Anonym auf Jobsuche

Fünf
Großunternehmen wollen demnächst mit anonymen Bewerbungen für mehr
Gleichberechtigung bei der Vergabe offener Stellen sorgen. Diese Idee
ist längst nicht neu und außerhalb von Deutschland seit Jahrzehnten
eine gängige Praxis. So verwundert es nicht, dass alle am
Modellversuch beteiligten Firmen im internationalen Handel tätig
sind. So etwa die Deutsche Telekom AG, die zwar an dem Versuch
teilnimmt, jedoch nur Stellen in der Kundenbetreuung für das
Auswahlverfahren vorgesehen hat. Außerdem beteiligt sind unter
anderem die Deutsche Post, Procter & Gamble, L’Oreal und der
Dienstleister Mydays. Die Bundesregierung hatte 30 Firmen
angeschrieben, die Resonanz ließ zu wünschen übrig.

Alter,
Geschlecht, Familienstand und Herkunft sind die häufigsten Gründe,
um aussortiert zu werden und in der Ablage zu landen. Das müssen
Menschen mit Migrationshintergrund und junge Mütter deutlich
feststellen, die oft schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt haben. Dabei
schreibt das Allgemeine Gleichberechtigungsgesetz (AGG) bereits seit
2006 vor, dass Alter, Geschlecht und Herkunft keine Kriterien für
die Auswahl von BewerberInnen sein dürfen. Die Praxis sieht
allerdings anders aus, wie z.B. die in Deutschland geborene Selen M.
aus Berlin erfahren musste: „Wenn ich mich am Telefon gleich mit
Namen vorstellte, dauerte das Gespräch nicht länger als eine
Minute. Als ich konsequent unhöflich meinen Namen zu Gesprächsbeginn
vermied, stieg die Zahl der Einladungen. Als ich dann vor Ort war,
hatte ich die Ausbildung eigentlich fast schon in der Hand.“ Eben
diese Vorurteile wollen die Unternehmen bekämpfen, da sie
andernfalls qualifizierte BewerberInnen von vornherein ausschließen.

Einige
deutsche Unternehmen bemängeln jedoch, dass die Umsetzung nur mit
großem Aufwand möglich sei. Alle eingehenden Bewerbungen müssten
erst geschwärzt werden. Außerdem stellt sich die Frage, wo die
Anonymisierung der Unterlagen beginnt und wo sie endet. So müssten
etwa Zeugnisse geschwärzt werden. Außerdem gäbe es den Effekt,
dass viel häufiger Nachfragen bestünden und so verstärkt
Bewerbungsgespräche geführt werden müssten. Genau darauf jedoch
zielen die Bemühungen der Bundesregierung, die über das
Bundesfamilienministerium ebenfalls an der Studie teilnimmt, nach
eigener Aussage ab. Sie entgegnet, dass lediglich die
Online-Formulare auf den Websites der Unternehmen verändert werden
müssten. Das Schwärzen von Papier-Bewerbungen ließe sich im
Vorzimmer erledigen.

Letztendlich
hängt es also von zwei Aspekten ab, ob sich diese neue Form der
Bewerbungsmöglichkeit durchsetzt: Zum einen müssen
ArbeitnehmerInnen diese Form der Bewerbung annehmen, zum anderen hat
es die Wirtschaft in der Hand. Bieten nur wenige Unternehmen das
anonyme Bewerben auf ihre offenen Stellen an, sind die Bemühungen
bezüglich der Einführung von Anonymbewerbungen umsonst.

Andreas
Potzlow

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar