Militärische Rohstoffsicherung

Die Bundeswehr wirbt auf Messen – hier im Frühjar 2010 in Kassel – um Zustimmung für ihre Rohstoffkriege (Bild: Michael Schulze von Glaßer)

Die
Sicherung der Handelswege und der Rohstoffquellen sind ohne Zweifel
unter militärischen und globalstrategischen Gesichtspunkten zu
betrachten“, so Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg
(CSU) Anfang November in seiner Eröffnungsrede der „Berliner
Sicherheitskonferenz“, der deutschlandweit größten Konferenz zur
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der frühere
Bundespräsident Horst Köhler hatte wegen einer vergleichbaren
Äußerung noch herbe Kritik einstecken müssen, in deren Folge er
zurücktrat. Kritik an der Aussage zu Guttenberg wird hingegen kaum
von den Medien aufgenommen. Warum auch? Die militärische
Rohstoffsicherung wurde bereits 1992 vom damaligen
Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) in den
„Verteidigungspolitischen Richtlinien“ festgeschrieben:
„Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten
Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer
gerechten Weltwirtschaftsordnung“ gehören zu den vitalen
Sicherheitsinteressen Deutschlands, heißt es in den Richtlinien. Im
aktuellen strategischen Konzept der Bundeswehr, dem „Weißbuch zur
Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr 2006“
heißt es ebenfalls: „Deutschland hat aufgrund seiner immer engeren
Verflechtung in der Weltwirtschaft besonderes Inter­esse an
internationaler Stabilität und ungehindertem Warenaustausch. Wie
viele andere Länder ist es in hohem Maße von einer gesicherten
Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab
abhängig […]. Verwerfungen im internationalen Beziehungsgefüge,
Störungen der Rohstoff- und Warenströme, beispielsweise durch
zunehmende Piraterie, und Störungen der weltweiten Kommunikation
bleiben in einer interdependenten Welt nicht ohne Auswirkungen auf
nationale Volks­wirtschaft, Wohlstand und sozialen Frieden.“

Warum
gab es bei Köhler also einen solchen Aufschrei und bei zu Guttenberg
nicht? Es liegt wohl vor allem daran, dass die militärische
Rohstoffsicherung zwar schon lange in den Konzepten der Bundeswehr
steht, diese bisher aber nie als offizieller Grund für
Militärinterventionen eingebracht wurde – offiziell ging es immer
nur um humanitäre Hilfe, den Kampf gegen Piraterie oder höchstens
noch um den allgemeinen Kampf gegen den Terror. Horst Köhler sprach
den wahren Grund für viele heutige Bundeswehr-Auslandseinsätze aus
und schockte die deutsche Gesellschaft. Nachdem sich Köhler nahezu
„geopfert“ hat, ist nun Medienstar zu Guttenberg an der Reihe,
die deutsche Bevölkerung an die deutsche Wirtschaftskriegsführung
zu gewöhnen – und das sehr erfolgreich.

Wer
der Bundesrepublik seine Rohstoffe nicht geben will oder den Zugang
zu Rohstoffen erschwert, muss damit rechnen militärisch angegangen
zu werden. Dies wurde sogar bereits praktiziert: Im Dezember 2008
startete am Horn von Afrika die EU-Militärmission „Atalanta“
unter deutscher Beteiligung. Das Militär soll dort (somalische)
Piraten daran, hindern (westliche) Schiffe zu kapern – der
Handelsweg soll sicher gemacht werden. Das Problem liegt aber
woanders und die Piraten sind nur ein Symptom: Seit Jahrzehnten
plündern große Fischtrawler das Meer vor Somalia. Die Trawler
kommen aus den USA, der EU und auch China und werden teilweise sogar
von den Staaten subventioniert. Zudem wurde die Meeresregion durch
die großen Schiffe stark verschmutzt, was den Fischbestand ebenfalls
verringerte. Die einheimischen Küstenfischer konnten mit den
High-Tech-Trawlern nicht mithalten und fingen immer weniger Fisch.
Dies ging so weit, bis sie sich und ihre Familien nicht mehr ernähren
konnten. So suchten sie einen anderen Weg der Geldbeschaffung und
wurden in die Piraterie gedrängt. Die Militärmission „Atalanta“
bekämpft also nur ein selbst provoziertes Symptom der (besonders
westlichen) Politik. Die Kriegsführung um Rohstoffquellen und
Handelswege zementiert die Ungleichheit zwischen reichen und armen
Nationen.

Michael
Schulze von Glaßer

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