Struggle

Bangladesh: Tausende TextilarbeiterInnen in wilden
Streiks

Die Welle von Unruhen in den Textilfabriken Bangladeshs,
über die wir schon häufiger berichtet haben (siehe z.B. Direkte Aktion 186) reißt nicht ab.
Am 8. August traten die ArbeiterInnen von Biswas Synthetics Limited in Savar
bei Dhaka in einen spontanen Streik. In der Nachtschicht waren einige Arbeiter von
„Ansar“-Schlägern schlafend überrascht und angegriffen worden. Die Ansar sind
eine paramilitärische Freiwilligentruppe, die von den Fabrikbesitzern zusammen
mit professionellem Werkschutz angeheuert wird. Auf ihr Konto gehen eine Unzahl
von Angriffen auf TextilarbeiterInnen in den letzten Jahren. Als die
Frühschicht von dem Überfall erfuhr, war das Maß voll. Kurz zuvor waren zudem
400 ArbeiterInnen, fast alles Frauen, ohne irgendeine Vorwarnung gefeuert und
um die ausstehenden Löhne betrogen worden. Die gesamte Schicht weigerte sich,
die Arbeit anzutreten, solange nicht die Ansar-Schläger bestraft und der
Werksleiter entfernt würde. Als das Management nicht reagierte, griffen die
ArbeiterInnen das Ansar-Camp auf dem Werksgelände an, worauf die Paramilitärs
das Feuer eröffneten und mehrere Beschäftigte verletzten. Daraufhin zerlegten
die ArbeiterInnen systematisch vier Stunden lang die Fabrik, bis ein riesiges
Kontingent von Armee und Polizei eintraf, dem es gelang, die Situation wieder
unter Kontrolle zu bringen. Das Ansar-Camp wurde geschlossen.

Zwei Tage später kam es zu massiven Auseinandersetzungen in
Dhaka, als sich 300 ArbeiterInnen der Polonia Garments Ltd. versammelten, um
ausstehende Löhne einzufordern. Als sie das Werkstor verschlossen vorfanden,
begannen sie die Fabrik zu stürmen und zu demolieren. In Windeseile schlossen
sich mehr als 1.000 ArbeiterInnen aus benachbarten Fabriken an. Zusammen zogen
sie durch die Umgebung, zerstörten weitere Produktionsstätten am Dhaka-Tangail Highway
und blockierten die Schnellstraße für zwei Stunden. Insgesamt 15 Fabriken
wurden angegriffen, in mindestens drei weiteren forderten die ArbeiterInnen
höhere Löhne. 60 Fabriken wurden vorsorglich geschlossen. Hintergrund der
Proteste sind die galoppierende Inflation und der sprunghafte Preisanstieg bei
den Grundnahrungsmitteln.

 

Kuwait: 800 streikende ArbeiterInnen nach Bangladesh
deportiert

Im August deporierte die kuwaitische Regierung mehr als 800
ArbeiterÍnnen aus Bangladesh und warf ihnen vor, Streiks und gewaltsame
Auseinandersetzungen organisiert zu haben. In den Golfstaaten arbeiten mehr als
200.000 ArbeiterInnen aus Bangladesh, hauptsächlich als Reinigungskräfte,
Security oder Bauarbeiter. Häufig wird vor der Arbeitsaufnahme der Pass
eingezogen, um von Seiten der Bosse Druck auf die ArbeiterInnen ausüben zu
können. Oftmals sind die Firmen über mehrere Monate mit den Lohnzahlungen im
Rückstand und verweigern die vorgeschriebenen Urlaubstage. Arbeitstage von 16
Stunden ohne Bezahlung der Überstunden sind keine Seltenheit.

Ende Juli traten schließlich tausende von ArbeiterInnen aus
Bangladesh, Nepal und Pakistan in einen Streik für eine lange Liste von
Forderungen. Die meisten arbeiteten als Reinigungskräfte, Müllmänner und Schauerleute,
viele hatten von zuhause ihre Kampferfahrungen mit nach Kuwait gebracht. In
Kuwait City griffen daraufhin Polizei, Armee und die Verwaltung der
Arbeitslager für ausländische ArbeiterInnen die Streikenden an. 800
Bangladeshis wurden am 28. Juli verhaftet und abgeschoben, die
Auseinandersetzungen gingen noch einige Tage weiter.

Dennoch könnte der Streik erfolgreich gewesen sein. Die
kuwaitische Regierung musste vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit
eingestehen, dass Kuwait in großem Umfang von der Ausbeutung billiger
Arbeitskräfte aus Südostasien abhängig ist. Sie kündigte an, das umstrittene Anwerbesystem
abzuschaffen und den Mindestlohn zu verdoppeln.

 

Bolivien: Bergarbeiter streiken gegen Rentenreform

Im Juli streikten die Kumpel in Boliviens größter Zinnmine,
Huanuni, und brachten die Förderung vollständig zum Erliegen. Hintergrund für
den Streik ist ein Rentenreformgesetz der bolivianischen Regierung unter Evo
Morales. Der größte Gewerkschaftsverband des Landes, die COB, forderte eine
Erhöhung der Renten und eine Senkung des Renteneintrittsalters auf 55 Jahre.
Die Regierung hat dem Kongress einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der von der COB
als nicht weitreichend genug und entschieden zu unternehmerfreundlich
kritisiert wird. Die COB hatte im Juli aus Protest gegen diesen Entwurf eine
ganze Reihe von Streiks, Straßenblockaden und Besetzungen von öffentlichen
Gebäuden organisiert.

 

China: Auseinandersetzungen mit Wanderarbeitern

Anfang Juli kam es in Kanmen, einer Stadt in der
Küstenprovinz Zhejiang zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen
Wanderarbeitern und der Polizei. Die Proteste begannen am 10. Juli, als
Arbeiter während dreier Nächte in Folge eine Polizeistation angriffen. Dem
Vorfall in Kanmen vorausgegangen war ein Überfall von privaten
Sicherheitskräften, die einen Wanderarbeiter brutal zusammengeschlagen hatten.
Die Menge belagerte die Polizeistation, nachdem die Polizei einen Arbeiter, der
deswegen Anzeige erstatten wollte, festgenommen hatte. Nachdem am dritten Tag der
Proteste mehr als 300 Militärpolizisten in die Stadt verlegt wurden, ebbten die
Auseinandersetzungen ab. Nur wenige Wochen zuvor hatte eine Menge von 30.000
Leuten mehrere Dutzend Regierungsgebäude in der Provinz Guizhou niedergebrannt.

 

Vietnam: 330 „wilde Streiks“ im ersten Halbjahr 2008

Alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2008 wurden in der
„Sozialistischen Volksrepublik“ Vietnam offiziellen Statistiken zufolge 330
Streiks gezählt. Sämtliche dieser Streiks gelten als illegal, weil sie nicht
vom Gewerkschaftsverband durchgeführt wurden und sich nicht an die gesetzlichen
Vorschriften hielten.

In Vietnam ist am 1. Juli 2007 ein neues Arbeitsgesetz in
Kraft getreten, dass de facto einem Streikverbot gleichkommt. ArbeiterInnen
haben nicht das Recht, wegen nichttariflicher Forderungen in den Streik zu
treten, sondern müssen stattdessen die Gerichte anrufen. Gewerkschaften können
zwar streiken, aber nur wenn zuvor Verhandlungen gescheitert sind. Sollte ein
Gericht einen Streik für illegal befinden, haben die Bosse ein Recht auf
Entschädigung durch die Streikenden, insbesondere durch die Vorsitzenden der
Gewerkschaften. Da sich kaum Gewerkschaften finden, die unter diesen
Bedingungen bereit sind, überhaupt zu einem Streik aufzurufen, sind es die
ArbeiterInnen selbst, die immer wieder die Initiative ergreifen. Häufig scheitern
auch die Versuche, Streikende haftbar zu machen, an der kollektiven Stärke der
ArbeiterInnen: erst jüngst sah sich ein Gericht nicht in der Lage, angesichts
von 10.000 Streikenden die „Rädelsführer“ auszumachen. 

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