„Alle Komparsen auf Anfang“

Komparsen kurz vor dem EinsatzDie Arbeit als
KleindarstellerIn oder Komparse kann ein netter Nebenverdienst sein.
Zehntausende sind in Agenturen eingeschrieben, welche sie dann an
Produktionen weitervermitteln. Viele hoffen illusorisch auf ihren
Durchbruch, andere wollen sich zu Hartz IV das erlaubte bisschen
hinzuverdienen oder die Rente aufstocken. Wieder andere machen dies
neben dem Studium lieber als zu kellnern. Doch alledem ist gleich:
Man ist prekärer Tagelöhner, und sollte nicht allzu wählerisch
sein. Der Filmbereich ist, wie die Kulturbranche insgesamt, von
prekären Arbeitsbedingungen durchzogen. Gerade im darstellerischen
Bereich sind die Bedingungen, zu denen man arbeitet, meist nebulös
und intransparent geregelt. Die Tätigkeit als solche ist selten als
regulär zu bezeichnen.

Während die Bedingungen
für KleindarstellerInnen erwartungsgemäß weder rosig sind noch
besser werden, beklagen mittlerweile sogar SchauspielerInnen vermehrt
die schlechter werdenden Konditionen. So klagt der Bundesverband der
Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) über aufkommende „Dumpinglöhne“
und immer niedrigere Gagen – und hat deswegen eigens eine Kampagne
initiiert. Die Gagen der SchauspielerInnen liegen zwar noch bei
stolzen 300 bis 350 Euro am Tag, jedoch seien Vorbereitung und
Nachbereitung, Pressearbeit und Ähnliches unbezahlte Tätigkeiten
und die Abzüge noch nicht inbegriffen. Ebenso haben
SchauspielerInnen generell nur temporäre Arbeitsverhältnisse und
keine Einkommensgarantien in Form permanenter Filmarbeit. Während
SchauspielerInnen also mit dem Risiko ihres Berufes leben müssen und
dabei ausgesprochen gut oder ausgesprochen schlecht wegkommen, so
bleibt Komparserie ein Berufsfeld, das zur Nebentätigkeit
prädestiniert ist.

Das Profil

Filme und Serien werden
am laufenden Band produziert. Hinter dem oftmals so hellen Schein
eines Filmdrehs verbirgt sich knallhartes Workflair, bei dem v.a. die
Akteure hinter der Kamera und die Komparsen industriell zu
funktionieren haben. Vielen sollte schnell klar werden, was sie sind
am Drehort – ein Rädchen im Produktionsprozess. Komparsen sind per
Definition „Film- und Fernsehschaffende, deren darstellerische
Mitwirkung die filmische Handlung nicht wesentlich trägt und die ihr
kein eigenpersönliches Gepräge gibt“. Vermittelt über Agenturen,
aber unverbindlich in der Auftragsannahme, bewegen sich
KleindarstellerInnen und Komparsen zwischen Tagelöhnertum und
Selbstständigkeit. Die Stimmung am Set bewegt sich auf einer dünnen
Linie zwischen Familienbande und Kastensystem. Auch der Umgang mit
Komparsen variiert unter den jeweiligen Bedingungen der Produktion
und kann vom respektvollen Umgang bis zum Rumkommandieren reichen.
Auf welcher Stufe man in der Hierarchie am Set steht, daran aber wird
stets kein Zweifel gelassen.

Gerade bei
Serienproduktionen ist die Segregation der Hierarchien besonders
spürbar. Komparsen stehen nur mickrige Ruheräume zur Verfügung,
sie haben oftmals keine Verpflegung außer Getränken und kennen
ständige Wartezeiten, in denen man auf Abruf bereit sein muss, ohne
besonders integriert zu sein. Für die Filmteams bedeutet das
permanente Fluktuation, für die Komparsen permanente Flexibilität,
und zwar nicht im Sinne der Darstellung, sondern der zeitlichen
Einsetzbarkeit. Hinzu kommen Anonymität und Vereinzelung aufgrund
der ständig neu zusammen gewürfelten Komparsen-„Belegschaft“.

Nun ist dieser Ablauf der
meist unumgängliche Alltag eines Filmdrehs. Die Komparsen kriegen
oft nur das klarer zu spüren, was auf allen lastet: Stress,
Zeitdruck und zu geringe Budgets. Doch entscheidend ist die Eigen-
und Fremdwahrnehmung der Komparsen und KleindarstellerInnen. Denn
trotz allem sind sie ein ebenso unverzichtbarer Bestandteil des
Produkts „Film“ und sollten ihre Rolle als MedienarbeiterInnen
realisieren. Gerade deren häufig naive und verklärende
Herangehensweise und damit die geringe Reflexion des Berufsstandes
machen das immer weitergehende Drücken von Gagen und Zuschlägen –
aber auch deren Intransparenz – erst möglich.

Sebastien Nekyia

 

Mit der
Erosion der Gagen, der problematische Stellung von Komparsen im
Arbeitsablauf, der Verteilungsfrage und Handlungsoptionen beschäftigt
sich der nächste Teil in der kommenden DA
.

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