Wie im falschen Film

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Seit
Monaten zieht sich nun schon der von der FAU Berlin geführte
Tarifstreit im Kino Babylon Mitte. Doch auch nach mehreren
Flugblattverteilungen und einem Boykottaufruf, zeigten sich die
Geschäftsführer Tobias Hackel und Timmothy Grossman bislang
unnachgiebig. Nun scheint Bewegung in den Konflikt zu kommen. Fragt
sich nur, wohin die Reise gehen soll.

Ein
Politkrimi allererster Güte

Die
Skurrilitäten der politischen Verstrickungen um das Kino Babylon
Mitte beginnen bereits mit der Vergabe des Lichtspielhauses. Das
Konzept der heutigen Betreiber Tobias Hackel und Timmothy Grossman
wurde eigentlich schon in der ersten Auswahlrunde abgelehnt. Doch
nach wundersamen Nachbesserungen der Vergabekriterien hier und
Änderungen im Bewerberkonzept dort, folgte schließlich die Vergabe
an das Duo Grossman/Hackel, welches unter anderem
Geschäftsbeziehungen zum damaligen Kultursenator Dr. Thomas Flierl
(Die Linke) unterhält. Kaum verwunderlich, dass in Senatskreisen
keine Eile zur Intervention in Sachen Arbeitsbedingungen im Babylon
Mitte bestand. So verwiesen die verantwortlichen Stellen, gerade in
der Hand der Berliner Linkspartei, gern non-chalant auf ihre
Nicht-Zuständigkeit oder auf die Tarifautonomie.

Eine
Erklärung, warum zwar Gelder an das Babylon vergeben werden, nicht
aber kontrolliert wird, was mit diesen geschieht, obwohl ein
entsprechender Senatsbeschluss existiert, blieb die Linke indes
schuldig. Zudem hätte die „Neue Babylon GmbH“ beim
Berliner Senat eine Erhöhung der Zuschüsse zur Deckung würdiger
Löhne beantragen können, was aber ausblieb. Lieber versuchte man,
sich mit knappen Finanzen aus der Bredouille herauszuwinden.

Taler, Taler du musst
wandern

Dass
sich Arbeitgeber gerne mit mangelnden Geldern aus der Affäre ziehen
wollen, ist wohlbekannt. Im Falle Babylon Mitte kommt diese Ausrede
allerdings einer Realsatire gleich. So sehr sich die Geschäftsleitung
auch bemühte, sich in der Öffentlichkeit als bettelarme Betreiber
eines alternativen Lichtspielhauses in teurer Citylage zu verkaufen,
so sehr wurde gleichzeitig das Geld für Gerichtprozesse mit dem
Betriebsrat, aktuellen wie ehemaligen Angestellten und für absurde
Projekte wie dem Bau einer Terrasse mit beiden Händen zum Fenster
hinausgeschmissen. Zudem wurde im Jahr 2008 der Gegenwert eines guten
Drittels der öffentlichen Zuwendungen für die Gehaltszahlungen an
die Geschäftsleitung verwandt. Dass da für die gemeinen
Angestellten nicht mehr als Krumen vom großen Kuchen übrig bleiben,
erklärt sich fast von selbst. Wohl um dieser Geisteshaltung
Nachdruck zu verleihen, ließ die Geschäftsleitung im Jahr 2008
satte 30.000 Euro von den ihr zustehenden Geldern ungangestastet. Was
auch immer der Grund dafür gewesen sein mag, es zeigt wie im Babylon
gewirtschaftet wird. Diese Summe hätte Lohnerhöhungen sowie
Feiertags- und Nachtzuschläge bereits abgedeckt.

Was genug ist, ist
genug…

…dachte
sich daher auch die Belegschaft des Kinos und begann Ende 2008 sich
zu organisieren. Ein Betriebsrat wurde gewählt und über eine
gewerkschaftliche Organisierung nachgedacht. Erste Anfragen an die
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di stießen auf Desinteresse, bereits
anberaumte Treffen wurden nicht wahrgenommen. Wegen dieser Behandlung
und Dank guter Erfahrungen mit der FAU Berlin bei der Unterstützung
eines ehemaligen Mitarbeiters, wandten sich Teile der Belegschaft an
diese, um sich dort zu organisieren. Sofort wurde sich daran gemacht
mit der Belegschaft den Entwurf für einen Haustarifvertrag
auszuarbeiten, in dem sämtliche Probleme der Angestellten behandelt
wurden und der sich an der spezifischen Lage im Babylon Mitte
orientierte. So wurde insbesondere darauf geachtet, Klauseln, die
eine Spaltung der Belegschaft mit sich ziehen würden (allzu
unterschiedliche Lohnkategorien, Gültigkeit nur für die bei
Abschluss Beschäftigten etc.) zu vermeiden und so den Konflikt
gemeinsam zu einem positiven Ende zu führen.

Die unbekannte Dritte

Am
03.09.2009 war dann der Presse zu entnehmen, dass sich ver.di nun
doch in den Konflikt einschaltet und die Geschäftsleitung des
Berliner Traditionskinos ebenfalls zu Verhandlungen lädt und den
Konflikt sogar durch Landesbezirksvize Andreas Köhn zur „Chefsache“
erklärt.

Interessanterweise
wurde dieser Vorstoß auch promt per Zeitungsnotiz erklärt, jedoch
nicht mit den Beschäftigten oder der FAU besprochen. Worin diese
Initiative mündet, bleibt abzuwarten. Es sollte der ver.di jedoch
klar sein, dass sich ein Tarifabschluss hinter den Rücken der
Beteiligten und der bislang einzigen im Betrieb aktiven Gewerkschaft
nur sehr schlecht verkaufen lässt.

Die
FAU Berlin betonte derweil, dass sie durchaus zu Gespächen mit
ver.di zur Sondierung einer etwaigen Tarifgemeinschaft bereit sei.
Allerdings nicht als Juniorpartner, sondern als stärkste und
aktivste Gewerkschaft im Betrieb. Ob ver.di nun tatsächlich die
betriebliche Kanzlerfrage stellt oder den Alleingang wagen will, wird
sich zeigen. Sicher ist, dass jeder unüberlegte Schritt in der Sache
unweigerlich auf ver.di zurückfallen wird.

Lars
Röhm

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