Dein Uterus ist Deutschland

Objektivität gibt es nicht! Das sagen zumindest die Macher
von AK Kraak, einem autonomen Videokollektiv aus Berlin. Erstmals seit
zweieinhalb Jahren haben sie nun wieder eine Ausgabe ihres Magazins
herausgebracht, mit dem sie nicht nur dokumentieren, sondern auch provozieren
und die moderne Gesellschaft gewaltig auf die Schippe nehmen möchten.

„Unser Videomagazin soll polarisieren“, sagt
Kraak-Aktivistin Kirsten. Sie gehört zum Stammpersonal, hat das Kollektiv im
Jahre 1990 zusammen mit anderen Kunstschaffenden aus der damaligen
Hausbesetzerszene in Ostberlin gegründet. Kraak kommt aus dem Niederländischen,
die wörtliche Übersetzung von „knacken“ hat sich schnell zum Synonym für die
Besetzung leerstehenden Wohnraums entwickelt. AK steht hingegen für Aktuelle Kamera
und bezieht sich damit voller Ironie auf die Nachrichtensendung, die täglich
über die Bildschirme in der ehemaligen DDR flimmerte. Die Aktuelle Kamera erhob
zwar stets den Anspruch, die ultimative Wahrheit zu verkünden – und war damit
wohl so subjektiv wie keine andere Sendung. AK Kraak maßt sich hingegen gar
nicht erst an, objektiv zu sein – und liegt damit vielleicht häufig näher an
der Wahrheit als andere Magazine.

 „Die Leute, um die es
in unseren Beiträgen geht, sollen zu Wort kommen“, erklärt Kirsten das Konzept.
Dabei habe sich AK Kraak längst vom Videoaktivismus mit dem Anspruch der Gegenöffentlichkeit
gelöst. „Es können ruhig andere zu Demonstrationen fahren und ihre Berichte
darüber in Windeseile ins Internet stellen“, sagt Kirsten. „Unser Anspruch ist das
aber nicht.“ Der sehe ganz anders aus. „Wir wollen, dass die Meinung der
Medienmacher erkennbar ist.“

Die Berichte sollen weit über reine Information hinausgehen.
„Wir wollen motivieren, hinterfragen und auch einfach nur Spaß rüberbringen“, erklärt
Kirsten. Eine wilde Mischung also, mit der das Videokollektiv bei den
Konsumenten ankommen möchte. AK Kraak ist kein Szene-TV, es ist eine
kritischironische Ansammlung von Themen, die den Machern auf dem Herzen liegen.

So wie die Geschichte von zwei Mädchen, die sich auf der
Toilette einer Diskothek über ihre neuesten Männerbekanntschaften austauschen.
Ganz geschockt ist die eine, als sie erfährt, dass die andere sich einen
Ausländer geangelt hat. Sie müsse doch an ihr Land denken, deutsche Kinder würden
gebraucht. „Kein Problem“, sagt die andere mit einem Lächeln auf dem Gesicht, wie
es der Betrachter sonst nur aus billigen Werbespots kennt. Sie benutze ja das
neue Ethnoprop von Frontex – ein Diaphragma, das nur Spermien von deutschen Männern
durchlässt. Die finale Parole am Ende des zweiminütigen Clips: „Dein Uterus ist
Deutschland.“

„Sicher ist das etwas übertrieben“, räumt Kirsten ein. „Es
soll eine ironische und bittere Auseinandersetzung mit der Abschottung der
europäischen Grenzen sein“, erklärt sie. Ihr Ziel, den Betrachter mittels
ungewohnter Darstellungsformen zum Nachdenken zu bringen, haben die Macher von
AK Kraak erreicht – über den Inhalt lässt sich sicher streiten.

Weniger plump, dafür umso überzeugender, ist ein kleiner
inszenierter Film, der sich mit den Foltervorfällen von Abu Ghuraib beschäftigt.
Gewalt wird nicht gezeigt – zu sehen bekommt der Zuschauer nur Gespräche im
Aufenthaltsraum der Bewachersoldaten. Ab und an wird der Raum von handelnden Personen
verlassen, andere kommen mit einem Fotoapparat in den Händen wieder herein und
berichten von ihren Erfolgen. Der achtminütige Beitrag über die Alltäglichkeit des
Folterns trägt den simplen Titel „Lyndie“ – ein wahres Meisterstück.

Viele weitere Beiträge sind in der aktuellen Ausgabe von AK
Kraak enthalten. Auch eine Reportage über den Bau des Strike Bikes in der
besetzten Fahrradfabrik im thüringischen Nordhausen. Die Filmemacher waren
dabei, als der letzte Drahtesel vom Band gelaufen ist. „Spannend und schwierig zugleich“,
beschreibt Kirsten die Situation. Auf der einen Seite stehe die Freude über das
Erreichte, auf der anderen Seite jedoch die Ungewissheit vor der Zukunft. Im
Internet ist das Videomagazin zu finden unter http://akkraak.squat.net – die
aktuelle Ausgabe können Interessierte dort bestellen.

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