Das Kaffeeimperium schlägt zurück

Das Feuern unfügsamer und widerständiger Angestellter gehört
bei Starbucks schon beinahe zur Tagesordnung. Im Juni wurde zwei weiteren
Baristas (Starbucks-Bezeichnung für die VerkäuferInnen in den Filialen) fristlos
gekündigt: Cole Dorsey aus Grand Rapids und Erik Forman von der Betriebsgruppe in
der Mall of America. Besonders die Kündigung von Cole rief breiten Widerstand
hervor und war neben der Kündigung Mónicas aus Sevilla Anlass des weltweiten
Aktionstags gegen Starbucks.

Die Begründung für die Kündigung von Cole war fadenscheinig.
Eine zehn-minütige Verspätung vor zwei Monaten reichte Nate Bailey, dem Leiter
der Filiale in East Grand Rapids, aus, um die fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Die eigentlichen Gründe sind aber wohl eher in Coles gewerkschaftlicher Tätigkeit
und dem Kampf für seine Rechte und die der anderen Baristas zu finden. Er war
als IWW-Organizer eines der aktivsten Mitglieder der Betriebsgruppe in seiner
Filiale und schon vorher bei Auseinandersetzungen mit der Filialleitung aufgefallen,
sowohl bei alltäglichen Auseinandersetzungen als auch bei Gerichtsverhandlungen
oder Pressekonferenzen der Starbucks Workers Union (SWU) der IWW. So hatte er
bspw. erst eine Woche vor der Kündigung seine Filiale wegen einem leckenden Dach,
durch das Wasser auf die arbeitenden Baristas tropfte, bei der
Gesundheitsbehörde angezeigt. Im Morgengrauen des 6. Juni wurde er von Bailey
bei Schichtbeginn beiseite genommen und bedrängt, die Kündigung zu unterschreiben,
was Cole aber ablehnte.

Direkt nach Coles Kündigung gab die SWU eine Presseerklärung
sowie die Namen und Telefonnummern der beiden Verantwortlichen (Filialleiter
Bailey und Bezirksmanager Tom Balenger) heraus. Gleichzeitig wurde eine Protestaktion
vor der Starbucks-Filiale durchgeführt, um die Öffentlichkeit auf die
Entlassung aufmerksam zu machen und Druck auf die Bosse auszuüben. Außerdem wurde
sofort Anzeige wegen illegaler Kündigung bei der Nationalen Behörde für
Arbeitsbeziehungen eingereicht, die offiziell über die Einhaltung der
Arbeitsrechte wacht. Um den Druck aufrechtzuerhalten, gibt es immer noch
wöchentliche Info- und Flyerstände der IWW vor der betreffenden Filiale, mit
denen weiterhin die KundInnen von Starbucks auf die Situation aufmerksam
gemacht werden.

Vorgeschichte des Konflikts

Schon seit längerem hatte es ständige Konflikte zwischen der
Filialleitung und der SWU in Grand Rapids gegeben. Anfang 2007 war die SWU vor
Gericht gegangen, um gegen das permanente „Union Busting“ vonseiten der Filialleitung
vorzugehen. Nach dem Verfahren erlaubte diese den organisierten Baristas,
KollegInnen mit Plakaten am Arbeitsplatz über ihre Rechte in Bezug auf die
gewerkschaftliche Organisierung aufzuklären. Auch willigte sie ein, bei Vorstellungsgesprächen
nicht mehr die Gewerkschaftszugehörigkeit zu erfragen. Laut Grand Rapids Press
war Cole Dorsey derjenige, der die Pinwand nutzen wollte, um gewerkschaftliches
Material aufzuhängen, und der dieses Recht einklagen musste, da es ihm von seinen
Vorgesetzten verwehrt worden war. Bereits im April 2008 wurden erneut Verfahren
gegen Starbucks eingeleitet, wieder wegen Einschränkung der Pinnwandbenutzung,
aber auch wegen Diskriminierung organisierter Baristas, z.B. durch willkürliche
Bestrafungen, Schichtenvergabe nach Gewerkschaftszugehörigkeit und Verhinderung
des Wechsels von SWU-Mitgliedern in andere Filialen.

Die Betriebsgruppe in Grand Rapids war für die Filialleitung
zu einer ernstzunehmenden Kraft geworden. So werden bspw. die organisierten
Baristas in Grand Rapids in geringerem Maße zu Überstunden gedrängt und bekommen
auch höhere Gehaltserhöhungen (bei Starbucks alle sechs Monate entsprechend ihrer
„Leistung“) als ihre nicht organisierten KollegInnen, weil die
Unternehmensführung offensichtlich den Konflikt weitestgehend vermeiden will.
Die Betriebsgruppe kümmert sich zwar hauptsächlich um die Angelegenheiten im
Betrieb, allerdings wird innerhalb ihrer auch gegenseitige Hilfe praktiziert
und Solidarität geübt mit anderen von Starbucks Ausgebeuteten wie äthiopischen
Kaffee bauern, die sich in einem Patentstreit mit Starbucks befinden.

Union
Busting in Grand Rapids – kein Einzelfall

Die Ereignisse in Grand Rapids sind offensichtlich kein
Einzelfall bei Starbucks, sondern nur ein weiterer Ausdruck der repressiven
Unternehmenspolitik des Kaffeekonzerns, der sich besonders gerne mit seiner
angeblichen Übernahme sozialer Verantwortung wie der Krankenversicherung für
ArbeiterInnen rühmt. Um in den vollen Genuss davon zu kommen, müssen diese aber
240 Stunden pro Quartal arbeiten, was dank der teilweise willkürlichen Schichtverteilung
aber nur eine Minderheit schafft.

Auch die Kündigung von Cole ist nichts Außergewöhnliches:
Bereits am 22. Juni wurde Erik Forman, Barista in der Mall of America und
SWU-Mitglied, ebenfalls mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung ge
feuert. Erik war zwar eine Woche zuvor für eine Verspätung abgemahnt worden,
die Kündigung durch die Bezirksleiterin Caroline Kaker bezog sich aber explizit
nicht auf die Verspätung selbst, sondern auf die Tatsache, dass Erik die
Abmahnung im Gespräch mit einem Kollegen erwähnt hatte. Schon seit Jahren werden
regelmäßig unbequeme und gewerkschaftlich organisierte Baristas von Starbucks gefeuert.
Momentan läuft auch in New York ein Verfahren gegen die Starbucks-Kette wegen Behinderung
von Gewerkschaftsarbeit, das dem erfolgreichen Prozess aus Grand Rapids zum
Verwechseln ähnlich sieht. Bezeichnend für die Firmenpolitik von Starbucks ist
auch, dass Manager des Unternehmens in Internet-Chatrooms versucht haben,
IWW-Sympathisanten und Angestellte zu identifizieren, wie aus E-Mails
hervorgeht, die dem Wall Street Journal zugespielt wurden.

Trotz aller Rückschläge und Kündigungen hat die SWU
beachtliche Erfolge erzielt: Innerhalb von nur vier Jahren haben sich
Belegschaften in New York, zwei in Chicago, eine in Grand Rapids und eine in
Maryland in der IWW organisiert. Seit Juni dieses Jahres sind auch die Baristas
der Starbucks-Filiale in der Mall of America Mitglieder der SWU. Konkret wurden
auch schon einige Forderungen durchgesetzt, entweder durch Druck oder über die
Gerichte, darunter beachtliche Gehaltserhöhungen in mehreren Städten,
Wiedereinstellung gefeuerter GenossInnen und die Rückzahlung von einbehaltenen
Trinkgeldern in Millionenhöhe, die Baristas von kalifornischen Gerichten zugesprochen
wurde. Insofern sind die Perspektiven für die IWW nicht die schlechtesten, da
sie bei Starbucks in den USA regen Zulauf bekommen und im Kampf gegen den
Kaffeemulti dank ihrer dezentralen und selbstorganisierten Struktur bestehen
kann.

Robin (FAU Berlin)

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