Diebstahl verpflichtet

Mitten
hinein in eine – der hereinbrechenden Wirtschaftskrise zum Dank –
ohnehin schon an abenteuerlichen wie aberwitzigen Reformvorschlägen
reiche Zeit fällt die Diskussion um Mitarbeiterbeteiligungen am
Konzerneigentum. Von einer engeren Einbindung der Belegschaften in
die Firmenstrukturen ist da die Rede, gerechterer Gewinnverteilung
und sichereren Arbeitsplätzen.

Alter,
neuer Trend

Was
auf den ersten Blick wirkt wie der verzweifelte Versuch,
krisengeschwächte Aktien doch noch irgendwie loszuwerden, ist
keineswegs eine neue Idee. Doch während in vielen EU-Ländern
Modelle der Mitarbeiterbeteiligung bereits seit Jahren umgesetzt
werden, handelte es sich in Deutschland bisher um bloße
Sandkastenspiele einiger weniger ManagerInnen und
UnternehmensberaterInnen mit geringen Chancen auf Realisierung (von
vereinzelten internen Firmenregelungen abgesehen). Seitdem aber
PolitikerInnen aus beinahe allen Parteien, allen voran die Linke, die
Entwicklung von Mitarbeiterbeteiligungskonzepten anregen, und sich
schließlich auch der DGB dafür erwärmen konnte, haben sich die
Vorzeichen verkehrt. Wenn auch abzuwarten bleibt, wieviel Polemik in
dieser Debatte im Bundestagswahljahr mitschwingt, muss sie
grundsätzlich doch ernst genommen werden. Nennenswerte Opposition
hat sich bisher jedenfalls noch nicht zu Wort gemeldet.

Firmentreue
Belegschaft

Nur
– was verspricht die Mitarbeiterbeteiligung? Die Vorteile für die
Unternehmensseite liegen auf der Hand. Von dem Moment an, da ein Teil
des Lohnes direkt an den wirtschaftlichen Erfolg der Firma gekoppelt
wird, verschiebt sich die Interessenlage der Beschäftigten hin zum
Brötchengeber. Sie beginnen, sich mit der Firma zu identifizieren
und noch härter zu schuften, da für sie nun ein erfolgreiches
Unternehmen auch konkret mehr Geld in der Tasche verspricht. Das Sein
bestimmt das Bewusstsein, zumindest bis hierhin verstehen auch
zeitgenössische KapitalistInnen Marx noch recht gut.

Was
eine Mitarbeiterbeteiligung hingegen für LohnempfängerInnen
bedeuten könnte, hängt erst einmal sehr stark davon ab, welcher
rechtliche Rahmen tatsächlich hierfür geschaffen und welches Modell
auf sie angewendet wird. Das Spannungsfeld bewegt sich zwischen der
Frage, inwieweit am Unternehmen beteiligte MitarbeiterInnen auch das
Risiko mittragen müssen oder aber nur am Gewinn – so denn
vorhanden – beteiligt werden, und ob eine Gewinnbeteiligung als
Prämie zum Lohn hinzukommt, oder aber als vertraglich vereinbarter
Teil von diesem abgezogen wird. Im internationalen Vergleich finden
sich alle denkbaren Modelle wieder, nebst zahlreichen Zwischen- und
Mischformen. Sollte das Bestreben um eine Mitarbeiterbeteiligung in
Deutschland ernsthaft werden, zeichnet sich folglich ein Tauziehen um
Firmenrisiko und Reallohnhöhe ab.

Modelle
reiner Gewinnbeteiligung werden uns besonders aus Kreisen von
Linkspartei, DGB und anderen SozialdemokratInnen angepriesen. Dabei
wird gerne ein Bild gezeichnet, dass an Stelle der heute so irrwitzig
erscheinenden Managerprämien eine Art Arbeiterprämie trete und
somit mehr Verteilungsgerechtigkeit erreicht werde.

Verschleierung
der Verhältnisse

Soviel
berechtigter Zweifel an dieser Behauptung auch angebracht sein mag,
nehmen wir einfach einmal an, es könnte tatsächlich ein Verfahren
zur reinen Gewinnbeteiligung der Belegschaften in Deutschland
etabliert werden. Wer darin einen Vorteil für die LohnempfängerInnen
sieht, gar für die ganze Arbeiterklasse, denkt zu kurz. Die Gefahren
wiegen weitaus schwerer.

Die
offensichtlichste wie sicherlich auch schwerwiegendste Folge wäre
eine deutliche Vertiefung der Spaltung der Arbeiterschaft. Nicht
einfach nur dadurch, dass nun plötzlich KollegInnen derselben
Branche buchstäblich miteinander konkurrierten, weil z.B. mehr
Absatz bei Opel weniger Lohn bei Audi bedeuten könnte. Nicht nur
insofern, als dass Beschäftigte bei kleinen und mittelständischen
Betrieben (in Deutschland gut die Hälfte aller LohnempfängerInnen),
die naturgemäß mit bescheidenen Gewinnmargen planen, wohl dumm aus
der Wäsche guckten. Und nicht allein in Anbetracht der Tatsache,
dass die wachsende Gruppe der befristet Eingestellten, JobberInnen,
LeiharbeiterInnen, mit Billiglohn Abgespeisten wohl kaum ernsthaft in
einem solchen Konzept unterzubringen wäre. Die Konsequenzen wären
viel weitreichender.

Statt
einheitlicher Situationen nach Branchen drohte, sich eine zerklüftete
Landschaft unterschiedlichster Beschäftigungsverhältnisse zu
entwickeln, die organisierten Arbeitskämpfen immer kleiner werdende
Angriffsflächen bietet. Die Position von Betriebsvertretungen und
Gewerkschaften würde zusehends geschwächt, die einheitliche
Interessenlage der Arbeiterschaft, Grundlage jedes solidarischen
Schulterschlusses, untergraben. Ohne aber über ein angemessenes
Drohpotential zu verfügen, wird das Lager der LohnempfängerInnen –
und nun auch Gewinnbeteiligten – früher oder später über den
Tisch gezogen. Ihr wollt eine Gewinnausschüttung? Dann arbeitet
länger, damit wir welchen erzielen! Krankenkassenbeiträge?
Schmälern den Gewinn, denkt dran! Sicherheitsvorkehrungen? Was das
kostet!

Von
Eigentümern und Dieben

Ein
interessanter Impuls für die aktuelle Debatte um Gewinnbeteiligung
kommt aus der Rechtswissenschaft. Hier wurde in den letzten Jahren
der Frage nachgegangen, inwieweit ArbeiterInnen als ProduzentInnen
auch ein Urheberrecht auf das von ihnen hergestellte Produkt besäßen
und somit Anspruch auf einen Teil des Gewinns erheben dürften. Somit
wäre das Produkt, wenn auch nur zum Teil, Eigentum des Produzenten.
Und Eigentum, so steht es im Grundgesetz, verpflichtet. Die Frage ist
nur, wen und wozu.

Genau
betrachtet entpuppt sich das Gerede von Mitarbeiterbeteiligung als
Wortklauberei. Die effizienteste Form von Gewinnbeteiligung war und
bleibt die Lohnerhöhung, erstritten durch den Arbeitskampf. Von der
Unternehmensbilanz abhängige Gehaltsregelungen, die auf die
Motivation der Beschäftigten wirken sollen, bedeuteten hingegen die
Rückkehr des Akkords durch die Hintertür.

Matthias
Seiffert

 

 

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