Das Gleiche in grün

Protest vor der Green Way-Filiale in Wroclaw. Quelle: ZSPIn
der Gastronomie sind prekäre Bedingungen, unregelmäßige
Arbeitsverhältnisse, Dumpinglöhne und unbezahlte Überstunden
bekanntlich an der Tagesordnung. Ein Teil der Branche inszeniert sich
dennoch gerne als öko, vegetarisch, nachhaltig oder fair, um hippe
Lohas-AnhängerInnen anzusprechen, denn inzwischen ist auch das gute
Gewissen käuflich. Dass es hinter den Kulissen der grünen
Unternehmen oft nicht anders zugeht als bei ihren „konventionellen“
Gegenstücken, prangert die polnische Basisgewerkschaft ZSP (Union
der polnischen Syndikalisten) mit einer Kampagne gegen Green Way an,
einer Kette vegetarischer Restaurants, die in Polen und Österreich
zahlreiche Filialen unterhält.

Ende
Januar 2010 beschlossen einige aktuelle und ehemalige ArbeiterInnen
der Green Way-Filiale in Wrocław, die miesen Arbeitsbedingungen in
der dortigen unter Franchise betriebenen Filiale nicht länger
hinzunehmen. In dem Restaurant war es üblich, vor einer Anstellung
erst einmal zur Probe zu arbeiten, und das bis zu sechs Tage lang und
bei zwölfstündigen Schichten. Unbezahlt. Neben diesem eindeutigen
Verstoß gegen das Arbeitsrecht wurden außerdem Arbeitszeiten nicht
sauber erfasst und die Ableistung unbezahlter Überstunden erzwungen.
In einigen Fällen war nicht einmal die Vergütung im Arbeitsvertrag
geregelt, sondern festgelegt, dass das Gehalt „je nach Leistung“
willkürlich vom Chef festgelegt werden konnte.

Die
ArbeiterInnen von Green Way kamen mit der ZSP in Kontakt, die bereits
in andere Konflikte um unbezahlte Probeschichten involviert gewesen
war. So wurde eine Kampagne gestartet, um über die Rechte von
ArbeiterInnen aufzuklären. Zielgruppe waren vor allem junge
ArbeiterInnen und Studierende, die häufig Opfer prekärer und
rechtswidriger Arbeitsbedingungen werden.

Nach
dem Beginn der Kampagne wurden schnell weitere Missstände bei Green
Way offensichtlich, als sechs ehemalige ArbeiterInnen der Filiale in
Wroclaw an die ZSP herantraten, die eine Entschädigung und ein Ende
der ausbeuterischen Praktiken der Restaurantkette forderten. Um die
Forderungen der Betroffenen durchzusetzen, kontaktierte die
Gewerkschaft die Leitung von Green Way. Unter anderem forderte sie
die Aufnahme eines Verhaltenskodex in Bezug auf das Arbeitsrecht in
die Franchiseverträge. Der Direktor der Kette lehnte die Forderung
mit der Begründung ab, dass er seine Franchisenehmer nicht
kontrollieren könne, obwohl in den Franchiseverträgen zahlreiche
Bedingungen bezüglich des Angebots an Speisen, der Gestaltung und
des Ortes der Restaurants festgelegt sind.

Daraufhin
rief die ZSP zum Boykott von Green Way auf und verteilte
Infomaterialien vor einigen Filialen. Bei dem ersten Protest in
Warschau rief der dortige Restaurantbesitzer den Direktor des
Unternehmens an, der zusicherte, sich um die Missstände in Wroclaw
kümmern zu wollen. Doch das stellte sich als Lüge heraus. Die
ehemaligen ArbeiterInnen wurden nicht bezahlt, ganz im Gegenteil.
Eine Kollegin, die im Radio öffentlich über die Vorgänge bei Green
Way gesprochen hatte, erhielt einen Drohbrief der Green Way-Anwälte,
in dem ihr Strafanzeigen angedroht wurden. Die Vorwürfe lauteten
unter anderem auf Erpressung und üble Nachrede, letzteres wegen
einem nicht von ihr verfassten Artikel im Internet, und der Drohung,
dem Geschäft der Restaurantkette zu schaden. Hätten diese Anklagen
eine juristische Grundlage, würden sie sich auf bis zu 14 Jahre Haft
summieren. Zusätzlich drohten die Anwälte damit, ihre Universität
über ihre angeblichen „anarchistischen Aktivitäten“ zu
informieren.

Inzwischen
hat die Kampagne erste Erfolge erzielt. Höchstwahrscheinlich wird
die unbezahlte Probearbeit abgeschafft und die ausstehenden
Forderungen der ArbeiterInnen in Wroclaw beglichen. Die Problematik
der prekären Arbeitsbedingungen ist aber schwieriger zu lösen. Die
meisten ArbeiterInnen bei Green Way sind Studierende, es herrscht
eine hohe Fluktuation; viele neigen dazu, nur übergangsweise in den
Restaurants zu arbeiten. Im besten Fall warten die Studierenden bis
zum Ende des Semesters ab, um in den Semesterferien zu besseren
Bedingungen im Ausland zu arbeiten. Die Organisierung wird durch
diese Umstände ungemein erschwert, insbesondere weil es bislang
keine positiven Beispiele in diesem Bereich gibt. Diese Kampagne der
ZSP ist der erste Versuch in diese Richtung im postkommunistischen
Polen.

Zusätzlich
stellt die unkritische Haltung einiger AktivistInnen gegenüber dem
grünen Kapitalismus ein weiteres Problem dar. Einige AktivistInnen
versuchten sogar, die ArbeiterInnen davon zu überzeugen, dass die
Förderung der vegetarischen Lebensweise wichtiger als ihr
Arbeitskampf wäre. Außerdem ist die Erwerbslosigkeit in Polen sehr
hoch, vor allem jüngere Leute und Studierende suchen händeringend
nach Jobs. Viele von ihnen wissen zwar, dass ihre Arbeitsbedingungen
nicht in Ordnung sind, aber die Angst, ihre Jobs und ihr Einkommen zu
verlieren, wiegt oft schwerer als dieses Bewusstsein.

Bis
jetzt wurden also einige der Missstände bei Green Way tatsächlich
beseitigt, allerdings dauern andere an. Die prekären Bedingungen
werden bestehen bleiben, bis sich das Bewusstsein einer größeren
Anzahl von ArbeiterInnen verändert hat, so dass sie eine offen
arbeitende Gewerkschaft bilden können, die in Zukunft aufgebaut
werden muss. Wir hoffen, dass die Kampagne gegen Green Way neben
einigen konkreten Ergebnissen auch diese Notwendigkeit und
Möglichkeit ins Bewusstsein rücken wird.

ZSP-IAA

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