Mehr als nur Streik und Aussperrung

Alfred_Hitchcock_Sabotage.jpgIn Deutschland
wird der Arbeitskampf traditionell als Tarifauseinandersetzung
gedacht. In diesem Rahmen treten die gewerkschaftlichen Vertreter des
Arbeitskampfes einerseits extrem verbalradikal auf, indem sie zum
Beispiel behaupten, nicht unter bestimmte Forderungen zu gehen, oder
dadurch dass sie mit „französischen Zuständen“ drohen.
Andererseits wird selbst der klassische Streik, das „Rausgehen“
bis zum letzten Moment hinausgezögert und wenn möglich gar ganz
vermieden. Das Ganze ist der Ideologie geschuldet, wonach ein offener
Arbeitskampf nur die „ultima ratio“ und eben nicht das
naheliegendste Mittel der Arbeiterschaft wäre. Auf der anderen Seite
können auch die Bosse und ihre Verbände einen Arbeitskampf führen.
In den „heißen Phasen“ ist ihr gerichtlich anerkanntes
Instrument die sogenannte Aussperrung.

Jenseits von
Verhandlung, Schlichtung, Streik und Aussperrung gibt es jedoch
zahlreiche weitere Methoden des Arbeitskampfes. So verstehen sich die
Bosse sehr gut darauf, das Kampfterrain kurzerhand zu verlegen: raus
aus dem Betrieb, hinein in die Gerichte. Oftmals hagelt es förmlich
Klagen vor den verschiedensten Gerichten und auch einstweilige
Verfügungen mit den wahnwitzigsten Inhalten sind ihr Begehr. Den
kämpfenden Belegschaften und ihren Organisationen soll und wird so
nur allzu oft eine langwierige und kräftezehrende Spiegelfechterei
vor angeblich neutralen Gerichten und auf Grundlage ebensolcher
Gesetze aufgezwungen. Weitere Mittel, um klassische
Arbeitskampfmaßnahmen der ArbeiterInnen zu sabotieren, sind zum
Beispiel die Befristung von Verträgen, mit der Gefahr, dass diese
vor, während oder nach einem Arbeitskampf einfach nicht verlängert
werden, oder auch die Gestaltung des Dienstplanes und die
(Nicht-)Zuweisung von Schichten.

Zum Glück ist
die Arbeiterschaft aber nicht machtlos. So können sowohl die in
Gewerkschaften organisierten als auch die sog. unorganisierten
Beschäftigten auf einen weit größeren Fundus an Maßnahmen
zurückgreifen, als gemeinhin angenommen wird. Einige dieser
Maßnahmen sind so spektakulär, dass sie es bis in die
Mainstream-Medien schaffen. Dazu gehört zum Beispiel das sog.
„Bossnapping“, das wir aus Frankreich kennen. Andere Maßnahmen
scheinen weniger spektakulär, sind in Zeiten sich verschärfender
Auseinandersetzungen aber vielleicht insgesamt richtungsweisend. In
diese Kategorie fallen zum Beispiel eine Reihe von
Betriebsbesetzungen, die es in den letzten Jahren wieder verstärkt
in Europa und sogar Deutschland gegeben hat. Betriebsbesetzungen
verhindern zum Beispiel den Einsatz von Streikbrechern, und sie
bieten sogar die Perspektive einer selbstorganisierten Produktion.
Kämpferische Gewerkschaften setzen auch schon mal auf Boykott.
„Dienst nach Vorschrift“ und „Bummeln“ sind ebenfalls
Taktiken sowohl des alltäglichen betrieblichen Guerillakampfes als
auch im „heißen Arbeitskampf“. All diese Maßnahmen werden
besonders dann ergriffen, einzeln oder in Kombination, wenn ein
offener Streik nur wenig Aussichten auf Erfolg hat. So kann das
gezielte Bummeln, kollektiv angewendet, einen erheblichen Druck auf
den Boss ausüben, ohne dass er dabei Einzelnen etwas vorwerfen
könnte.

In den 1980/90er
Jahren rieten die „glücklichen Arbeitslosen“ ihren
lohnarbeitenden KollegInnen in einer Broschüre, dass sie „Lieber
krank feiern als gesund schuften“ sollten. Leider wurde dieser Rat
in Deutschland wohl noch nie kollektiv und systematisch eingesetzt.
Nicht nur, dass die Gewerkschaft damit von der Zahlung des
Streikgeldes befreit wäre, da ja der Boss im Krankheitsfall die
Löhne weiterzahlen muss; damit entstehen dem Boss sogar zusätzliche
Kosten, da er ja für die Zeit neue Leute als Vertretung einstellen
muss.

In diesem Sinne:
„Wenn sie nur so tun als würden sie uns bezahlen, tun wir nur so
als würden wir arbeiten!“

Rudolf Mühland

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