Der große Bruder schaut dich an

BRD: Betrieblicher Datenschutz
nichts als Lippenbekenntnis

Auf einem Treffen Anfang Dezember
bemängelten die Mitglieder des Berufsverbandes der
Datenschutzbeauftragten Deutschlands (BvD) große Defizite beim
betrieblichen Datenschutz für ArbeitnehmerInnen. Die Vereinigung, in
der u. a. die Datenschutzbeauftragten etlicher Großunternehmen
vertreten sind, wirft dem Gesetzgeber vor, dass trotz der
Überwachungsskandale beim Discounter Lidl, bei der Telekom und bei
anderen Firmen, „die Bundesregierung den Arbeitnehmerdatenschutz ad
acta gelegt“ hat. Es habe trotz anderslautender Lippenbekenntnisse
aus der Politik nie mehr als Ankündigungen gegeben, einen
eigenständigen gesetzlichen Schutz „der Persönlichkeitsrechte im
Arbeitsverhältnis“ zu realisieren.

USA: Aktive RFID-Überwachung von
MigrantInnen

In den USA wird zum ersten Mal auf
Bundesebene die aktive RFID-Funktechnik zur Überwachung im zivilen
Bereich ausgetestet, und zwar an 20.000 MigrantInnen in 20
Übergangslagern. Dafür erging vom US-Heimatschutzministerium ein
Auftrag an Northrop Grumman zur Umsetzung der
Überwachungsinfrastruktur in den Übergangslagern und zur Lieferung
von Hunderten von RFID- Lesegeräten und 22.000 Armbändern mit
aktiven RFID-Funkchips an das Amt für Internierung und Ausweisung
der Einwanderungs- und Grenzschutzbehörde. Für die aktiven
RFID-Funkchips, die auf größere Distanzen mit einem Netz von
RFID-Lesegeräten kommunizieren, wird ein wahrer Boom in den nächsten
Jahren vorausgesagt. Neben der weitflächigen Überwachung können
mit solchen Systemen Gruppenbildungen erkannt und soziale Beziehungen
zwischen Einzelpersonen beobachtet und gespeichert oder mit
Videoüberwachungssystemen kombiniert werden.

In den USA hat bereits eine ganze Reihe
von Institutionen, die einen „lagerähnlichen“ Charakter haben,
ihr Interesse an einer Ausweitung des Einsatzes bekundet. Dazu
gehören z. B. Gefängnisverwaltungen, Krankenhäuser, Psychatrien,
Schulen, Altenheime, Betreiber von Internierungslagern und die
Polizei.

EU will den „Euro-Trojaner“

Noch bevor die Pläne der
Bundesregierung zur Legalisierung des Einbruchs in und der Ausspähung
von Rechnern unter Dach und Fach sind, treibt die Regierung der BRD
auf europäischer Ebene die nächste Runde voran. Auf dem Treffen der
EU-Justiz- und Innenminister am 27./28. November wurden Strategien
für die europaweite Zusammenarbeit in Sachen Cybercrime ausgetauscht
und ein gemeinsames Strategiepapier auf den Weg gebracht. Der Text
sieht u.a. vor, eine zentrale europäische Polizeibehörde mit
Maßnahmen wie „Überwachung von Internetverkehr“ und
„Ferndurchsuchungen“ zu betrauen. Auf die in diesem Rahmen
gewonnen Erkenntnisse soll eine nicht näher spezifizierte Zahl von
Behörden und Einrichtungen in allen EU-Ländern zugreifen können.

Hinter dem Begriff „Ferndurchsuchung“
verbirgt sich das, was in der hiesigen Diskussion als
„Online-Durchsuchung“ bezeichnet wird. Gemeint ist der Zugriff
auf Passwörter und andere Daten, die durch Soft- oder
Hardwaremanipulationen am Rechner der Betroffenen gewonnen werden
sollen. Dies kann durch Ausnutzung von Sicherheitslücken oder durch
staatliche Wohnungseinbrüche zum Zwecke der Rechnermanipulation
geschehen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sieht das
Strategiepapier der EU vor, dass die beschriebenen Maßnahmen nur in
denjenigen Ländern durchgeführt werden, die über entsprechende
gesetzliche Regelungen verfügen.

UK: Richter legitimieren Zwang zur
Schlüsselherausgabe

Wir haben an dieser Stelle bereits
mehrfach darüber berichtet, dass Großbritannien auf dem besten Wege
ist, sich in einen – durch Wahlen legitimierten – Polizeistaat zu
verwandeln. Zu den zahlreichen Maßnahmen im Zuge der Einschränkung
der Bürgerrechte, die dort unter dem Deckmantel der Antiterrorismus-
Gesetzgebung in den letzten Jahren durchgepeitscht wurden, zählt u.
a. das RIPA- Gesetz. Im Rahmen dieses Gesetzes kann gegen
Verdächtige, die einer „Control-Order“ unterliegen, angeordnet
werden, dass sie Passwörter bzw. private Schlüssel aushändigen
müssen. Bei Zuwiderhandlung drohen mehrjährige Haftstrafen. Ein
Betroffener hatte vor Gericht Widerspruch gegen die Maßnahme
eingelegt, seine Klage wurde abgewiesen. Im Oktober entschied auch
das Berufungsgericht gegen den Kläger. Bezeichnend ist dabei die
Urteilsbegründung, die wieder einmal zeigt, dass das bürgerliche
Recht ein System ist, das sich beliebig dem politischen Willen
anpasst – und seien die Begründungen noch so absurd.

Der Betroffene hatte argumentiert, er
nehme sein Recht darauf in Anspruch, Informationen und Aussagen zu
verweigern, die ihn selbst belasten würden – ein Recht, gegen
welches das RIPA-Gesetz eindeutig verstößt. Außerdem berief er
sich auf den Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, der die Prinzipien der
Unschuldsvermutung und Beweislast der Anklage („Bis zum
gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen
einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist“) garantiert.
In der Begründung zur Klageabweisung erkannte das Gericht zwar an,
dass der verschlüsselte Bereich Daten enthalten könne, mit denen
sich der Kläger selbst belasten würde. Diese Fragestellung sei aber
unerheblich, denn der Schlüssel existiere unabhängig davon, sei
juristisch nichts anderes als der Schlüssel zu einer Schublade,
damit Bestandteil des Computers und nicht der – möglicherweise
belastenden – Dokumente und somit auszuhändigen.

In einem anderen Verfahren bestätigte
wenige Tage später ein Richtertrio, dass einem Verdächtigen, der
einer „Control Order“ unterliegt, de facto keinerlei Angaben zu
den Gründen oder Beweisen gemacht werden müssen. Der unterlegene
Richter sagte dazu: „Damit bewegen wir uns zurück in Richtung
einer ungezügelten Macht der Exekutive über die persönliche
Freiheit“. Die ungezügelte Macht der Exekutive ist ein Merkmal
jedes Polizeistaates.

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