Willkommen in der Mitte!

Ein Kommentar von Sebastien Nekyia (Zeichnung: Findus)

Im Oktober erschien die
Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte in der Krise“,
welche die steigende Zustimmung zu rechten Positionen in der breiten
Bevölkerung erneut offenlegte. Soweit, so
bekannt. Die Studie bietet aber mehr als bloß Zahlen, die die Medien
zumeist oberflächlich aufgreifen. Trotz der Verwendung des
schwierigen „(Rechts-)Extremismusbegriffs“, findet zu Anfang der
Studie immerhin eine angemessene Auseinandersetzung mit dieser
Begrifflichkeit statt. Auch überzeugt die Studie durch theoretische
Hintergründe, zieht den „autoritären Charakter“ und
Faschismusanalysen heran. Für die staatlich forcierte,
unwissenschaftliche Extremismustheorie von Backes, Jesse, VS und Co.
bedeutet die Studie eine gehörige Klatsche. Zu sehr sind diese darum
bemüht, eine brave Mitte und böse Ränder zu konstruieren.

Bereits
in den 1950er-Jahren hatte der Soziologe Seymour Martin Lipset mit
seiner Theorie des „Extremismus der Mitte“ weitreichende
Erklärungsmuster für den Aufstieg des Nationalsozialismus liefern
können. Eben gerade in der „Mitte“ der Gesellschaft bestehe der
Nährboden für faschistische, xenophobe und nationalistische
Tendenzen. Die aktuelle Studie zeichnet wiederholt ein ernüchterndes
Bild: Soziale Deprivation, der immanente autoritäre Charakter in der
Gesellschaft und eigene Angstkompensationen – in Zeiten der Krise
sind die Menschen anfälliger denn je für rechtes Gedankengut
.

Ein extremer Eugeniker
wie Thilo Sarrazin schreibt einen Bestseller. Laut einer
Emnid-Umfrage würde jeder 5. Deutsche seine Partei wählen, wenn er
doch nur rechts von der SPD eine gründen würde. Und dennoch folgt
dem großen Schock der demokratischen Mitte in kürzester Zeit wieder
die Geschichtsvergessenheit. Typisch deutsch? Knapp einen Monat
später schrieb im Übrigen ein SPD-Bürgermeister aus Krauschwitz
in Sachsen-Anhalt, das ein NPD-Parteitag „beinahe so aussähe, wie
ein SPD-Parteitag“. Na, da kann man doch sagen: Willkommen in der
Mitte!

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar