Gegen Orwells Horror-Vision in echt

Ein notwendiges Vorwort

An dieser Stelle sollte eigentlich
der Artikel stehen, so wie er von unserem Autor W.A.N. eingereicht
und in der Druckversion auch zu finden ist. Leider ist es uns im
Produktionsstress und aufgrund des sehr späten Eintreffens des
Artikels bei der Redaktion nicht mehr möglich gewesen, den
Originalartikel aus den Verkehr zu ziehen. Das wäre aber notwendig
gewesen, da der Artikel zu zwei Dritteln aus nicht kenntlich
gemachten Zitaten von den Internetseiten wikipedia und
netzwerk-selbsthilfe bestand.

Darum nun an dieser Stelle ein
kleiner Artikel zum Lösungsbegriff aus der Feder des Redakteurs
selbst.

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In der BRD waren die 1980er Jahre unter
anderem von dem Kampf gegen die verharmlosend als „Volkszählung“
betitelte allgemeine Datenerhebung des Staates geprägt: Zwischen den
vier im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP) herrscht
grundsätzliche Einigkeit über Notwendigkeit und Ausrichtung der
Zählung. Ziel des Zensus soll es sein, die Infrastruktur der BRD an
das sich vermutlich veränderte soziale Gefüge im Land anzupassen.
Allein der Umstand, dass man sich nicht auf die Höhe des
Bundeszuschusses einigen kann, verzögert die für 1981 vorgesehene
Volkszählung bis ins Jahr 1983. Der sich sehr schnell formierende
und sehr heterogene Widerstand kritisiert in der Hauptsache, dass
sich mit dem Fragebogen eben keine Versorgungsmängel aufdecken
ließen. Eine bedeutende Minderheit in der Boykott-Bewegung sieht mit
der „Volkszählung“ Georg Orwells Vision eines
Überwachungsstaates („1984“) auf der Schwelle stehen. Gestützt
wird diese Befürchtung durch die Tatsache, dass es für das
Aufspüren und „Zählen“ von nicht in den lokalen Melderegistern
erfassten Menschen eine „Kopfprämie“ geben soll. Dabei sollen
für „gefundene“ Deutsche 2,50 DM und für „Ausländer“ sogar
5 DM gezahlt werden – ein Schelm wer böses dabei denkt!

Anfang der 1980er Jahre konnte ein
vorwiegend bürgerliches Bündnis den Zensus durch das
Bundesverfassungsgericht stoppen lassen. Allerdings erklärte die SPD
daraufhin sofort, sich für eine Reform des „Volkszählungsgesetzes“
einzusetzen, das die Abgeordneten der SPD, wie alle anderen
Abgeordneten der anderen Parteien auch, 1982 einstimmig angenommen
hatten.

Volkszählung und „Mai-Krawalle“

Im Anschluss an eine
Durchsuchung des Büros der Initiative zum Volkszählungsboykott in
West-Berlin kam es am ersten Mai 1987 zu einer spontanen
Protestdemonstration, die ihren Abschluss auf dem 1.-Mai-Fest am
Lausitzer Platz fand. Die Polizei stürmte das Fest und verschoss
Tränengas. Die anwesenden Menschen versuchten, die Stände, alte
Menschen und kleine Kinder vor der anrückenden und prügelnden
Polizei zu beschützen. So entstanden die längst zum Mythos und
Ritual gewordenen „Mai-Krawalle“.

Der wieder aufflammende heterogene
Protest setzte unter anderem noch einmal an der Vision bzw.
Realisierung des Überwachungsstaates an. Diesmal noch konkreter und
an mehr Punkten als beim ersten Mal. Im Fokus stand besonders der
Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU), der unter Kanzler Kohl
(CDU) die Überwachungs- und Datensammlungsmöglichkeiten der Polizei
und der Geheimdienste ausweitete (u.a. mit Ideen zu einem
maschinenlesbaren Ausweis, eines einheitlichen Personenkennzeichens
usw.). Gleichzeitig wurden aber auch damals neu eingeführte
Informationssysteme in der Privatwirtschaft und ihr
Überwachungspotential zum Thema gemacht. Diese „zweite Welle“
des Protestes wurde von einer umfangreichen Repression begleitet. So
entblödete sich der Innensenator West-Berlins nicht, den Mehringhof
zum „terroristischen Umfeld“ zu erklären und so die dort
ansässige Initiative des Volkszählungsboykotts in die Nähe des
RAF-Umfeldes zu rücken.

Trotz massiver Kampagnen der
Regierenden, um den Protest gegen den Zensus als „terroristisch“
und „linksextremistisch“ darzustellen, wuchs die Bewegung immer
weiter an und umfasste bald mehr als 1.000 lokale, regionale und
bundesweite Gruppen, Initiativen und Bündnisse. Neben autonomen
Gruppen, zahlreichen Bürgerinitiativen, diversen kleinen Parteien,
freischwebenden AnarchistInnen und SyndikalistInnen der kaum zehn
Jahre alten FAU-IAA, waren auch zahlreiche Datenschutzbeauftragte und
viele jüdische Gemeinden in dieser Bewegung aktiv. Neben vielen
anderen Punkten, dürften sich die jüdischen Gemeinden vor allem von
der Frage nach der Religionszugehörigkeit provoziert gefühlt haben
– hatten sie doch noch tief im kollektiven und individuellen
Gedächtnis den Umgang Deutschlands mit solcherlei Informationen
gespeichert!

Als 1987 dann tatsächlich „gezählt“
wurde, nahmen – regional unterschiedlich ausgeprägt – zwischen
5% und 15% der Menschen am Boykott teil. Leider verebbte danach die
breite Bewegung wieder und vieles, was Mitte der 80er nur ein Traum
der Innenminister, Polizeiführungen, Geheimdienste und
ArbeitgeberInnen war, ist heute unbeachtet von Millionen schon längst
Realität. Dabei ist vieles davon nicht auf die BRD beschränkt,
sondern in Rahmen der EU und multilateraler Abkommen europaweit und
transatlantisch durchgesetzt. Der „neueste“ Clou ist neben
Bundestrojanern, Vorratsdatenspeicherung und vielem andern mehr
„ELENA“, aber dazu an anderer Stelle mehr…

Rudolf Mühland

 

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