Ocupas Urbanas

Die FARJ — Federación Anarquista de Rio de Janeiro
(Anarchistische Föderation Rio de Janeiros) ist eine sehr aktive
sozialanarchistische Gruppe in Brasilien. Die „Ocupas Urbanas“ sind besetzte
Wohnhäuser in den armen Stadtteilen und Favelas in Rio.

In Hinblick auf die libertäre Bewegung in Rio kann die
Gründung der FARJ als ein Meilenstein gewertet werden. Der Gründungsprozess der
Gruppe dauerte 1,5 Jahre. Am Ende des Diskussionsprozesses gab es einen Konsens
über das Profil einer möglichen Organisation:

Eine Föderation anarchistischer Individuen, die sich in die
verschiedenen gesellschaftlichen Konflikte einmischt und Stellung bezieht. Seit
ihrer Gründung am 30. August 2003, arbeitete die FARJ an unzähligen Projekten —
immer mit dem Anspruch anarchistische Ideen in die Praxis umzusetzen. Wie es in
ihrem „Manifiesto de Fundación“ heißt: „Die neue Gesellschaft wird durch uns
geschaffen. Hier und jetzt, mit der Inspiration des Anarchismus.“

Eines der vielen Projekte der FARJ ist das „Centro de
Cultura Social (CCS)“, welches im Norden der Stadt liegt. Der Raum wird für
kollektive Arbeit, als Platz für Treffen und Versammlungen, zum gemeinsamen
Kochen und Essen mit den AnwohnerInnen aus „Morro dos Macacos“ (2), Nachhilfe,
Recycling und Capoeira ( traditionelle Selbstverteidigung) genutzt. Zudem
existiert dort die „Bibiloteca Social Fábio Luz“. Das CCS ist ein gemeinsamer
Raum vieler AktivistInnen und wird auch noch vom „Colectivo Libertario
Activista Voluntariado de Estudios (CLAVE)“, der „Grupo de Acción Libertaria
(GAL)“, dem Komitee gegen Folter und anderen nicht-explizit anarchistischen
Gruppen genutzt.

Mit dem Ziel ihre gesellschaftliche Relevanz zu vergrößern
begann die FARJ 2003 die Zusammenarbeit mit den „Städtischen Hausbesetzungen“.
Seit dieser Zeit besuchen Militante der FARJ die Treffen der Besetzungen Olga
Benário (Benannt nach einer bekannten Kommunistin, die in den 30er in Rio aktiv
war), im Campo Grande, und Vila da Conquista und Nelson Faria Marinho in
Jacarepaguá. Die dort stattfindende politische Arbeit ist eine gemeinsame
Organisation mit den BesetzerInnen um ihr Forderungen besser durchsetzen zu
können. Zu dem wird versucht die kämpfenden Kommunen mit anderen
(Klassen-)Kämpfen zu verbinden. So unterstützen zum Beispiel einige
Gewerkschaften die Besetzungen mit gratis Infrastrukturarbeiten.

Schließlich weitete die FARJ ihre Aktivitäten auch auf
andere Besetzungen wie das Poeta Xynaiba in Tijuca und Margarida Maria Alves in
Sao Goncalo aus. In all diesen Besetzungen versucht die FARJ die Autonomie der
BesetzerInnen zu unterstützen und eine Solidarität und Zusammenarbeit unter den
Besetzungen zu etablieren.

Fast alle Projekte arbeiten inzwischen kollektiv und ohne
Bezug auf repräsentative Demokratie zusammen. Politiker dürfen nicht an den
Versammlungen teilnehmen, und Wahlpropaganda ist an und in den Häusern nicht
geduldet. Die Menschen verlassen sich auf direkte Zusammenarbeit mit anderen
(Arbeiter)Organisationen und Direkte Aktionen um ihre Probleme zu lösen.

Ein anderes von einigen Companeros entwickeltes Projekt ist
„Gestación“, welches regelmäßig im CCS stattfindet. Sie wollen Menschen, die
sich die Mietkosten nicht mehr leisten können helfen und motivieren ihre
Wohnungen und Häuser zu besetzen. Damit bieten sie diesen Menschen einen Raum
um sich kennen zu lernen und sich gemeinsam herrschaftsfrei zu organisieren. Auf
diesen Treffen wird vom Namen bis zur konkreten Aufgabenverteilung in den
zukünftigen Besetzungen diskutiert. Darüber hinaus werden direkte Aktionen
geplant um die Häuser zu erobern.

Dieser praktizierte „Soziale Anarchismus“, den die FARJ im
Widerspruch zu dem ansonsten vorherrschenden „Lifestyle-Anarchismus“ sieht,
versucht direkt in soziale Kämpfe und Bewegungen zu intervenieren und diese zu
unterstützen. Sozialer Anarchismus ist keine neue innovative Idee. Der
Anarchismus hat im Laufe der Zeit seine soziale Komponente verloren, der
Soziale Anarchismus strebt eine Rückehr der Anarchisten zu ernsthaftem
sozialen Handeln an — zusammen mit den Arbeitern und prinzipiell allen
Prekarisierten der Gesellschaft wie den Obdachlosen, den Landlosen, den Indigenen,
… . Die Widersprüche und die Unfähigkeit des Kapitalismus, soziale Probleme
zu lösen wird in diesen Kämpfen deutlich und so lassen sie sich mit
anarchistischer Theorie direkt verbinden.

Anmerkungen

  1. Der Text stammt von Felipe Corrêa und wird hier frei
    (nicht wortwörtlich und etwas gekürzt) übersetzt. Erschienen in La Libertad Nr.
    5, Juli 07, San José, Costa Rica.
  2. Favela in Rio, wird teilweise von Mafia-Strukturen
    regiert.

 

Homepage der FARJ: www.farj.org

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