Sans papiers en France

Demonstration gegen die Einweihung des „Nationalen Museums der Einwanderung“, die so verhindert werden konnte (30. März 2009, Quelle: CNT-F)

Der Kampf illegalisierter
Migrantinnen und Migranten für reguläre Aufenthaltsgenehmigungen
hat gerade in einem Land mit einer kolonialen Vergangenheit wie
Frankreich lange Traditionen. Bereits 1980 gab es erstmalige Streiks
in der Pariser Textilindustrie. Damals mit Unterstützung der
Gewerkschaft CFDT. Größere Bedeutung bekamen die Kämpfe allerdings
erst ab 1996 mit der Verschärfung der Aufenthaltsgesetze und dem
Entstehen der über Frankreichs Grenzen hinaus bekannt gewordenen
Bewegung der „sans-papiers“. Diese hat die jetzige Streikbewegung
erst ermöglicht. Bereits damals wurden wichtige Erfahrungen durch
konkrete Aktionen gewonnen sowie die für heute so wesentliche
Vernetzungsarbeit geleistet werden. Waren die Migrantinnen und
Migranten zuvor lediglich „Illegale“, hat sich in dieser Zeit ein
Bewusstsein und eine Identifikation als „sans-papiers“
herausgebildet. Entscheidend war hierbei die Tatsache, dass nicht nur
in den migrantischen Kollektiven, sondern auch innerhalb der
französischen Gesellschaft ein Bewusstsein dafür entstand, dass es
sich bei den MigrantInnen um einen integralen, arbeitenden und
Steuern zahlenden Teil der Gesellschaft handelt, der allein auf Basis
bestimmter Gesetze seiner Rechte beraubt war.

Während die
„sans-papiers“ 2005 vorwiegend um ihre Anerkennung als Eltern
französischer Kinder und damit um ihre Wahrnehmung als Teil der
Gesellschaft kämpften, verstehen sie sich seit 2007 zunehmend auch
als Arbeiterinnen und Arbeiter. Auch wenn ihre Arbeitsverhältnisse
in der Regel in prekären Bereichen wie der Gastronomie oder dem
Reinigungssektor angesiedelt sind, bedeutet das nicht, dass es sich
um Schwarzarbeit handelt: Sie haben Arbeitsverträge, zahlen Beiträge
zur Sozial- und Rentenversicherung sowie Steuern. Der Bezug von
Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder gar Rente bleibt ihnen jedoch
verwehrt. Das einzige Recht, in dessen Genuss sie allerdings kamen,
war – als Arbeiterinnen und Arbeiter – das französische
Streikrecht. Wo vormals besetzte Kirchen geräumt werden konnten,
können die bestreikten Arbeitsplätze gehalten werden.

Die Wahl des Streiks als
Mittel – und zwar nicht nur für die unmittelbare Verbesserung der
Arbeitsbedingungen, sondern gleichzeitig für die Legalisierung ihres
Aufenthaltes – ist somit zum Bindeglied zwischen MigrantInnen und
Gewerkschaften geworden. Auch wenn diese Verbindung nicht immer
reibungslos verlaufen ist (siehe Direkte Aktion Nr. 197), führte sie
nicht nur zum Schutz der migrantischen Streiks, sondern sollte auch
positive Effekte für die Gewerkschaftsbewegung selbst haben. Während
die migrantischen Arbeiterinnen und Arbeiter erstmals seit 1996 die
Möglichkeit hatten, sich öffentlich Gehör und Respekt zu
verschaffen, konnten sich die Gewerkschaften neuen Themen wie
Migration und prekären Arbeitsverhältnissen – also Bereichen, in
denen sie vorher wenig vertreten waren, – öffnen. Auch hat die
Bewegung die teils verkrusteten Strukturen der Gewerkschaften
aufgebrochen, zur Dezentralisierung des Apparates sowie zum Bruch mit
dem oftmals vorherrschenden Branchenegoismus geführt und das
Augenmerk von einem ehemals rein anti-rassistischen hin zu einem eher
integrativen Klassenstandpunkt geführt.

Die Bewegung bringt
einiges an wichtigen Neuerungen mit. Jedoch bleibt die Lage der
französischen Migrantinnen und Migranten weit davon entfernt, die
Defensive verlassen zu können, allein schon aufgrund neuerlicher
gesetzlicher Verschärfungen, die in nächster Zeit verabschiedet
werden sollen. Zwar hat sich der Streik als notwendiges und wichtiges
Mittel in der Auseinandersetzung um die „Legalisierung“
migrantischer Arbeiterinnen und Arbeiter gezeigt, aber der Kampf der
Migrantinnen und Migranten in Frankreich wird – so sich die
Streikbewegung in Europa nicht ausweitet – angesichts der
gemeinsamen europäischen Migrationspolitik ein Kampf Davids gegen
Goliath bleiben.

Claire Flécher

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