Das Elend der Leiharbeit

Leiharbeit ist wieder Thema für die
Medien. Dass sie es momentan in die Wirtschaftsteile schafft, liegt
auch an der aktuellen Dokumentation „Leiharbeit undercover“:
Markus Breitscheidel hat ein Jahr für Leiharbeitsfirmen geackert und
seine Recherchen filmisch dokumentiert. Gleichzeitig wartet Ken Loach
mit einem Spielfilm zum Thema auf: „It’s a free World“
behandelt die Story einer Angestellten, die zur Arbeiterverleiherin
und immer korrupter wird.

Von der Finanzkrise zur
Leiharbeitskrise?

Spielfilme und Dokumentationen sind nur
Ausdruck eines öffentlichen Interesses am Thema. Immer mehr sind
gezwungen, ihr Überleben durch Leiharbeit zu fristen, zu Löhnen,
die 29 Prozent unter dem Standardlohn liegen: 745.000 Menschen
arbeiten in Leiharbeitsverhältnissen, doppelt so viele wie vor fünf
Jahren. Die Abhängigkeit von Leiharbeit führt zur Sorge, dass diese
von der aktuellen Wirtschaftskrise bedroht sei. Die Auswirkungen der
Krise auf die Automobilindustrie wirken sich direkt auf den
Leiharbeitssektor aus: Der Wissenschaftler Ferdinand Duddenhöffer
rechnet mit 80.000 Leiharbeitsstellen, die in der Automobilindustrie
wegfallen, die IGBCE vermutet die Streichung von bis zu 80 Prozent
der Leiharbeitsstellen. Die Branche selber gibt sich allerdings nach
wie vor optimistisch: Werner Stolz, Geschäftsführer des
Interessenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), sorgt
sich zwar, aber „im Moment gelingt das noch recht gut“, sagt er
der Westdeutschen Zeitung (WZ). Thomas Bäumer, Geschäftsführer des
Leiharbeitunternehmens Tuja, preist Leiharbeit immer noch als die
„Chance auf dem Arbeitsmarkt“. Dabei ist offensichtlich, dass
Leiharbeit benutzt wird, um feste Beschäftigungsverhältnisse zu
vermeiden: Sieben Prozent der Leiharbeitsfirmen sind Ausgliederungen
oder Subunternehmen großer Konzerne (z.B. Bayer, Deutsche Bahn AG).
Leiharbei terInnen machen in der In dustrie mittlerweile einen Anteil
von zehn bis zwölf Prozent der Stammbelegschaft aus.

Was macht der DGB in der Krise?

In dieser Situation entdecken auch die
DGB-Gewerkschaften plötzlich ihr Herz für LeiharbeiterInnen. Die
sich zuständig fühlende IG Metall hat kürzlich ihr „Schwarzbuch
Leiharbeit“ veröffentlicht. Ver.di, sich genau so zuständig
fühlend, hat in Wuppertal gegen die Gens Personalmanagement GmbH
Anzeige wegen Lohnwuchers erstattet: Busfahrer verdienen hier Löhne
bis runter zu 2,71 Euro brutto.

Wer über den Schwund an Leiharbeit in
der Krise jault, vergisst, dass Leiharbeit für solche Situationen
erfunden wurde. Wenn IGBCE-Vorsitzender Hubertus Schmoldt dafür
plädiert, „dass Leiharbeit wieder zu dem wird, was sie sein soll,
[..] zu einem […] Instrument, um kurzfristige Auftragsschwankungen
abzufedern“, verkennt er, dass die kommenden Kündigungen aus einer
solchen Auftragsschwankung erwachsen – nur einer langfristigen.
Auch die IG Metall stellt ihr Schwarzbuch unter das Motto „Leiharbeit
fair gestalten“. Die Forderung nach Leiharbeit in einem
„angemessenen Rahmen“ lässt vergessen, dass das System
Leiharbeit immer weniger Lohn, flexiblere Arbeitszeiten und
schnellere Kündigungen bedeutet.

Und vergessen wir nicht: Die
DGBGewerkschaften haben uns diese Situation in Sachen Leiharbeit erst
eingebrockt. Mögen sie auch über die Dumping-Tarifverträge der
christlichen Gewerkschaften schimpfen, ihre eigenen sind kaum besser.
In Leiharbeitsfirmen haben DGB-Gewerkschaften keine Basis, dennoch
war es die IG Metall, die für die LeiharbeiterInnen
Tarifverhandlungen führte. Die Branche braucht diese Tarifverträge,
um den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ unterwandern
zu können. Mit Hilfe von Hartz IV, das von ALG II-EmpfängerInnen
noch erwartet, Arbeiten für einen Lohn bis zu 30 Prozent unter Tarif
oder lokaler Üblichkeit annehmen zu müssen, werden Niedrigstlöhne
erst möglich. Und wer sich weigert, wird von der Leiharbeitsfirma
direkt bei der Arbeitsagentur angeschwärzt.

Leiharbeit in der Krise? Von wegen.
LeiharbeiterInnen sind per se in einer Krise. Die Etablierung der
Leiharbeit war, wie die Hartz-Gesetze, von Anfang an
Krisenprävention. Ausbaden dürfen es mal wieder die, die sowieso
nichts haben, so war es von Anfang an geplant.

Es geht aber auch anders: In Namibia
hat der Oberste Gerichtshof Anfang Dezember 2008 das Verbot der
Leiharbeit bestätigt. „Nach meiner Auffassung bedeutet das
(Leiharbeitswesen) das Überlassen oder Ausleihen von Personen, als
seien sie Leibeigene“, argumentierte der urteilende Richter.

Teodor Webin

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar