Arbeitsplätze schaffen – mit Waffen

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Die IG
Metall gilt innerhalb des DGB als dessen linker Flügel. So übernahm
sie in der letzten Tarifrunde – wenn auch aufgeweicht – die
FAU-Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit (siehe auch den Artikel Die Erlösung der Parias?). In der Frage der Tarifeinheit ist sie wesentlich skeptischer
als der DGB, sogar über der Austritt aus diesem wurde in der IGM
schon mal nachgedacht. Auch in Sachen Antimilitarismus prescht sie
voran: „Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen darf nicht als
Argument gegen Abrüstung bzw. für mehr Rüstungsproduktion und
Waffenexport missbraucht werden“. So formulierte es die IG Metall
1989 auf ihrem 16. Gewerkschaftstag.

2010
klingt das ganz anders. Mit ungewöhnlich kämpferischen Tönen
kritisiert der Ingolstädter IGM-Bevollmächtigte Bernhard Stiedl,
nebenbei Aufsichtsratsmitglied beim Rüstungskonzerns EADS
Deutschland, die geplante Kürzung des Verteidigungsetats um bis zu
9,3 Mrd. Euro: „Wir werden als IG Metall diesem Streichkonzert
nicht tatenlos zusehen und deshalb dagegen mobilisieren und zu
Aktionen aufrufen“. Die Regierung will weniger Kampfhubschrauber,
Drohnen und Eurofighter einkaufen, wodurch laut IGM mittelfristig
15.000 und langfristig 30.000 Arbeitsplätze bedroht seien. Kampf für
die Rüstungsindustrie als Kampf gegen die Krise? In der Rhetorik der
IGM scheinen die Kürzungen im Rüstungsetat Bestandteil des
Sozialabbaus zu sein.

„Die
Branche ist geschrumpft, gleichzeitig werden die Produkte jetzt real
von der Bundeswehr eingesetzt“, betont Kai Burmeister, bei der IG
Metall zuständig für den Betriebsräte-Arbeitskreis „Wehrtechnik
& Arbeitsplätze“. Waffenproduktion ist also erstens nicht so
schlimm, wenn sie sowieso schon reduziert wurde, und vor allem dann
nicht, wenn der eigene Staat sie tatsächlich benötigt. Vor der
internationalen Solidarität kommt also immer noch die Sorge um das
Vaterland, nicht nur, was dessen Arbeitsplätze, sondern auch, was
die Staatsräson betrifft.

Derselbe
Burmeister betont im Neuen Deutschland:
„Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung. Dahinter stehen
unserer Mitglieder“, doch das tut nichts zur Sache, denn „die
Gefährdung von Arbeitsplätzen im Rüstungsbereich ist nicht
hinzunehmen“. Dies meint zumindest die Spitze der IG Metall, denn
ob die Mitglieder hier zustimmen, sei dahingestellt. Burmeister ist
Pragmatiker, wie es sich für einen Sozialdemokraten gehört: Das
„beschäftigungspolitisch Machbare“ hat ein Primat über das
„friedenspolitisch Wünschenswerte“.

Welch
ein Hohn auf den angeblichen Wert der „Völkerverständigung“! Es
geht hier um nichts anderes als um die Rettung der deutschen
Wirtschaft auf Kosten von Menschenleben in anderen Teilen der Welt.
Das macht Burmeister ganz klar: „Richtig ist auch, dass für uns in
dieser Krise die Sicherung von Arbeitsplätzen oberste Priorität
hat. Das gilt für alle Industriezweige und damit auch für die
Wehrtechnik, wo die Arbeitsplätze natürlich von den
Verteidigungsausgaben abhängen“. Ob die IG Metall diese Forderung
bei dem nächsten traditionell von den Gewerkschaften unterstützten
Ostermarsch vor sich her tragen möchte?

Doch
die Argumentation Burmeisters greift auch in sich zu kurz. Selbst
während der hohen Gewinnsteigerungen von 2002 bis 2003 und der
Rekordauftragslage für EADS im Jahr 2003 wurden Stellen im
Rüstungssektor gestrichen (vgl. DA #181). Selbstverständlich hat
die Nachfrage einen Einfluss auf die Produktion, aber dies ist eben
nicht der einzige Aspekt der Arbeitsplatzvergabe.

Gerade
in der momentanen Krise sind die Gewerkschaften in Deutschland auf
internationale Kooperation zwischen den Gewerkschaften angewiesen. Es
zeigt sich, dass „Arbeiterklasse“ kein nationales Phänomen,
sondern Teil einer globalen Struktur ist. ArbeiterInnen sind nicht
nur die ProduzentInnen von Rüstungsgütern, sie sind auch das
internationale Kanonenfutter, das diese Rüstungsgüter später
nutzen soll. Die ArbeiterInnen in Deutschland wussten das z.T. nach
beiden Weltkriegen und reagierten entsprechend.

„Wir
finden es nicht gut, wenn mit deutschen Steuergeldern ausländische
Rüstungsgüter gekauft werden. Wir hätten die Wertschöpfung lieber
in Deutschland“ – so klingt das dagegen heute aus dem Mund von
Bernhard Stiedl. Kurz und knapp: Die IG Metall steht voll und ganz
hinter Vaterland und Marktwirtschaft. Wir sehen die
DGB-Gewerkschaften schon Hand in Hand mit RWE, e.on und Vattenfall
gegen die Stilllegung der Atomkraftwerke protestieren …

Teodor Webin

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