Lehre der leeren Taschen

Viel wurde schon gesagt über die Studierenden von heute, die
in miesen Teilzeitarbeitsverhältnissen und Praktika ausgebeutet werden und als
Zersetzungsfaktor regulärer Beschäftigung missbraucht werden. Doch das
Hochschulmilieu und dessen Struktur wirken nicht nur indirekt als Quell der
Prekarisierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Universitäten erweisen
sich zunehmend selbst als Heim von prekarisierten Arbeitsverhältnissen.

In Zeiten, in denen durch neoliberale Sozial- und
Wirtschaftspolitik die Unternehmen zunehmend steuerlich entlastet werden, trägt
die besitzende Klasse immer weniger zur Finanzierung der öffentlichen
Einrichtungen bei. Die Hochschulen versuchen den daraus resultierenden
fiskalischen Druck zu kompensieren, indem sie unter anderem ganze
Studienangebote streichen oder aber eben an den Honoraren sparen. Dass dies
gerade diejenigen Studiengänge betrifft, die wirtschaftlich nicht rentabel sind
und keine oder kaum Investitionen erhalten, bedarf wohl keiner Erklärung.

Auch hier sind Studierende bzw. AbsolventInnen ungewollt das
maßgeblich Vehikel eines Zersetzungsprozesses. Tutoren- und Dozententätigkeiten
werden zunehmend auf Studierende abgewälzt, die diese Arbeit für lau
verrichten. Gebrauch macht man hierbei von den Illusionen und
Karriereambitionen der Studierenden. Die Möglichkeit, sich ein paar Sporen dazu
zu verdienen, die für bessere Chancen im akademischen Werdegang sorgen, reizt
enorm viele. Besonders kultiviert haben die Form der Ausbeutung von
Studierenden diverse Hochschulen in Nordrhein-Westfalen: Hier gibt es z.B. die
Möglichkeit, sich durch die unbezahlte Verrichtung von Tutorien credit points
als Leistungsnachweis anrechnen zu lassen.

Gleichzeitig machen es immer mehr Institute zur
Voraussetzung, dass junge AkademikerInnen, die in den Lehrbetrieb einsteigen
wollen, ein oder mehrere Semester Lehraufträge unbezahlt ableisten, während selbst
alte Hasen zunehmend dazu gezwungen sind, um überhaupt im »Geschäft« zu
bleiben. Ein Lehrauftrag – und sei er auch unbezahlt – macht sich im Lebenslauf
nun mal besser als eine klaffende Lücke.

Letztlich zeigt sich dann auch hier der soziale Selektionsprozess
an den Universitäten auf höherer Ebene. Studierende, die ihre Existenz durch
Lohnarbeit sichern müssen, werden es sich mehr als einmal überlegen, ob sie
sich eine unbezahlte Lehrtätigkeit überhaupt „leisten“ können. Denn
Voraussetzung dafür ist, entweder über den nötigen finanziellen Hintergrund zu
verfügen oder aber drastische Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Sozial schwache
Studierende haben somit nicht nur im Studium selbst schon gehörige Nachteile,
auch der Einstieg in den akademischen Beruf wird ihnen dadurch weiter
erschwert.

Esther Guttke

Weitere Informationen: www.keine-arbeit-ohne-lohn.de

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