In memoriam Utah Phillips

Utah Phillips, eine der herausragende Persönlichkeiten der
amerikanischen Folkmusik, ist am Freitag, den 23. Mai 2008, in Nevada City,
einer kalifornischen Kleinstadt in den Bergen der Sierra Nevada, wo er die
letzten 21 Jahre lebte, an chronischer Herzinsuffizienz gestorben. Er starb
zuhause, im Schlaf, in Anwesenheit seiner Frau Joanna Robinson.

Utah Phillips, geboren am 15. Mai 1935 in Cleveland, Ohio,
als Bruce Duncan Phillips, war der Sohn von Gewerkschaftsaktivisten. Ob
aufgrund dieses frühen Einflusses oder einer nicht immer ruhig und angenehm
verlaufenden Kindheit und Jugend, jedenfalls zeigte Phillips bereits als junger
Mann ein nie versiegendes Interesse an den Lebensbedingungen von Menschen aus
der Arbeiterklasse. Er war stolzes Mitglied der Industrial Workers of the
World, der Wobblies, einer aus den Arbeiterkämpfen des frühen 20. Jahrhunderts
hervorgegangenen Organisation, die seit einem Jahrzehnt wieder vermehrte
Aufmerksamkeit und steigende Mitgliederzahlen zu verzeichnen hat, nicht zuletzt
dank seiner Bemühungen, sie bekannt zu machen.

Phillips diente als einfacher Soldat im Koreakrieg, eine
Erfahrung, die er später als Wendepunkt seines Lebens bezeichnete. Tief
betroffen von den Zerstörungen und dem menschlichen Elend, dessen Zeuge er
geworden war, verlor er nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten den
Boden unter den Füßen und begann, auf Güterzügen durch das Land zu reisen.
Heutzutage, da die psychischen Probleme von Kriegsheimkehrern weithin bekannt sind,
klingt das Phänomen vertraut, doch in den späten 1950er Jahren musste Phillips
noch allein damit fertigwerden. Als mittelloser Trinker verließ er in Salt Lake
City einen Güterzug und landete im Joe Hill House, einer Obdachlosenunterkunft,
die von dem Anarchisten Ammon Hennacy geleitet wurde, einem Mitglied der
Catholic Worker-Bewegung und Mitstreiter von Dorothy Day.

Phillips hielt es Hennacy und anderen Sozialreformern, die
er als seine „Altvordern“ bezeichnete, zugute, ihm ein philosophischen Gerüst
zur Verfügung gestellt zu haben, um das er seine Lieder und Geschichten
herumbaute, die er selbst als Muster für seine Zuhörer betrachtete, damit diese
ihre eigene politische Existenz und ihr Arbeitsleben besser verstehen könnten.
Sie waren oft heiter, manchmal traurig, aber nie banal.

„Er brachte mir bei, dass Musik mehr sein muss als
Zuckerwatte für die Ohren“, sagte John McCutcheon, ein landesweit bekannter
Folksänger und enger Freund von Phillips. Bei der Erschaffung seines Werkes und
seiner Bühnenpersönlichkeit bezog sich Phillips auf so unterschiedliche
Einflüsse wie den jüdischen Komiker Myron Cohen, die Folksänger Woody Guthrie
und Pete Seeger und die Countrystars Hank Williams und T. Texas Tyler.

Eine kurze Periode als Archivar für den Staat Utah in den
1960ern machte Phillips mit der Disziplin historischer Recherche bekannt. Noch
dem einfachsten und eingängigsten seiner Lieder liegt eine rigorose Beachtung
von Details und eine solide und ausgetüftelte Erzählstruktur zugrunde. Er war
ein begieriger Leser auf einer erstaunlichen Vielzahl von Wissensgebieten.

Inzwischen arbeitete Phillips in Hennacys Joe Hill House.
1968 kandidierte er für die Peace and Freedom Party um einen Sitz im US-Senat.
Das Rennen machte der republikanische Kandidat, woraufhin ihm einige Demokraten
vorwarfen, ihnen Stimmen abgezogen zu haben. Er verlor daraufhin seinen Job
beim Staat Utah und kam nach seiner Aussage auf die schwarze Liste.

Phillips verließ Utah und ging nach Saratoga Springs, New
York, wo er von einer lebendigen Szene von Folkkünstlern um das von Lena
Spencer geleitete Caffé Lena herum empfangen wurde.

„Das Café war der Auftrittsort. Dort ging jeder hin. Sie
fütterte alle durch“, sagte John „Che“ Greenwood, ein Freund und Kollege. Für
die folgenden knapp vier Jahrzehnte arbeitete Phillips im „Geschäft“, wie er es
bezeichnete, erspielte sich ein Publikum, das in die Hunderttausende ging, und
trat in größeren und kleineren Orten quer durch die USA, Kanada und Europa auf,
allein oder zusammen mit Rosalie Sorrels, Kate Wolf, John McCutcheon, Ani
DiFranco u.a.

„Er war wie ein Alchemist“, sagte Sorrels. „Er nahm die
Geschichten von Arbeitern und Eisenbahntramps und machte daraus etwas, das von
Schriftstellern wie Thomas Wolfe beeinflusst war, aber dann gab er sie zurück, erzählte
sie so, dass sie den Menschen, um die es in den Geschichten und Liedern ging,
immer noch gehörten. Er hatte nicht vor, den Leuten ihre Kultur zu stehlen.“

Eine Single aus Phillips erster Platte, „Moose Turd Pie“,
eine launige Geschichte über die Arbeit in einer Rotte von Streckenarbeitern,
wurde 1973 oft im Radio gespielt. Von da an war er ständig auf Tour. Die lange
Liste seiner Texte und Plattenaufnahmen umfasst auch zwei Alben mit Ani
DiFranco, die für den Grammy nominiert wurden. Lieder von Phillips wurden u.a.
von Emmylou Harris, Waylon Jennings, Joan Baez, Tom Waits und Joe Ely gespielt
und aufgenommen. 1997 erhielt er von der Folk Alliance einen Preis für sein
Lebenswerk.

Phillips, der Perfektionist, behauptete, er hätte nie sein
Lampenfieber vor Auftritten ablegen können, und wollte es auch nicht, weil es
für ihn, wie er sagte, der Antrieb sei, sich weiterzuentwickeln.

Als Phillips 2004 an den Auswirkungen einer chronischer
Herzinsuffizienz zu leiden begann und die Krankheit ihn zeitweilig am Auftreten
hinderte, startete er eine landesweit ausgestrahlte Radiosendung für Folkmusik,
„Loafer’s Glory“, und gründete ein Obdachlosenheim in seinem ländlichen
Heimatbezirk, wo vom Glück verlassene Männer und Frauen am Stadtrand, umgeben
von Manzanitabüschen, übernachten konnten. Hospitality House wurde 2005
eröffnet und beherbergt weiterhin 25-30 Gäste pro Nacht. Auf diese Weise setzte
Phillips in seinen letzten vier Lebensjahren das Werk seines Mentors Hennacy
fort.

Jordan Fisher Smith, Molly Fisk
(Übers. MH)

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