Es geht nicht nur um CO2…

Was sie vom geplanten Kohlekraftwerk
auf der Ingelheimer Aue bei Mainz und Wiesbaden halten, machten
Aktivistinnen und Aktivisten des Arbeitskreises Umwelt Wiesbaden
(AKU) und der Lokalföderation Rhein/Main der FAU am 3. November
ihrem lokalen Stromerzeuger klar: Mit einer Schubkarre voll Eierkoks
und dem Motto „Wie immer geht es ihnen nur um Kohle …“
besuchten sie die zentrale Geschäftsstelle der Wiesbadener
Stadtwerke und schütteten 75 kg Steinkohle in den Eingangsbereich.
Dies ist genau die Kohlemenge, die das geplante Kraftwerk innerhalb
von nur einer Sekunde verfeuern soll. Die Pläne der Kraftwerke
Mainz-Wiesbaden (KMW), die sich je zur Hälfte im Besitz der Mainzer
(ENTEGA) und Wiesbadener (ESWE) Stadtwerke befindet, seien eine
Frechheit, wird in einem Flugblatt betont: „Mit dem Beschluss für
den Bau des Kohlekraftwerks, als zukünftigen Ersatz für das
bestehende hochmoderne Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk konterkariert
die KMW auf zynischste Art und Weise die Diskussion um Klimaschutz
und gebotenes schnelles Handeln bei der CO2-Reduktion.“

Laut Angaben der KMW soll sich die
Kraftwerksleistung durch den Neubau fast verdoppeln. Darüber hinaus
bedeutet die Entscheidung für den Brennstoff Kohle statt Gas, dass
sich die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Elektrizität ebenfalls
verdoppeln. Insgesamt plant die KMW also eine Vervierfachung des
jetzigen CO2-Ausstoßes. Gerald Kunz vom AKU erklärt hierzu
gegenüber der Direkten Aktion: „Unser Ziel ist und bleibt die
Rücknahme des Projekts. Gerade die Stadtwerke der beiden
Landeshauptstädte sehen wir in einer klimapolitischen Verantwortung.
Aus dieser Verantwortung werden wir sie nicht entlassen. Wir setzen
auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und den weiteren Ausbau der
Nutzung regenerativer Energiequellen.“ Um dieses Ziel zu erreichen,
will der AKU weiterhin Druck auf die Stadtwerke ausüben. Seit der
großen Demonstration im Mai 2007 (Direkte
Aktion
182
) – über 3.000
Menschen hatten auf der Rhein-Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden
gegen das Bauvorhaben demonstriert – wirbt die Gruppe dafür, den
Stromanbieter zu wechseln. Kunz wies in diesem Zusammenhang darauf
hin, dass mit den sogenannten Ökostrom-Kampagnen von ESWE und ENTEGA
die Bevölkerung schlicht für dumm verkauft werden soll. Unter
umweltpolitischen Druck geraten, gehe es den Stadtwerken einzig
darum, ihre Marktanteile zu verteidigen bzw. auszubauen.
Desinteressierte und Industriebetriebe sollen weiterhin mit Atom- und
Kohlestrom beliefert werden, während man gleichzeitig versuche, die
ökologisch sensible Klientel mit „Ökostrom billiger als
Atomstrom“ zu ködern. Was von solchen „Ökostromanbietern“ zu
halten ist, wenn sie als Besitzer der KMW eine riesige Dreckschleuder
ins sowieso stark belastete Rhein-Main-Gebiet setzen wollen, ist
klar: „Die Bewertung der KMW als „unser“ lokaler, von den vier
großen Energieversorgungsunternehmen unabhängiger und
umweltfreundlicher Versorger ist hinfällig! Wir verweigern der
Geschäftspolitik der KMW – und somit der von ESWE und ENTEGA –
die Unterstützung! Wer aus Profitinteresse die Notwendigkeiten des
Klima- und Umweltschutzes ignoriert, dem entziehen wir unser Geld und
wechseln den Stromanbieter“, stellt Kunz klar.

…sondern auch um Menschenrechte!

Nach Chinas Absage aufgrund erhöhten
Eigenbedarfs sucht KMW nach neuen Lösungen, um die Gewinnmargen zu
sichern. Auch Kolumbien kommt dabei als Kohlelieferant in Frage. Doch
kolumbianische „Billigkohle“ hat ihren Preis. Am 8. November
machten dies die Aktivisten der kolumbianischen
Minenarbeitergewerkschaft SINTRACARBON, Freddy Lozano und Jairo
Quiroz, eindrucksvoll deutlich. Auf Einladung des AKU berichteten sie
im Café Klatsch in Wiesbaden über die katastrophale Situation in
Kolumbien. Die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung
durch Vertreibung, Raub und Mord, verbunden mit Niedriglöhnen für
die Minenarbeiter, kennzeichnen die Lage. Wer aufbegehrt wird
verfolgt, GewerkschafterInnen und andere AktivistInnen oftmals von
Paramilitärs ermordet. Im stattfindenden Bürgerkrieg nehmen weder
Militär noch Paramilitärs Rücksicht auf Menschenrechte, was
ansässigen Großkonzernen in die Hände spielt. Eine globalisierte
Energie- und Klimapolitik und der Bau neuer Kohlekraftwerke in der
BRD sind untrennbar verbunden mit dem Kampf um Menschenrechte, der
Durchsetzung von Sozialstandards und globaler Solidarität. Der
Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden und die Lokalföderation Rhein/Main der
FAU fordern alle Stromkunden auf, die in Konsumentenhand befindlichen
Elektrizitätswerke Schönau oder Greenpeace Energy als alternative
Stromanbieter zu wählen.

Ralf Dreis, LF Rhein/Main

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