bieten, die notwendig ist für
eine dezentrale Entscheidungsfindung und Güterverteilung, zumindest
in der Übergangsphase.

»Grüne SyndikalistInnen … stellen
sich z.B. eine Assoziation von ArbeiterInnen vor, die sich
verpflichtet fühlen, das Fabriksystem, seine Arbeitsdisziplin,
Hierarchien und Reglementierungen zu demontieren – all die Ziele,
mit denen sich auch Bookchin identifiziert … Dies beinhaltet die
tatsächliche Destruktion mancher Fabriken ebenso wie ihre Umwandlung
in „softe“ Formen kleinerer, lokaler Produktion.«[7]

Die neue Gesellschaft in der Schale der
alten aufzubauen, bringt Änderungen in wichtigen Fragen mit sich:
wer die Produktion kontrolliert, was produziert wird und wie es
produziert wird. Dies kann nur durch die Demokratisierung der
Betriebe und durch die Stärkung der Gemeindeautonomie erreicht
werden. „Die Fragen des Besitzes und der Kontrolle der Erde sind
nichts anderes als eine Klassenfrage.“[8]

Grüne Blockaden

Der Kontext, in dem sich in den 1970ern
die aufsehenerregenden Kämpfe um die sog. „grünen Blockaden“
(green bans) in Australien ereigneten – wo ArbeiterInnen sich
weigerten, an Projekten zu arbeiten, die für umweltschädlich
gehalten wurden –, ähnelt stark der gegenwärtig weitverbreiteten
Gentrifizierung von städtischen Arbeiterbezirken[9]. Damals zogen
insbes. in Sydney viele einfache Hauseigner und Wohnungssuchende den
Kürzeren gegen die Interessen derer, die in Bauprojekte
investierten, die reinen Spekulationszwecken dienten. An einem
bestimmten Punkt gab es fast eine Million Quadratmeter leerstehenden
Büroraums in Sydneys Geschäftsviertel, während Menschen, die nach
ihren ersten Heimen oder Wohnungen suchten, nicht fündig wurden.[10]

Die erste grüne Blockade wurde von der
Builders Labourers´ Federation (BLF) eingerichtet, um Kelly´s Bush
zu schützen, das letzte verbliebene Buschland in Hunter´s Hill,
eines Stadtteils an Sydneys Stadtrand. Neben vielen anderen
Errungenschaften schützten die grünen Blockaden u.a. historische
Gebäude aus dem 18. Jahrhundert davor, abgerissen zu werden, um
Platz für Büroraum zu schaffen. Auch bewahrten sie den Königlichen
Botanischen Garten davor, in einen Autopark für die Oper von Sydney
umgewandelt zu werden.

Die Gewerkschaft fuhr fort, grüne
Blokkaden zu verhängen, wo immer Unterstützung aus den Gemeinden –
meist in Form eines enthusiastischen öffentlichen Treffens der
betroffenen Menschen – für die Blokkade zum Ausdruck gebracht
wurde. Zwischen 1971-1974 gab es insgesamt 42 grüne Blockaden, bis
der Bundesvorstand der BLF – mit rückhaltloser Unterstützung der
Politiker, der Medien und der „Bauträger“ – die Führung des
lokalen Gewerkschaftszweiges absetzte „auf Grundlade dessen, dass
der Gewerkschaftszweig von New South Wales die Grenzen der
traditionellen Gewerkschaftsarbeit überschritten hat“.[11]

Schätzungen gehen davon aus, dass die
grünen Blockaden der BLF städtische „Entwicklungsprojekte“ im
Wert von ungefähr 18 Mrd. australischen Dollar (umgerechnet auf den
Kurs für 2005; heute ca. 7 Mrd. Euro) vereitelt haben.[12] Obwohl
die lokale BLFInitiative abgewürgt wurde, breitete sich die Bewegung
auf andere Gewerkschaften aus.

Andere Praxisbeispiele

1976 ächtete der Australian Council of
Trade Unions (ACTU) den Abbau, Handel und Export von Uranium. Ein
landesweiter Streik sorgte im Jahre 1977 dafür, dass ein
Zugschaffner, der gefeuert wurde, weil er eine Uranverfrachtung
unterband, seinen Job zurück bekam. 1981 blockierten Gewerkschaften
aus Darwin über mehrere Wochen die Verladung von Uranerz, das
exportiert werden sollte, obwohl die ACTU-Führung letztlich unter
dem Regierungsdruck intervenierte, um die Verladung des Erzes
zuzulassen. Im Oktober desselben Jahres beendete der britische
Flugzeugträger Ark Royal seine Bemühungen, in Melbourne für eine
zehntägige „Goodwill-Mission“ anzudocken, als die
Schiffsmannschaft sich weigerte, Schläger gegen RüstungsgegnerInnen
auszusenden, die anprangerten, dass das Kriegsschiff Nuklearwaffen
führte, und die Demonstranten somit unterstützte…[13]

Die Liste nennenswerter Kampagnen lässt
sich fortsetzen: „Australische Bauarbeiter, Seefahrer, Hafen-,
Transport- und BahnarbeiterInnen boykottierten vielerorts jegliche
Arbeit, die mit der Atomindustrie zu tun hatte, ebenso wie das
Franklin River Project – welches den Tasmanischen Nationalpark
(einschließlich des Landes von Aborigines) für ein großes
hydroelektrisches Projekt geflutet hätte – mit Erfolg. In
ähnlicher Weise kämpften ArbeiterInnen gegen die Versuche des
Amax-Konzerns, auf Aborigine-Land in Noonkanbah nach Öl und
Diamanten zu bohren und diese Ressourcen abzubauen. Die ArbeiterInnen
unterstützten ebenso aktiv die militante Besetzung des Geländes
durch betroffene Aborigines. Auch in Großbritannien boykottierten
während der 1980er gewerkschaftlich organisierte Seefahrer das
Ausschütten von Atommüll auf See und zwangen die Regierung dazu,
diese Politik zu beenden. In Brasilien schmiedeten Arbeiter auf
Gummibaumplantagen (sog. rubber tappers) ein Bündnis mit
UreinwohnerInnen und UmweltaktivistInnen, um gegen die massive
Entwaldung des Amazonas- Regenwaldes durch Großgrundbesitzer und
Geschäftsinteressen zu kämpfen.“[14]

Mehr als nur Ökologie – und
effizienter

Wie Jon Bekken schreibt, »zeigt das
Beispiel [nicht nur] unserer australischen KollegInnen, dass dort, wo
die notwendige Aufklärungs- und Organisationsarbeit geleistet wurde,
ArbeiterInnen bereit sind, Aktionen zur Verteidigung der Umwelt
durchzuführen (etwa so wie z.B. amerikanische und irische
ArbeiterInnen direkte ökonomische Aktionen in Solidarität mit ihren
südafrikanischen KollegInnen durchführten[15]), auch wenn die
Aktion phasenweise eine finanzielle Notlage mit sich bringt.

Direkte ökonomische Aktionen dieser
Art sind weitaus effektiver für die Verteidigung der Umwelt als
Lobbypolitik und symbolische Aktionen, die von den selbsterklärten
Verteidigern von „Mutter Erde“ bevorzugt werden. Solche Methoden
mögen dazu taugen, bestimmte Themen in eine breitere Öffentlichkeit
zu bringen oder den Kampfgeist zu stimulieren. Doch statt unsere
knappen Energien und Ressourcen auf Lobbykampagnen oder
strohfeuermäßige symbolische Aktionen zu fokussieren, mit denen
unrealistischerweise beabsichtigt wird, unsere Ausbeuter unter Druck
zu setzen, müssen wir unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, uns
am Arbeitsplatz und in den Gemeinden zu organisieren, um eine bessere
Umwelt selbst aufzubauen.

Dies kann solch nüchtern wirkende
Kampagnen mit sich bringen wie die Organisierung gegen giftige
Chemikalien in den Betrieben – eine Kampagne, die implizit und,
richtig durchgeführt, auch explizit weit über das Recht hinaus
geht, die Umwelt zu schützen. Hier werden Fragen nach der Verbindung
von Arbeitsplatz und Umwelt aufgeworfen und zur Disposition gestellt,
wer das Recht hat, den Arbeitsprozess zu kontrollieren. Letztendlich
wird sich dabei auch der Bedarf nach anderen Formen
gewerkschaftlicher Organisation und Aktivität zeigen.«[16]

Jack Mundey, einer der Köpfe des
lokalen Gewerkschaftszweiges der BLF, erklärte kürzlich: „…die
politische Signifikanz der grünen Blockade- Bewegung, während sie
wirkte, war, dass sie ein siegreiches Bündnis zwischen
UmweltaktivistInnen und GewerkschafterInnen schmiedete. Da 90% der
Bevölkerung in urbanen Gegenden wohnen, ist Erfolg beim Erhalt der
baulichen Umwelt lebenswichtig, und Gewerkschafter sind ganz
besonders in der Lage, das Gefüge der baulichen Umwelt zu
beeinflussen: Das Ziel, eine umweltgerechte Gesellschaft zu
erreichen, mit einem menschlichen Gesicht, einem ökologischen Herzen
und einer egalitären Seele, erfordert eine massive gemeinsame
Kraftanstrengung von UmweltschützerInnen und der organisierten
Arbeiterklasse.“[17]

Der „Krieg ums Holz“

David Pepper behauptete einmal, dass
der Einfluss der libertären Gewerkschaftsbewegung die grüne
Bewegung in Nordamerika revitalisieren könnte, so wie der
Syndikalismus die Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts
erneuert hatte.[18] Judi Bari, in den 1980ern und 90ern eine
Organizerin der Industrial Workers of the World (IWW) und von Earth
First!, kam näher an dieses Ziel heran als irgendwer anderes. Ab
1989 initiierte sie ein Bündnis zwischen ausgebeuteten Holzarbeitern
und radikalen UmweltschützerInnen, die sich dem Schutz der
Mammutbaumwälder in Nordkalifornien verschrieben hatten. Zu diesem
Zwecke organisierte sie mit (umweltbewussten) Arbeitern und
ÖkoaktivistInnen eine IWW-Gewerkschaftssektion (Local 1).

Selbst aus der Arbeiterklasse stammend,
war sie sich vollkommen darüber im Klaren, dass das ihr
vorschwebende Bündnis nur möglich war, wenn UmweltschützerInnen
sich ein Bild von den Arbeiterbelangen machten, und realisierte, dass
sie nur auf dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe und des Respekts
zusammenarbeiten konnten. Das bedeutete, „ökologisches
Moralisieren zurückzuweisen und ein Gefühl für die Besorgnisse und
Belange der ArbeiterInnen zu entwickeln“.[19] Sie beabsichtigte,
Earth First! von einer bornierten Naturschutzbewegung in eine
bündnisfähige soziale Kraft zu transformieren, die darauf abzielt,
die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst zu verändern. Und dieser
neue und originelle Weg, den sie ging, war unzweifelhaft der Grund,
warum sie und ihr Organizer- Kollege Darryl Cherney Ziel eines
Bombenattentats wurden.[20]

Bari war entschlossen, die
Polarisierung von lohnabhängigen Menschen innerhalb der Gemeinden zu
bekämpfen, wobei sie die Klassenspannungen und -ungleichheiten
ansprach, die gewöhnlich unter den Teppich gekehrt werden. Die
Organisation, die sie aufbaute, engagierte sich auf kreative Weise in
der Gemeinde und benachbarten Bevölkerung: „Im vergangenen Sommer
wurde drei Monate lang eine Serie von Aktionen durchgeführt. Die
Aktionen beinhalteten gewaltfreie Blockaden von Häfen und
Abholzungsarealen, Demonstrationen, Menschenketten, Jux und Lieder
und erfassten alle in den Gemeinden. Die Ereignisse wurden Redwood
Summer genannt. 5.000 Leute beteiligten sich daran. Das Ziel war es,
… die Holzindustrie zu einem an Nachhaltigkeit orientierten
Holzabbau unter Gemeinde- und Arbeiterkontrolle zu bringen“[21]
Probleme am Arbeitsplatz, wie Gesundheit und Sicherheit, wurden dabei
als mächtige Waffe gegen die Holzfällerkonzerne genutzt.

Die Stärke der Gewerkschaft

„In ihrer Arbeit stellte Bari eine
reelle Verbindung zwischen dem Leid von Holzarbeitern und der
heutigen Umweltzerstörung her. Die Geschichte der Arbeiterkämpfe
wird so ein Teil der Ökologie-Geschichte.“[22] Sie drängte Earth
First!, gewaltfreie direkte Aktionen aufzunehmen und sich vom
Tree-Spiking[23] und anderen Taktiken zu distanzieren, die Holz- und
Fabrikarbeiter treffen könnten, womit sie gegen das Image von
„Ökoterroristen“ ankämpfte, das den Unternehmern in die Hände
spielte.

Indem sie für Taktiken jenseits bloß
theatralischer Demonstrationen und ebenso unbesonnener Sabotage
eintrat, opponierte sie gegen gewalttätige Aufruhrphantasien, die
häufig blühen, wenn die wahren Quellen der Macht einer Bewegung
ignoriert werden. In einem typischen IWW-Ton bemerkte Bari: „Dieses
System kann nicht durch Gewalt gestoppt werden. Es ist gewalttätig
und rücksichtslos auch ohne das Zutun einer Widerstandsbewegung der
einfachen Menschen. Die einzige Weise, die ich mir vorstellen kann,
wie sich das System stoppen lässt, ist die massive
Nichtkooperation.“ [24]

Bari trat stets dagegen an, dass die
AnhängerInnen von Earth-First! den ArbeiterInnen Vorwürfe machten,
und kritisierte den Mangel fast jeglichen Klassenbewusstseins unter
ihnen. Sie betonte, dass sie sich auf die Ursachen und nicht nur auf
die Effekte konzentrieren sollten; die tieferliegende Ursache der
Umweltverwüstung und die Zerstörung und Ausbeutung von
Holzfällergemeinden war für sie das unternehmerische
Profitinteresse. Es war nötig, die Verbindungen zwischen der
umweltgefährdenden Entwaldung und der Entlassung von ArbeiterInnen
herzustellen („Wenn die Bäume weg sind, werden es die Jobs auch
sein.“) Dies geschah, um der beschleunigten Waldzersetzung
entgegenzutreten und auf die Umweltgefahren hinzuweisen, die
ArbeiterInnen und ihre Gemeinden zu ertragen gezwungen waren. Sie
fasste treffend die Ideen der Inklusivität der grünen
Gewerkschaftsbewegung sowie die Notwendigkeit breiterer
Solidaritätsnetzwerke und strategischer Positionierungen gegen die
Machtstrukturen zusammen:

„Eine revolutionäre ökologische
Bewegung muss sich auch unter armen und arbeitenden Menschen
organisieren. Denn es sind die arbeitenden Menschen, die ihre Hand an
der Maschinerie haben. Und nur durch den Stopp der
Zerstörungsmaschinerie können wir jemals hoffen, diesen Wahnsinn zu
beenden.“[25]

Dan Jakopovich

 

Der Artikel erschien zuerst unter dem
Titel „Green Unionism in Theory and Practice“, in:
Synthesis/Regeneration, Nr. 43 (Frühling 2007). Übersetzung:
Holger Marcks.

Dan Jakopovich ist Chefredakteur
von Novi Plamen, der maßgeblichen Zeitung der partizipatorischen
demokratischen Linken auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens. Siehe
www.noviplamen.org

 

Anmerkungen

[1] Engl. Begriff für die
reformist. Gewerkschaften, die nur auf begrenzte materielle
Verbesserungen im Rahmen des Kapitalismus abzielen und die
Angelegenheiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wie zwischen
Partnern handhaben. Entspricht weitestgehend dem hiesigen Verständnis
von sozialpartnerschaftlichen bzw. korporatistischen Gewerkschaften.
A.d.Ü.

[2] Z.B. schien ein 6-Stunden-
Tag zu Beginn des 20. Jh. greifbarer zu sein als heute.

[3] Siehe
Jeff Shantz, „Radical Ecology and Class Struggle: A
Re-Consideration“, http://nefac.net/node/161.

[4] Siehe
z.B. Murray Bookchin u.a., Deep Ecology
and Anarchism
, London 1997, S. 47-58.

[5] Von Janet Biehl und Bookchin
ausgearbeitetes Konzept einer libertären Städteordnung, das
Elemente von Proudhons Mutualismusund Föderalismus-Konzept enthält.
Es sieht weniger eine ökonomische als eine politische
Transformationsstrategie vor; z.B. durch die Beteiligung an
kommunalen Wahlen. A.d.Ü.

[6] Siehe
z.B. Iain McKay, Anarchism and Community
Politics
, http://www.anarchism.ws/writers/anarcho/anarchism/community/communitypolitics.html.

[7] Shantz,
„Radical Ecology“, S. 5.

[8] Ebd.

[9] Gentrifizierung
(„Veredelung“) bezeichnet einen Prozess der „Aufwertung“
innenstadtnaher Wohngebiete, der mit einer Veränderung des
Bevölkerungsgepräges einhergeht, wobei v.a. Menschen aus der
Arbeiterklasse verdrängt werden. Siehe dazu das Interview mit Neil
Smith, „Kapitaler Abschaum“, in: DA Nr. 186 (März/Apr. 2008).
A.d.Ü.

[10] Verity
Burgman, „A Perspective on Sydney’s Green Ban Campaign, 1970-74“,
in: dies., Power and Protest. Movements
for Change in Australian Society
,
Sydney 1993. Zu finden auf: http://www.teachingheritage.nsw.edu.au/d_reshaping/wd2_burgman.html.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Siehe
John Judis, „Australian Unions Foil Corporate Developers“, In
These Times
, 5. Jan. 1977, S.
10. Ironischerweise enthält dieselbe Seite einen Artikel darüber,
wie schwedische WählerInnen, die auf politische Wahlen vertrauten,
um die Atomenergiepolitik zu ändern, von der Politik gefoppt wurden.

[14] Anarchist
Federation, Ecology and Class. Where
There’s Brass, There’s Muck
, London o.J., S. 34. Der Erfolg
der brasil. AktivistInnen führte übrigens im Dez. 1988 zu der
Ermordung des Gewerkschafters Chico Mendes durch angeheuerte
Schergen.

[15] In beiden Fällen handeln
ArbeiterInnen, obwohl sie nicht unmittelbar bzw. konkret betroffen
sind, aber ein kollektives bzw. langfristiges Interesse erkannt
haben. A.d.Ü.

[16] Jon
Bekken, „Anarcho- Syndicalism and the Environmental Movement“,
Libertarian Labor Review,
Nr. 6 (Winter 1989), S. 15-6.

[17] Zitiert
in: Burgman, „A Perspective“.

[18] Siehe
David Pepper, Eco-Socialism. From Deep
Ecology to Social Justice
, London 1993.

[19] Jeff
Shantz, „Syndicalism, Ecology and Feminism. Judi Bari’s Vision“,
http://www.cvoice.org/cv3schantz.htm.

[20] Im Mai 1990 explodierte
eine Rohrbombe in Baris und Cherneys Auto, die direkt unter dem
Fahrersitz angebracht war und Bari schwer verletzte. Obwohl die Bombe
mit einem Bewegungsmelder ausgestattet war (und somit offensichtlich
der Eliminierung diente), reichte das FBI daraufhin eine
Terrorismus-Klage gegen die beiden ein, weil sie eine Bombe mit sich
geführt hätten (letztlich abgewiesen). Heute gibt es eindeutige
Hinweise, dass das FBI selbst die Verantwortung für den Anschlag
trägt. A.d.Ü.

[21] Jeff
Ditz, „We Must Live in Harmony With the Planet“, Libertarian
Labor Review
, Nr. 10 (Winter 1991), S.
25.

[22] Shantz, „Radical
Ecology“.

[23] Tree-Spiking ist eine Form,
das Holzfällen zu sabotieren, indem z.B. Metallstangen in einen
Baumstamm gehämmert werden und so die Sägen beschädigt werden, die
auf die Stangen treffen. Dies birgt die ganz reelle Gefahr für
Arbeiter in sich, verletzt zu werden; so wurde z.B. 1987 in den USA
ein Fabrikarbeiter schwer verletzt, als sein Sägeband an einen
Baumstamm zerschmetterte, der Metallstangen in sich hatte. A.d.Ü.

[24] Paul
Buhle & Nicole Schulman (Hg.), The
Wobblies. A Graphic History of the Industrial Workers of the World
,
New York 2005.

[25] Ebd.

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