Katalysator sozialrevolutionärer Prozesse

Am 20. November verstarb im Alter von
60 Jahren unser Freund und Genosse HaJo Gaffron. Bis zuletzt hatte er
sich mit unvorstellbarer Kraft gegen schwere Erkrankungen gestemmt.
Geschont hat er sich nie. Das Kämpfen, die Rebellion war sein
Naturell.

HaJo kam aus der 68er Bewegung, die er
als Militanter in den Straßen West-Berlins aktiv durchlebte. Nach
deren Niedergang schloss er sich – wie seinerzeit viele –
kurzzeitig einer der vielen kommunistischen Kleinstparteien an: Er
trat der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) bei. HaJo
bezeichnete dieses Kapitel als eine Verirrung, wenn auch eine
prägende: Er bewahrte sich ein gesundes Misstrauen gegenüber
jeglicher Art von Organisation und blieb zeitlebens ein
schonungsloser Kritiker jeglichen Dogmatismus, auch des
anarchistischen. HaJo war kein Mensch, der geräuschlos durchs Leben
ging. Überall hinterließ er Spuren, v.a. in den Köpfen der
Menschen, die näher mit ihm zu tun hatten. Dabei war er kein
Säulenheiliger, wollte es auch nie sein. Menschliche Bindungen
verwechselte er nie mit Abhängigkeiten. HaJo hatte einen radikalen
Begriff von Freiheit und Selbstbestimmung – er lebte sie. Nie
verlor er seinen Optimismus, versuchte immer wieder aufs Neue, an das
kollektive Bewusstsein und den Erfahrungsschatz der Menschen
anzuknüpfen. Sein Ziel: die Hebung des Selbstwertgefühls der
Menschen und die Befähigung zur Selbsthilfe. Dabei sah er sich
lediglich als „Katalysator sozialrevolutionärer Prozesse“. HaJos
Anarchismus war nicht theoretisch, er war erlebbar. Seine
Lebensmaxime lautete: Aus „seiner eigenen individuellen sozialen
Situation heraus die sozialrevolutionäre Verbindung im Abwehrkampf
und im Kampf für ein Optimum an selbstbestimmtem Leben
herzustellen“. Positiv war sein Bezug zu seiner Klasse, v.a. aber
zu den Menschen, die wie er in Armutslagen lebten: „Meinen Leuten”
gehörte seine Liebe, „und das Höchstmaß an Solidarität, zu dem
ich fähig bin.“ Ob in den 1980ern in Berlin-Wedding, in den
1990ern in Bielefeld und in der Altmark, in den letzten acht Jahren
wieder in Bielefeld: HaJo mischte sich ein und initiierte zahllose
Selbsthilfe-Initiativen im Armutsbereich – auch mit, in und im
Umfeld der FAU.

Heiko Grau-Maiwald (FAU Hannover)
und Michael Halfbrodt (FAU Bielefeld)

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