Flucht nach vorne

Der erfolgsverwöhnte Kaffeegigant steckt in der Krise.
Starbucks, das 2007 insgesamt 160 Mio. Kilo Kaffee eingekaufte, davon sechs
Prozent „fairtrade“, beschäftigt ca. 172.000 ArbeiterInnen. In den letzten fünf
Jahren hatte sich die Anzahl der Starbucks- Filialen weltweit nahezu
verfünffacht. Bei der Wahl der Standorte ging und geht man nach der sogenannten
„Cluster“-Methode vor. Überall wo ein neuer Starbucks eröffnet wurde, folgten
bald weitere Läden. Das führte in den USA irgendwann dazu, dass die Filialen begannen,
sich gegenseitig Konkurrenz zu machen; Umsatzeinbußen von 20-30 Prozent waren
die Folge. Diese Situation wird zudem durch die Immobilienkrise weiter
verschärft, da sich viele Standorte nicht so dynamisch entwickelten, wie von
den Starbucks-Analysten prophezeit. Hinzu kommt die stetig wachsende Konkurrenz
durch Fastfood-Ketten, wie z.B. McDonalds, Subway oder Dunkin‘ Donuts, die
sich zum Teil auf ein bedeutend umfangreicheres Filialnetz stützen können, und
nicht zu vergessen: die mittlerweile entstandene Konsumzurückhaltung im Starbucks-Vaterland.

Konkurrenz erwächst aber auch aus ganz unvermuteter
Richtung. So berichtete die Financial Times Deutschland schon im April des
Jahres, dass kolumbianische Kaffeebauern Starbucks auf dem europäischen und US-amerikanischen
Markt „angreifen“ wollen. Die Vereinigung der Kaffeeproduzenten der Federación
Nacional de Cafeteros de Colombia (FNC), mit der verbandseigenen
Kaffeehauskette „Juan Valdez“, betreiben schon über 120 Filialen, unter anderem
in den USA und Spanien. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen es schon 300
Filialen sein. Konkret geplant sind bereits 50 neue Läden in Schweden, und
natürlich ist eine Expansion nach Deutschland nicht ausgeschlossen.

Rosskur

Dass Starbucks in diesem Quartal, seit 16 Jahren das erste
Mal, einen Verlust melden musste, ganze 6,7 Mio. Dollar, liegt unter anderem an
der Rosskur, die vom Anfang des Jahres zurückgekehrten Firmengründer Howard Schultz
verordnet wurde. Allein in den USA werden 600 als unrentabel qualifizierte Filialen
geschlossen – 12.000 Angestellte (rund sieben Prozent der Belegschaft), im Firmenjargon
beschönigend „Partner“ genannt, müssen die Sachen packen. 200 von diesen
Filialen sollten noch bis September im laufenden Geschäftsjahr geschlossen
werden, die übrigen 2009. In Australien macht Starbucks 61 von rund 84
Standorten dicht. Gut 70 Prozent der Filialen, die zur Schließung bestimmt
wurden, sind eigentlich gerade erst eröffnet worden. Die Kosten, des im
Managerjargon verschleiernd genannten „Konzernumbaus“, sollen alleine in den
USA bis zu 348 Mio. Dollar betragen.

Berichten zufolge sollen auch in der Essener Deutschland-Zentrale
bis Ende des Jahres 22 der insgesamt rund 70 Stellen wegfallen. Dabei hatte
Starbucks in Deutschland in den letzten fünf Jahren zweistellige Wachstumsraten
hingelegt und ist weiterhin auf Expansionskurs.

Expansion in Europa und Asien

Von den 15.500 Filialen in 43 Ländern, befinden sich nur
rund 4.500 außerhalb der USA. Dieses Zahlenverhältnis wird sich jedoch schon
bald auffallend verändert haben. Weltweit sollen dieses Jahr, im Kontrast zu
den Schließungen in den USA, insgesamt über 800 neue Läden eröffnet werden. Für
das nächste Jahr werden sogar 900 neue Läden avisiert. Laut dem Wall Street
Journal (WSJ) sei bisher in Europa „zu wenig aggressiv“ auf den Markt
vorgedrungen worden. Besonders ins Visier der Expansion gekommen sind laut WSJ
in Westeuropa Frankreich, England und Deutschland. In Osteuropa sind Polen, Tschechien
und die Türkei im Zentrum der Aufmerksamkeit. In China gibt es bereits 600 Starbucks-Coffeeshops.

Ausblick

Neben der wirtschaftlichen Situation, der Immobilienkrise in
den USA und der verschärften Konkurrenz durch den Eintritt von Fastfood-Ketten
in den Kaffeemarkt, ist sicherlich auch noch ein weiter Aspekt entscheidend für
die Krise bei Starbucks. Wenn es früher einmal „cool“ war, bei Starbucks seinen
Kaffee zu kaufen, dann ist es das jetzt nicht mehr. Das Bild vom freundlichen
Arbeitgeber, der seine ArbeiterInnen „Partner“ nennt, hat schon länger einen
nicht unwesentlichen Riss bekommen. Die Löhne sind in den USA nicht besonders
hoch, die Arbeitsbedingungen dagegen sehr schlecht. Erst im März dieses Jahres
verurteilte ein kalifornisches Gericht den Konzern dazu, über 100 Mio. Dollar
an einbehaltenen Trinkgeldern auszuzahlen. Flexibilität ist eine Einbahnstraße und
wird von den ArbeiterInnen in einem so hohen Maße verlangt, dass ein irgendwie
geregeltes Leben jenseits der Theke kaum mehr möglich ist.

Jeder Versuch der ArbeiterInnen, sich in Gewerkschaften zu
organisieren, wird von der Zentrale rabiat bekämpft. Bisher ist es nur den IWW
und der CNT-IAA in Spanien gelungen, sogenannte „Baristas“ zu organisieren.
Aber das alles geht an den DurchschnittskonsumentInnen womöglich vorbei, zumal
es kaum in den Massenmedien berichtet wird. Anders, wenn es um den Umgang des
Konzerns mit „seinen“ Kaffeebauern geht oder um die Frage, ob der Kaffee
wirklich „fairtrade“ ist. Auch diese beiden einstmals positiv besetzten Bilder haben
mittlerweile tiefe Risse bekommen. Ob Starbucks in Zukunft weiter expandieren
und den AktionärInnen Gewinne bescheren wird, liegt nicht zuletzt daran, ob es
dem Global-Player gelingen wird, sich wieder ein verkaufsförderndes Image zu geben
oder nicht.

Rudolf Mühland

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