Ein Monopol bröckelt

Im
vergangenen November wurde die U-Bahn in Buenos Aires mehrmals durch
Streiks komplett lahmgelegt. Die Streikenden kämpften allerdings
nicht etwa für höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen,
sondern für das Recht, sich in einer eigenen Gewerkschaft zu
organisieren. In einer Abstimmung im Februar 2009 hatten sich 98,8 %
der 1.800 abstimmenden TransportarbeiterInnen dafür ausgesprochen.
Bereits im Jahr 2008 hatten sie die Zulassung beim Arbeitsministerium
beantragt, von dem der Antrag allerdings ignoriert wurde. Da das
Ministerium bisher auch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes, das
den ArbeiterInnen Recht gab, nicht umgesetzt hat, legten sie am 5.
November die Arbeit nieder, indem sie die Zugänge zum U-Bahnnetz und
die Gleise blockierten. Perfekt wurde das Verkehrschaos durch die
gleichzeitige Blockade der wichtigsten Autobahn Lateinamerikas, der
Panamericana, durch Mitglieder der Baugewerkschaft. Wenige Tage
darauf wurde die U-Bahn erneut erfolgreich bestreikt, obwohl die
Regierung ein massives Polizeiaufgebot mobilisiert und Druck auf die
Betreibergesellschaft der U-Bahn, Metrovías, ausgeübt hatte, um den
Betrieb zu gewährleisten.

Die
Transportgewerkschaft Unión Tranviarios Automotor (UTA/Gewerkschaft
der Triebwagenführer), in der die U-Bahn-ArbeiterInnen organisiert
sind, ist traditionell eine wichtige Stütze des offiziellen
Gewerkschaftsdachverbandes Confederación General del Trabajo
(CGT/Allgemeine Konföderation der Arbeit). Über 20 Jahre lang hatte
bei der UTA mit Juan Manuel Palacios ein enger Vertrauter des
CGT-Vorsitzenden Hugo Moyano das Sagen, Moyano selbst gilt wiederum
als enger Verbündeter der peronistischen Kirchner-Regierung. Zudem
verfügt er über gute Kontakte in das Arbeitsministerium. Diese
Verbindungen wiederum erklären, warum das Arbeitsministerium den
Antrag der U-Bahn-ArbeiterInnen auf Anerkennung als eigene
Gewerkschaft verschleppt. Die Anerkennung würde es ihnen erlauben,
offen in Konkurrenz zur CGT zu treten.

Der
Kampf bei der U-Bahn ist ein weiterer Höhepunkt in der
Auseinandersetzung um die Gewerkschaftsfreiheit in Argentinien,
während der die jahrzehntelang unangefochtene Dominanz der
monolithischen CGT immer mehr in Frage gestellt wird. Inzwischen
haben in zahlreichen Betrieben und Branchen die gewählten
Vertretungen der Beschäftigten mit der zentralistischen
Gewerkschaftspolitik der CGT gebrochen, so zum Beispiel bei der Bahn,
im Gesundheitsbereich, an Universitäten, sowie bei den
Nahrungsmittelmultis Pepsi und Kraft. In letzterem Fall wurde ein
Werk des Konzerns rund zwei Wochen lang besetzt gehalten, um gegen
Entlassungen zu protestieren; auch dieser Konflikt wurde von der
Beschäftigtenvertretung im Betrieb vehement geführt, bis
schließlich die CGT und die Regierung mit einstiegen. Diese Tendenz
erkennen auch die Bosse, die den Wandel in der
Gewerkschaftslandschaft zu spüren bekommen. “Wir betrachten den
Ausbruch der Konflikte mit Sorge, weil es einige Betriebsräte gibt,
die mächtiger als die eigentliche CGT zu sein scheinen”, sagte der
Unternehmer Hugo Biolcatti gegenüber der Tageszeitung Clarín.

Bereits
in den 90er Jahren hat sich von der CGT die Central de los
Trabajadores Argentinos (CTA/Vereinigung der argentinischen Arbeiter)
abgespalten, die inzwischen zum zweiten großen
Gewerkschaftsdachverband mit rund 1,1 Millionen Mitgliedern
angewachsen ist. Die CTA unterstützt die Forderungen nach
Gewerkschaftsfreiheit, auch sie ist trotz ihrer zahlenmäßigen
Stärke nicht offiziell anerkannt. Ob die CTA eine Alternative zur
CGT ist, bleibt fraglich, da auch ihr Generalsekretär Hugo Yasky dem
peronistischen Lager angehört. In jedem Fall öffnet das Aufbrechen
des Monopols der zentralistischen und mit der Regierung verbandelten
CGT neue Räume für kämpferische und selbstorganisierte
Gewerkschaften.

Daniel
Colm

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