§§§-Dschungel

Richtig reagieren bei Abmahnungen

Als erstes muss hier genau geklärt werden was eine Abmahnung
ist: Mit einer Abmahnung rügt der Arbeitgeber einen Verstoß des Arbeitnehmers
gegen seine „arbeitsvertraglichen Verpf lichtungen“ unter gleichzeitiger
Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen (einschließlich der Kündigung) für
den Wiederholungsfall. Ohne diesen Hinweis ist eine Abmahnung keine Abmahnung, auch
wenn „Abmahnung“ darüber steht. Im Gegenzug ist es eine, sobald eine Androhung
gegeben ist, auch wenn „Abmahnung“ nicht darüber steht.

Das Recht zur Abmahnung ergibt sich aus der
arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer („vertragliches
Rügerecht“; „Gläubigerrecht“). Es steht auch dem Arbeitnehmer zu (vgl. BAG v.
17. 1. 2002 – 2 AZR 494/00, NZA 2003, 816: Abmahnung wegen verspäteter
Lohnzahlung s.u.).

Gegen eine Abmahnung muss der oder die Betroffenen
individuell vorgehen. Das reicht von der persönlichen schrif tlichen
Stellungsnahme in der Personalakte bis hin zur Klage vor dem Arbeitsgericht.

Daneben gibt es noch die Betriebsbuße. „Betriebsbußen“ sind
Disziplinarmaßnahmen des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer. Sie dienen
der Durchsetzung der „betrieblichen Ordnung“. Nur hier hat der Betriebsrat ein
Mitbestimmungsrecht. Die Überschriften sind mannigfaltig. Missbilligung,
Beanstandung, Rüge, förmliche Rüge, Mahnung, Abmahnung, Kündigungsandrohung,
Tadel, Verwarnung, Verweis, strenger Verweis. Alles Schall und Rauch.
Entscheidend ist, was beanstandet wird und in welcher Form.

 

Kündigung: Vorherige Abmahnung notwendig

Bei einer Kündigung durch den Chef wegen Pf
lichtverletzungen oder schlechter Leistungen muss i.d.R. vorher abgemahnt
werden. Entscheidend ist, ob dabei tatsächlich das Fehlverhalten gerügt wird,
das später der Grund für die Kündigung ist (siehe Landesarbeitsgerichts
Rheinland-Pfalz in Mainz, Az: 10 Sa 380/07). Das LAG bestätigte damit die
Entscheidung des Arbeitsgerichtes, das in erster Instanz einem Kläger Recht
gab, weil es an einer „einschlägigen“ Abmahnung, die das zur Kündigung führende
Fehlverhalten des Arbeitnehmers festhält gefehlt habe.

Bei der Interessenabwägung müsse auch berücksichtigt werden,
dass der Kläger bereits zwölf Jahre in dem Betrieb gearbeitet und als
50-Jähriger auf dem Arbeitsmarkt schlechte Aussichten habe. Hinzu komme, dass
die betreffenden Pflichtverletzungen nicht „verwerf lich“ seien und nicht
vorsätzlich begangen wurden.

Anmerkung: In diesem Fall hatte der Arbeitgeber einige
Formfehler begangen (s.o.), die für den betroffenen Kollegen von Vorteil waren.

 

Gelegentlich ist eine vorherige Abmahnung entbehrlich

Die übermäßige Privatnutzung eines Dienst-Handys kann auch
ohne vorhergehende Abmahnung die Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen. Das
gilt nach Auffassung des Hessischen Landesarbeitsgerichts auch dann, wenn dem
Mitarbeiter die Privatnutzung des Telefons vorher nicht ausdrücklich untersagt
wurde (5 Sa 1299/04). Die Frankfurter Richter wiesen deshalb die Klage eines
Bankangestellten zurück und erklärten seine ordentliche Kündigung für wirksam.

Wer monatlich rund 380 Euro auf Kosten der Firma privat
vertelefoniere, dürfe nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen.
Daher sei auch eine Abmahnung entbehrlich, erklärten die Richter.

 

Abmahnung verpufft

Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich abgeschwächt
werden, wenn der Arbeitgeber bei ständig neuen Pf lichtverletzungen des
Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals
arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen (BAG 16. Sept. 2004). Aber es
kann auch anders ausgehen…

 

Mehrmals ohne Folgen abgemahnt – und dann…

20 Jahre lang mit schöner Regelmäßigkeit erhielt ein
Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin schrif tliche Abmahnungen – es half
nichts. Dann wurde es ernst: in einem als „letztmalige Abmahnung“ bezeichneten
Schreiben hieß es, eine Wiederholung werde nun ernste Konsequenzen haben, es
sei jetzt mit der Kündigung zu rechnen. Der Mann kam nochmals zu spät. Da
kündigte ihm die Arbeitgeberin.

Der Arbeitnehmer ging mit seiner Kündigungsschutzklage bis
zum Bundesarbeitsgericht (2 AZR 609/00). Nach so vielen Abmahnungen habe er
nicht mehr mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen müssen, argumentierte
er.

Das Gericht meinte, die Arbeitgeberin habe in der letzten
Abmahnung sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die ständige
Unpünktlichkeit des Kraf tfahrers nicht länger dulden und mit Kündigung
reagieren werde. Deshalb sei die Kündigung wirksam (BAG vom 15. Nov. 2001 – 2
AZR 609/00).

 

Und nun mal anders herum

Arbeitgeber zahlt nicht?! Erst abmahnen, dann kündigen und
dann klagen! Ist euer Arbeitgeber mit Lohnzahlungen in nicht unerheblicher Höhe
im Rückstand, könnt ihr fristlos kündigen. Das gilt auch für geringe
Lohnrückstände, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden sind
und ihr den Arbeitgeber schon zur Zahlung aufgefordert habt. Vor der fristlosen
Kündigung solltet ihr euren Chef eine schrif tliche Abmahnung überreichen. Nur
wenn er vor Zeugen die Aussage macht, dass er in keinem Fall zahlen will, könnt
ihr darauf verzichten. Ihr könnt dann den Lohn einklagen, und zwar bis zum
Zeitpunkt eurer normalen Kündigungsfrist. Auch einen gewissen Schadensersatz
könnt ihr fordern (BAG, 26. Juli 2007 – 8 AZR 796/06).

Sicher etwas außergewöhnlich, aber jede/r sollte sich
wirklich ernsthaft überlegen, ob es Sinn macht, bei einem Arbeitgeber
auszuharren, der wochen- bzw. monatelang nicht zahlt. Immerhin ist jetzt
geklärt, dass ihr auch nach einer fristlosen Kündigung eurerseits noch Anspruch
auf Lohn bis zum Ende der normalen Kündigungsfrist habt.

Thersites

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar