Musikalische Neuinterpretation

Frank Spilker, Sänger der Hamburger Band "Die Sterne"Du
hast für die „Erich-Mühsam-Abende“ mit Harry Rowohlt und Thomas
Ebermann Lieder und Gedichte von Erich Mühsam musikalisch neu
interpretiert. Was hat Dich an seiner Person und an seinem Werk
interessiert?

Frank Spilker: Erich Mühsam ist einer von uns. Ein anarchistischer,
manchmal unklarer Geist, der schriftstellernd in der Berliner Bohème
der 1910er Jahre herumschwirrt und später in der Vossischen Zeitung
alles sehr genau beschreibt. Diese Berichte, die „unpolitischen
Erinnerungen“ sind eigentlich die Hauptquelle des Abends und es ist
erstaunlich, wie oft sich hier wirklich auffällige Parallelen zu
Phänomenen unserer Zeit finden. Dadurch wächst einem Erich Mühsam
im Laufe des Abends immer mehr ans Herz. Die existierenden
Vertonungen von Mühsam-Texten lassen diese immer sehr verstaubt
klingen. Dadurch, dass man plötzlich einen Text der 20er Jahre im
Gewand einer 70er-Jahre-Disconummer vorträgt, ergibt sich oft auch
eine überraschende Vertrautheit.

Inwiefern hältst Du die Denkansätze von Erich Mühsam heute noch
für zeitgemäß?

Frank Spilker: Bei unserem Abend geht es gar nicht so sehr darum, den
Menschen Mühsam und sein Verhalten zu bewerten. Ihn also entweder
als Vorbild zu überhöhen oder seine Fehler, die teilweise ja auch
offen daliegen, zu brandmarken. Was passiert, ist, dass dieser Mensch
mit all seinen Vorzügen und Schwächen einem so verteufelt nahe
kommt und damit auch die Zeit, in der er gelebt hat. Eine grausame
Zeit des Sterbens und der Verrohung. Wie man sich treu bleibt, kann man jedenfalls eher von ihm lernen als wie man durchkommt; denn das hat er nicht geschafft.

kpf

kpf

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