buw – von wegen sportlich und fair!

buw: bezahlung unter wert

Wenn die Volksbank
Münster zum Marathon einlädt, herrscht Ausnahmezustand im
westfälischen Münster. Auf die Busfahrpläne ist kein Verlass, und
der Tourist, dem es eingefallen ist, mit dem Auto nach Münster zu
kommen, findet keinen Parkplatz. Der Volksbank-Marathon ist eines der
sportlichen Großereignisse und füllt in der Lokalpresse glatte drei
Seiten. Dagegen konnte dieses Jahr nicht einmal ein
Kanzlerkandidaten-Duell anstinken.

Bei so einem Event will
natürlich jeder und jede ein Stück vom großen Werbekuchen abhaben.
Als besonders gierig erweist sich seit Jahren der Callcenter-Konzern
buw. Als Hauptsponsor neben der Volksbank organisiert buw parallel
zum Marathon einen Staffellauf. Während ganz Münster am 13.
September im Lauffieber war, wollten einige nicht mitfiebern. Die
Telefonzelle Münster (siehe Interview in Direkte Aktion #195)
nahm den Staffellauf zum Anlass für eine Protestaktion. Mit
Transparenten und Flugblättern machten sie am zentralen
Hindenburgplatz, dem Startpunkt des Staffellaufes, auf die miserablen
Arbeitsbedingungen bei buw aufmerksam.

Arbeitsbedingungen bei
buw

Wie sehen nun die Fakten
aus bei buw? Nicht so rosig, wie die Herren Bormann und Wulf dies
darstellen. Ein Beispiel für die Arbeitsbedingungen am Standort
Münster sind die unsäglichen klimatischen Verhältnisse, die
während des Hochsommers herrschen. Regelmäßig gibt es in den
Räumlichkeiten höhere Temperaturen als draußen. 33 Grad sind keine
Seltenheit, da die Geschäftsführung sich strikt gegen die
Anschaffung einer vernünftigen Klima- oder Lüftungsanlage sträubt.
Folglich kommt es alle paar Wochen zu Kreislaufzusammenbrüchen bei
MitarbeiterInnen, die dann durch einen Rettungswagen abgeholt werden
müssen.

Für die Masse weitaus
dramatischer ist aber der Stress, der in den Callcentern aufgebaut
wird. Alle KollegInnen haben eine bestimmte Quote bezüglich
eingehender Anrufe oder erfolgreicher Verkäufe einzuhalten. Dazu
muss aber auch ein hohes Qualitätslevel (Freundlichkeit, Verständnis
für den Kunden, Kompetenz, …) eingehalten werden. Diese beiden
Anforderungen stehen im Gegensatz zu einander und bauen in den Köpfen
der Angestellten einen hohen psychischen Druck auf. Die
MitarbeiterInnen müssen freundlich, nett und clever sein, aber so
viel wie möglich telefonieren. Alles wird natürlich durch
Kontrollmaßnahmen und Testanrufe genaustens erfasst. Weichen die
MitarbeiterInnen mal gröber vom Soll ab, gibt es ein protokolliertes
Gespräch, das eine Vorstufe der Abmahnung darstellen soll oder der
befristete Arbeitsvertrag wird gar nicht erst verlängert. Neben dem
täglichen Druck und den teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen
sorgt vor allem ein Punkt für dauerhafte Frustration unter den
Callcenter-AgentInnen: Die miserable Bezahlung. Seit weit vor der
Zeit der Euro-Umstellung gab es keine Lohnerhöhung mehr.

Die Telefonzelle Münster
hat daher in ihren Flugblättern eine angemessene Lohnerhöhung,
vollständig bezahlte Urlaubstage, die Abschaffung der
protokollierten Gespräche, ein Ende der Schikanierung durch Team-
und Projektleitende und die Einhaltung der arbeitsrechtlichen
Standards und Pausenregelungen gefordert.

Lokalpresse schützt
Unternehmerwillkür

Aufgrund der
Flugblattaktion sind engagierte JournalistInnen auf die Telefonzelle
und die FAU zugekommen. Wir konnten Interviews mit ehemaligen und
aktuellen MitarbeiterInnen vermitteln. Die JournalistInnen befragten
im Anschluss sowohl den Betriebsrat, wie auch den Arbeitgeber zu
unseren Vorwürfen. Dies war von uns ausdrücklich erwünscht. Die
Redaktionen der Lokalpresse haben daraufhin wohl Muffensausen
bekommen: Einen der besten Werbepartner und einen vermeintlichen
„Arbeitsplatzschaffer“ verschreckt man nicht, indem man auf die
Bedürfnisse und Probleme der Angestellten hinweist! Aber so schnell
geben wir nicht auf. Aufgrund des Fakts, dass uns mehrere
MitarbeiterInnen von buw über die unhaltbaren klimatischen
Bedingungen, die regelmäßig zu Notarzteinsätzen führen, berichtet
haben, haben Telefonzelle und FAU nun das Amt für Arbeitsschutz
(AfA) informiert. Wir fordern die Prüfung durch das AfA und die
evtl. Schließung der betroffenen Räumlichkeiten, selbstverständlich
bei Lohnfortzahlung für die von der Schließung betroffenen
KollegInnen.

Torsten Bewernitz (FAU
Münsterland)

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