Drei, zwei, eins: Meins

Streik bei der Bahn (Quelle: flickr.com/mkorsakov)

Drei
Gewerkschaften, zwei Streiks und eine Branche. Der bundesweite
Tarifstreit bei der Bahn und der Streik bei der Münchner
Verkehrsgesellschaft (MVG) hatten bislang wenige
Überschneidungspunkte. Ende Oktober traten beide Konflikte nun vor
allem im Großraum München gleichzeitig zutage.

Die GdL
hatte bereits Ende September ihre Mitglieder in München, Augsburg,
Nürnberg, Erlangen und Fürth zu einem unbefristeten Streik
aufgerufen. Hintergrund war, dass die MVG weder die Zeiten, die
innerhalb der Schicht für Wege zum nächsten Einsatzort aufgewendet
werden müssen, noch die Vor- und Nachbereitung der Fahrzeuge als
Arbeitszeit anrechnet. Die Fahrer müssen daher trotz 38,5
Stunden-Woche 42 bis 43 Stunden pro Woche anwesend sein.

Machtkampf in München

Im Münchner
Streik wurde die GdL von der ver.di-Führung heftig kritisiert.
Gegenüber der TZ warf
ver.di-Verhandlungsführer Frank Riegler der GdL vor, mit dem Streik
während des Oktoberfests „die Verhältnismäßigkeit der Mittel
wirklich heftig überschritten
zu haben. Diese Haltung dürfte
vor allem zwei Ursachen haben. Erstens gehen die GdL-Forderungen
weiter in Bezug auf die Arbeitszeiten über
den ver.di-Tarifvertrag hinaus, der 3,5% mehr Lohn und eine
Einmalzahlung von 240 Euro vorsieht. Zudem sind einige
Lokalpolitiker, wie Oberbürgermeister
Christian Ude (SPD) ebenso ver.di-Mitglied wie MVG-Verhandlungsführer
Reinhard Büttner, sodass
sie nicht nur auf der anderen Seite des Verhandlungstisches, sondern
in direkter Konkurrenz zur GdL stehen. Eine Spitze in dem Konflikt
war der Präsentkorb
von Stadt, Brauern und MVG an die FahrerInnen, die nicht gestreikt
hatten bestehend aus
einem Sixpack Bier, einem Bierglas mit MVG-Logo und einem
Glückspfennig.

Während so in München
die Konkurrenzsituation besonders deutlich wurde, erklärte das
Landesarbeitsgericht die GdL-Streiks in Nürnberg, Fürth und
Erlangen direkt für rechtswidrig. In einer einstweiligen Verfügung
wurde der dbb-Tarifunion, in der die GdL Mitglied ist, untersagt, die
Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) weiter zu bestreiken. Die
Arbeitsrichter begründen dies mit der Existenz eines gültigen
Haustarifvertrages, in dem wesentliche Forderungen der GdL bereits
geregelt seien, hieß es in der Urteilsbegründung. Die GdL beraumte
in eben diesen Städten bereits am 29.09 eine Streikpause ein. „Nun
setzen wir auch ein Zeichen gegenüber den stark in Mitleidenschaft
gezogenen Fahrgästen in Nürnberg und Augsburg,
begründete Willi Russ,
zweiter Vorsitzender der dbb tarifunion, die Entscheidung.

Obwohl der Streik
offiziell ausgesetzt war, traten laut MVG zahlreiche GdL-Mitglieder
nicht zum Dienst an und meldeten sich krank. So entstand die paradoxe
Situation, dass trotz Aussetzung des Streiks mit Notfahrplänen
operiert werden musste und der Ablauf im ÖPNV weiterhin
eingeschränkt blieb.

Im Zuge der
Auseinandersetzung wechselten zahlreiche Mitglieder von ver.di zur
GdL. Die genauen Ziffern gehen auseinander, Spiegel
Online
gibt mit Quelle GDL 300 Personen an, ver.di spricht
von 100. In Anbetracht der zunehmenden Konkurrenzsituation, in der
sich die großen Gewerkschaften befinden, stellt das in jedem Fall
einen empfindlichen Stoß dar.

Parallele
Streiks

Die GdL
hatte sich mit ihrem Streik von 2007 und 2008 die Hoheit über alle
tarifpolitischen Fragen bezüglich der Lokführer erkämpft. Darüber
war man bei Transnet und GDBA seinerzeit nur mäßig begeistert;
inzwischen haben sich beide zur Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft
zusammengeschlossen, die im Dezember ihre Arbeit aufnehmen wird. Als
Tarifgemeinschaft sind letztere Gewerkschaften bereits tätig, die
GDL verhandelt für die Lokführer dagegen allein. Deshalb verhandeln
momentan die drei Gewerkschaften parallel mit den sechs großen
Privatbahnen – Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische
Landesbahn – sowie der Deutschen Bahn über einheitliche
Tarifstandards.

Transnet und GDBA haben
einen bundesweiten Warnstreik beschlossen, um einen
Branchentarifvertrag für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zu
erreichen. Die GdL beteiligt sich jedoch nicht daran und verhandelt
stattdessen über einen neuen Flächentarifvertrag für
Lokomotivführer und Zugbegleiter. In einem Schreiben an die
Mitglieder dazu erklärt der GdL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky,
dass er den Streik als „sittenwidrig
ansieht und deshalb gearbeitet werden sollte: Aufgrund
des bisherigen Verhandlungsverlaufs sehen wir derzeit aber keine
Notwendigkeit zum Aufruf von Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Tarifverhandlungen werden am 24. November 2010 in Berlin
fortgesetzt.

In Bayern
hingegen ist die Streikfreudigkeit der GdLer um einiges größer. Den
landesweiten Warnstreik im ÖPNV am 26. Oktober legte die GdL wohl
nicht umsonst auf den gleichen Tag, an dem Transnet und GDBA auch
ihren Streik durchführten. Als Reaktion darauf warf der MVG-Chef
Herbert König der GdL vor, „von allen guten Geistern verlassen
zu sein. Ihr sei jedes
Mittel recht, um Schlagkraft zu demonstrieren und ein maximales Chaos
anzurichten. König
kritisierte vor allem, dass die Streiks an einem Tag stattfinden, an
dem auch bei der Deutschen Bahn gestreikt werde und an dem zusätzlich
ein Fußballspiel
stattfindet.

Auch Oberbürgermeister
Ude ist wütend und droht: „Wenn ein Arbeitskampf so geführt wird,
wie die GDL es tut – ohne Ankündigung, ohne Notfallvereinbarungen
und mit Krankmeldungen – dann wird die Aussperrung zu einer
aktuellen Frage.“

Julia Hoffmann

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