Prekär bis in den Tod

Die Rente soll nach
jahrzehntelangem Schuften ein sicherer Hafen sein, in dem man seinen
Ruhestand genießen kann. Dieses Bild bekommt jedoch immer mehr
Risse. „Wenn ich alt bin, gibt es eh keine Rente mehr“ ist zum
geflügelten Wort geworden. Und wahrscheinlich sollten wir uns
wirklich besser warm anziehen.

Ab 2012 soll die
Lebensarbeitszeit schrittweise angehoben werden, so dass ab 2029 die
Rente mit 67 Realität wäre. Grundlage dieser Änderung ist das 2007
von CDU und SPD verabschiedete „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“.
Für die meisten bedeutet Rente mit 67 schlicht Rentenkürzung, da
kaum jemand gegen Ende des Erwerbslebens in die Rentenkasse einzahlen
kann. Die Chancen von älteren Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt sind
miserabel: Im März 2010 hatten nur 8,3 % der 64jährigen Männer und
3,4 % der Frauen eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verspricht mehr Arbeit für
die Älteren. Aber wie lange hält man durch, wenn man einen
körperlich anstrengenden Beruf hat, vom psychischen Stress an vielen
Arbeitsplätzen ganz zu schweigen? Und als ob der „Idealfall“, 48
Jahre Lohnarbeit, nicht jetzt schon illusorisch wäre.

Dazu kommt die drohende
Altersarmut. Umstrukturierungen auf dem Arbeitsmarkt brachten uns
Minijobs und Leiharbeit, Teilzeit und Scheinselbständigkeit,
Arbeitslose, für die dank Sparpaket nicht mehr in die Rentenkasse
eingezahlt wird, und Freiberufler, die nichts zurücklegen können.
Diese prekäre Arbeitswelt wird sich zeitversetzt in den Renten
widerspiegeln.

Heutzutage spüren das
schon Frauen und Menschen mit türkischer Staatsbürgerschaft, die
ehemaligen „Gastarbeiter“ und ihre Nachkommen. Die
„türkeistämmigen“ Männer erhalten nach einer Studie des
Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) durchschnittlich 703,
Frauen nur 356 Euro Rente. Gründe dafür sind niedrige Löhne,
Frühverrentung und „unstetige Erwerbsbiografien“. Zusätzlich
ist die private Altersvorsorge weniger verbreitet. Eine Ursache liegt
in der Hoffnung auf einen kostengünstigeren Lebensabend in der
Türkei, wobei nur jede/r Siebente dies auch in die Tat umsetzt. Für
37,7 % der Befragten ist der Hauptgrund schlicht „kein Geld“, was
bei einer Armutsquote von 34 % nicht verwundert. Wer nichts hat, kann
nichts zurücklegen.

Frauen bekamen 2008 fast
exakt die Hälfte der Altersrente der Männer (528 statt 1057 Euro).
Diese Schere scheint sich zwar perspektivisch zu schließen, bis
Männer und Frauen aber gleiche Renten bekommen, werden noch einige
Jahrzehnte ins Land gehen. Gründe hierfür sind Schwangerschaft,
Kindererziehung, unbezahlte Hausarbeit. Und selbst wenn sie
Lohnarbeit und Haushalt unter einen Hut bekommen, verdienen sie
häufig weniger als Männer. Zu wenig für ein gleichberechtigtes
Altwerden.

Diese Fortführung von
Ungleichbehandlung und Ausbeutung ins Rentenalter wird in Zukunft
viel mehr Menschen treffen und sollte nicht unbeantwortet bleiben. Es
heißt also rechtzeitig kämpferisch vorsorgen.

Thomas Winzer

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